CCC-Jahrestreffen

Wer hackt, handelt politisch

Ein Teilnehmer des 30. Chaos Communication Congress (30C3) des Chaos Computer Clubs (CCC) sitzt am 27.12.2013 im Congress Center (CCH) in Hamburg mit seinem Laptop in einem Becken mit weichem Verpackungsmaterial.
Abhängen und abhacken: Der 30. Chaos Communication Congress findet in Hamburg statt. © dpa / picture alliance / Bodo Marks
Von Falk Steiner |
Der Chaos Computer Club (CCC) will sich bis heute nicht als politischer Verein verstehen. Dabei bietet dieses Jahr genügend Anlässe, dass sich die Hacker der eigenen politischen Verantwortung bewusst werden sollten, meint Falk Steiner.
Der Chaos Communication Congress ist ein Hackerkongress. Um genau zu sein: Eine Mischung aus Universitätsvorlesung, Hackerfolklore und Weltpolitikdiskussion durch die Nerdbrille. 30c3, wie die CCCler ihre Veranstaltung abkürzen, ist ein Jubiläum: zum 30. Mal treffen sie sich. Dazu kann man gratulieren. Und auch dazu, wie sehr die einst als Kellerkinder verschrienen, als verschrobene, paranoide Computerfuzzis Belächelten nun im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. Mahner und Warner sind sie geworden, weil sie Technologie verstehen und manche von ihnen Konsequenzen daraus formulieren.
Nur gibt es ein Grundsatzproblem: Zur Folklore gehört, dass auf dem Congress der "gute Hacker" gefeiert wird, der mehr als der Durchschnittsbürger wissende und verstehende Technologieexperte. "Just because I'm paranoid, it doesn't mean they're not after me - nur weil ich paranoid bin, heißt es nicht, dass sie nicht hinter mir her sind", lautet ein gängiger Spruch der Szene. Viele verstehen sich als eine digitale Mischung aus Robin Hood und Sherlock Holmes. Aber was heißt das im Angesicht der NSA-Affäre eigentlich?
Seit Jahren gibt es Streit über die Ausrichtung des Clubs
Unter den Hackern tobt seit Jahren ein erbitterter Streit: Mit wem darf, mit wem soll man zusammenarbeiten? Dürfen deutsche Hacker deutschen Sicherheitsinstitutionen helfen, wenn diese gegenüber Chinesen und Amerikanern hilflos dastehen? Wenn ja: wem? Und wie weit?
Das Wort Hacking beschreibt in erster Linie: angewandtes Wissen über Netzwerke, Chips. Kurzum: IT-Sicherheit und ihre Schwächen und daraus resultierende Folgen.
Falk Steiner
Unser Kommentator Falk Steiner aus dem Hauptstadtstudio.© Deutschlandradio - Bettina Straub
Viele der sich selbst als Hacker definierenden Mitglieder des Chaos Computer Clubs arbeiten als Systemadministratoren, IT-Sicherheitsspezialisten oder Forscher. Bei großen IT-Firmen, bei denen keineswegs immer klar ist, wofür die Tools verwendet werden, die programmiert werden. Manche betreiben eigene Firmen, mit denen sie Schwachstellen in der IT suchen.
Wer darf da Kunde sein? Darf man für Microsoft und Google arbeiten, wenn diese von den USA dazu verpflichtet werden, den US-Behörden Zugriff auf ihre Daten zu geben? Darf man den deutschen Behörden bei der Spionageabwehr helfen? Oder den Kriminalbehörden bei der Digitalforensik, wenn es darum geht, die verschlüsselten Festplatten mutmaßlicher Straftäter zu knacken? Sollte ein Hacker Software schreiben, mit der repressive Regime ihre Bevölkerung kontrollieren? Dürfen Hacker das Netzwerk eines großen IT-Dienstleisters sichern, bei dem man vermuten muss, dass er Dienstleister für solche Behörden ist?
Auch Hacker haben eine gesellschaftliche Verantwortung
Es gibt oft keine klare Trennlinie zwischen dem guten und dem bösen Hacker. "Kein Bit ist illegal" und "Hacking ist kein Verbrechen", lauten zwei der Mantren der Hackerbewegung. Beides stimmt für sich genommen. Aber es ist zugleich auch ein Abstreiten der gesellschaftlichen und politischen Verantwortung der Hacker: Es ist eine intellektuell-technokratische Kapitulation vor den Folgen des eigenen Tuns - ein nur zu bequemes Argument.
Der CCC will sich bis heute nicht als klar politischer Verein verstehen, auch wenn einige seiner prominentesten Vertreter sich regelmäßig in politischen Debatten äußern. Wann, wenn nicht im Jahr der größten Überwachungsaffäre der Geschichte, wäre für die Hacker ein guter Zeitpunkt, sich über die politische Verantwortung ihres Tuns und Lassens bewusst zu werden? Drei Jahrzehnte nach dem ersten Chaos Congress sollte auch der letzte Hacker verstanden haben, dass Technik allein die von ihnen identifizierten Probleme nicht lösen kann.
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