CDs zum Gruseln

Alfred Hitchcocks "Psycho" kam 1960 in die Kinos und wurde zu einem Klassiker des Grusel-Genres. Der Norddeutsche Rundfunk hat das Stück nun als Hörbuch herausgebracht. Als Sprecher gewann er den Schauspieler Matthias Brandt.
"Dann stellte sie sich unter die Dusche. Das Wasser war heiß und sie musste den Kalthahn etwas aufdrehen. Zuletzt drehte sie beide Hähne so weit es ging auf und ließ den warmen Guss auf sich herabprasseln. Der Lärm war ohrenbetäubend und der Raum begann sich mit Dampf zu füllen. Deshalb hörte sie weder die Tür aufgehen noch die Schritte. Und als der Duschvorhang geöffnet wurde, war das Gesicht anfangs durch den Dampf verdeckt. Dann aber sah sie es vor sich, nur ein Gesicht, das durch den Spalt blickte wie eine Maske, mitten in der Luft hängend."

Die berühmte Psycho-Szene, eine junge Frau unter der Dusche, die von einem Psychopathen erstochen wird. Im Film mit 70 Kamera-Einstellungen, 50 Schnitten, der Grusel-Musik von Bernard Herrmann und dem Geräusch einer Wassermelone, auf die eingestochen wird, unvergesslich in Szene gesetzt, geht man als Fan des Hitchcock-Klassikers skeptisch an die Hörbuch-Fassung heran, - und erlebt eine große Überraschung.

Robert Blochs 188-Seiten-Buchvorlage, nach der der Hitchcock-Film entstand, erweist sich in der komplett eingespielten Hörbuch-Version als brillanter Thriller-Text, der den Film fast vergessen lässt.

"Ein Kopftuch verdeckte die Haare, die verglasten Augen hatten einen unmenschlich starren Ausdruck, aber es war keine Maske, es konnte keine Maske sein. Es war keine Maske, es war das Gesicht einer verrückten Frau. Mary fing an zu schreien, da wurde der Vorhang noch weiter geöffnet und eine Hand mit einem Schlachtmesser tauchte auf, es war das Messer, das ihr eine Sekunde später den Schrei abschnitt, und den Kopf."

Was Hitchcock mit einem ganzen Ensemble gelang, schafft Michael Brandt im Alleingang, spielt, spricht verschiedene Frauen- und Männerrollen, unter anderem auch die des psychopathischen Mörders und seiner von ihm ausgestopften Mutter. Keine leichte Aufgabe, und am Anfang zuckt man zurück, aber es gelingt, Brandt sei Dank.

"Ich wollte Dir doch nur etwas erklären, das, was man eine Ödipus-Situation nennt. Und ich dachte mir, wenn wir beide vernünftig an das Problem herangehen und uns Mühe geben, es zu lösen, dass sich vielleicht dann die Dinge bessern würden. Bessern, mein Junge? Nichts wird sich bessern. Du bist ein Muttersöhnchen, so haben sie dich genannt und Du warst es auch, du warst, du bist es und du wirst es bleiben, ein großes, fettes, gemästetes Muttersöhnchen."

Man erlebt, hört, sieht "Psycho" neu. Besser als jede Kamera analysieren Buch- und Hörbuch-Fassung psychologische Deformationen, schaffen Atmosphäre, beschreiben minutiös. Auch jene Szene, in der Lila, die Schwester der ermordeten Mary, die ausgestopfte Mutter des Mörders findet.

"Lila öffnete die Tür des Obstkellers. Das war der Augenblick, als sie aufschrie. Sie schrie, als sie die alte Frau dort liegen sah, die hagere grauhaarige alte Frau, deren braunes verhunzeltes Gesicht sie mit einem obszönen Grinsen begrüßte. Mrs. Bates, stieß Lila hervor. Ja. Aber die Stimme kam nicht aus diesem verkniffenen, lederartigen Kiefer, sie kam von der Treppe, von der obersten Stufe her, auf der die Gestalt stand."

"Psycho", genial zum Leben erweckt und gesprochen von Matthias Brandt, erweist sich in der Produktion des Norddeutschen Rundfunks als eine echte Wieder- beziehungsweise Neuentdeckung des Grusel- und Thriller-Autors Robert Bloch, der 1994 in Los Angeles starb.

"Psycho" als Hörbuch: kein billiges Remake des Films, sondern eine psychologische Gruselperle, ein multiples Stimmen-Irrenhaus des multiplen Ein-Mann-Ensembles Matthias Brandt. Die letzte Szene: im Gefängnis, - der psychopathische Mörder schlüpft in die Rolle seiner Mutter.

"Dann kam eine Fliege summend durchs Gitter, setzte sich auf ihre Hand. Wenn sie wollte, konnte sie die Fliege erschlagen, aber sie erschlug die Fliege nicht. Schau, sie konnte nicht mal einer Fliege was zuleide tun."

Besprochen von Lutz Bunk

Robert Bloch: Psycho
Übersetzt von Paul Baudisch, gelesen von Matthias Brandt
Produktion Norddeutscher Rundfunk
Der Audio Verlag, Berlin 2010
5 CDs, 344 Minuten, 19,99 Euro