"Ehe für alle" ist keine Generationenfrage
Gibt es eine kleine Revolution im Lager der Konservativen? 12.500 Mitglieder der Berliner CDU sind aufgerufen, für oder gegen die Öffnung der Ehe abzustimmen. Die ideologische Diskussion an der Basis zeigt: Unterstützer und Gegner gibt es bei Jung und Alt.
Sommerfest bei den Berliner Christdemokraten. Ein laues Lüftchen weht, das Essen deftig: Bratwürstchen, Reibekuchen, Kartoffelsalat. Zum Nachtisch gibt es heiße Crêpes. Die Stimmung ist prima, Fraktionschef Florian Graf greift zum Mikro.
"Die Union hat eine klare Agenda für Berlin, wir stärken die Wirtschaft … Berlin wächst, das Wirtschaftswachstum ist überdurchschnittlich, die Arbeitslosigkeit sinkt …"
Ja, die Wirtschaft brummt. Im Bundesländervergleich schneidet derzeit nur Baden-Württemberg besser ab. Motor des Wachstums ist die Bauwirtschaft. Denn Berlin ist eine attraktive Stadt: noch bezahlbar für Kreative, international, weltoffen und liberal. Da mutet es ein bisschen seltsam an, dass sich gerade die Berliner CDU gegen die Ehe für alle sträubt. Vom konservativen Bayern hätte man das erwartet, aber Berlin? Timur Hussein sieht darin keinen Widerspruch. Der 34-Jährige engagiert sich seit seiner Jugend für den CDU-Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg. Die Ehe habe seit Jahrhunderten Bestand. Deshalb müsse sie bewahrt werden, sagt er.
Timur Husein:"Ich sehe keine Notwendigkeit, dieses Institut zu öffnen für homosexuelle Paare. Weil eine Ehe eben auch das Institut ist, in das Kinder am besten hineingeboren werden. Und bei einer Öffnung würde es bedeuten, dass auch homosexuelle Paare Kinder adoptieren können und ich denke für das Kindeswohl ist es am besten, wenn es eine Mutter und einen Vater hat und nicht zwei Mütter oder zwei Väter."
Gleichheit ohne Gleichstellung
Er ist an diesem Abend einer der wenigen, die so offen Stellung beziehen. Die meisten, die gegen die Ehe für alle sind, winken ab, wenn sie das Mikrofon sehen. Nicht so der 49-jährige Michael Büge. Der ehemalige Sozialstaatssekretär und Burschenschaftler sagt, homosexuelle Paare sollten Kinder ohne Einschränkungen adoptieren dürfen. Aber die Homo-Ehe lehnt er ab:
"In der historisch-kulturellen Entwicklung gibt es nach wie vor eine besondere Vorstellung bei einer großen Mehrheit in unserer Gesellschaft, was Ehe ist. Und ich glaube nicht, dass nur um Gleichheit zu schaffen, man hier dem Begriff der Ehe dann an der Stelle strapazieren oder eben weiter auslegen muss. Entscheidend ist die Frage von Gerechtigkeit und Gleichheit."
So wie Michael Büge und Timur Hussein argumentieren viele der Berliner Christdemokraten an diesem Abend. Ganz anders Stefan Evers. Als bekennender Homosexueller wirbt er mit Leidenschaft für eine Öffnung der Ehe:
"Weil ich fest davon überzeugt bin, dass sich das gesellschaftliche Verständnis des Ehebegriffes gewandelt hat. Man kann, darf, muss vielleicht einen Unterschied machen, was Religionen, was Konfessionen unter einer Ehe verstehen und dem was der Staat als Ehe setzen kann. Das ist absolut unbenommen. Und das halte ich auch denjenigen entgegen, die sagen, die Ehe ist eine Institution, die schon Jahrtausende alt ist."
Angst vor Beliebigkeit
Das ist sie nicht. Unsere bürgerliche Zivilehe geht auf Otto von Bismarck zurück. Jetzt, 140 Jahre später, will sie Stefan Evers reformieren. Seine größten Gegner sitzen in der eigenen Partei – der CDU. Dort herrsche die Angst inne, dass bei einer Öffnung der Ehe-Begriff eines Tages völlig beliebig werde. Der 35-Jährige befürchtet das nicht und auch einige aus der älteren Generation der CDU bleiben gelassen. Das Thema ist offenbar keine Generationen-Frage. Kurt Wansner, 67 Jahre, seit 40 Jahren mit ein und derselben Frau verheiratet, wie er stolz von sich sagt, ist ein offener Typ:
"Mir ist es egal ob einer zwei Frauen hat oder eine Frau hat, ob jemand 'ne Homo-Ehe, ob 'ne Frau lesbisch ist. In einer Großstadt wie in Berlin gibt es diese Diskussionen gar nicht. In meinem Kreisverband, da leben Männer zusammen, das akzeptiere ich, da leben Frauen zusammen, auch das akzeptiere ich. Aber dass wir darüber und überhaupt noch diese intensive und auch so aufgeregte Diskussion in einer Großstadt wie Berlin, glaube ich, ist überflüssig."
Da die meisten in seiner Partei dies allerdings anders sehen, will die Berliner CDU ihre 12.500 Mitglieder bis zur Sommerpause über das Thema abstimmen lassen. Sind sie für oder gegen die Öffnung der Ehe. Das Ergebnis fließt dann in die künftige Bundesratsabstimmung über den Gesetzentwurf zur Gleichstellung mit ein. In der Folge muss sich auch der Bundestag damit befassen.