CDU-Landeschef will um Grünen-Wähler werben
Kurz vor ihrem Bundesparteitag ringt die CDU um den künftigen Kurs. Der baden-württembergische Landesvorsitzende Thomas Strobl mahnt, die Partei müsse "gesellschaftspolitische Megatrends" aufnehmen - und den Grünen möglichst viele Wähler abspenstig machen.
Ute Welty: Da ist schon eine Menge in Bewegung: Die SPD hadert mit ihrem designierten Kanzlerkandidaten und seinen Nebeneinkünften, die Grünen wählen neben dem Schlachtross Jürgen Trittin eine Frau zum Spitzenkandidaten, die viele gar nicht auf dem Zettel hatten, nämlich Katrin Göring-Eckardt, und die CDU ringt um Kurs. Wie viel Modernität kann, darf oder soll sich die Christdemokratie leisten? Für einen modernen Kurs spricht sich auch Thomas Strobl aus, Bundestagsabgeordneter und Landesvorsitzender in Baden-Württemberg. Guten Morgen, Herr Strobl!
Thomas Strobl: Guten Morgen!
Welty: Ich habe es eben schon gesagt: Da ist eine Menge in Bewegung, auch in Ihren Reihen – so warnt der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, davor, zu viel zu wagen und Stammwähler zu verschrecken. Was halten Sie dem entgegen?
Strobl: Ich glaube nicht, dass wir Stammwähler verschrecken, wenn wir eine solche Debatte führen. Ich glaube, die Union muss klare Positionen haben in der Wirtschaftspolitik, in der Sicherheitspolitik, beispielsweise auch in der Europapolitik. Da gibt es vieles, was uns von den Grünen unterscheidet. Die CDU soll nicht grüner werden, aber mir geht es darum, dass wir einige langfristige gesellschaftspolitische Megatrends stärker in unsere Programmatik aufnehmen.
Welty: Welche zum Beispiel?
Strobl: Dass wir unsere erfolgreiche wirtschaftspolitische Erzählung, die wir als Union haben, verbinden mit einer Erzählung von Ökologie, von Emanzipation, von Gleichberechtigung. Ich glaube, das gehört dazu, und ich glaube, dass junge Familien in der Großstadt, aber auch auf dem Lande ein Gespür für solche Themen in den letzten Jahren entwickelt haben.
Welty: Warum sind Sie und Mißfelder in diesem Zug so unterschiedlicher Meinung? Er ist Jahrgang '79, Sie '60 – da scheint es doch eine gewisse Diskrepanz zu geben, wenn man Meinung und Alter in Beziehung miteinander setzt.
Strobl: Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich mit Philipp Mißfelder tatsächlich so sehr unterschiedlicher Meinung bin. Wir verstehen uns persönlich beispielsweise wirklich sehr, sehr gut, und wir sind sicher beide der Auffassung, dass wir diese Themen miteinander diskutieren müssen. Wissen Sie, wenn ich sage, wir müssen das mehr verknüpfen, Wirtschaft und Ökologie, dann wird natürlich von manchen Medien gleich geschrieben: Er möchte, Strobl möchte, dass die CDU grüner wird. Das will ich gar nicht, sondern ich will, dass wir da an dem einen oder anderen Punkt einfach eine stärkere Verbindung herstellen, und das eine mit dem anderen verknüpfen. Ich glaube nicht, dass die Unterschiede zu Philipp Mißfelder tatsächlich so groß sind.
Welty: Aber das eine mit dem anderen verknüpfen, das bedeutet doch ganz klar, ein grünes Wählerpotenzial abschöpfen wollen.
Strobl: Zwei Dinge möchte ich gerne machen: Ich möchte, dass wir von denen, die sich enttäuscht zurückgezogen haben und zu Nichtwählern geworden sind, wieder mehr ansprechen, und zum Zweiten – das ist wahr –, ich kenne eigentlich nur ein schwarz-grünes Projekt, und dieses schwarz-grüne Projekt heißt, die CDU möglichst stark machen und den Grünen so viel wie möglich Wähler abspenstig machen. Das ist unsere Aufgabe, das gehört sich auch in einer Demokratie, dass wir das unter Wettbewerbsgesichtspunkten so sehen.
Welty: Apropos grün: Ihr Landesverband hat ja mit der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart und dem grünen Sieg dort eine empfindliche Schlappe einstecken müssen. Wie wollen Sie darauf reagieren?
Strobl: Es ist gar nicht zu bestreiten, glaube ich, dass wir insbesondere in den Ballungsräumen, in den großen Städten ein Problem haben, da haben wir ja in den letzten Jahren, in den letzten Jahrzehnten bei Oberbürgermeisterwahlen ja jetzt nicht durchgängig erfolgreich abgeschnitten, um das einmal vorsichtig zu formulieren. Wir haben eine Entwicklung seit vielen Jahren, etwa in der Stadt Stuttgart, die dazu geführt hat, dass wir im Gemeinderat keine Mehrheit mehr haben. Die CDU ist von den Grünen dort überholt worden, es gibt eine linke Mehrheit im Rat, und das ist ein Thema, an dem wir arbeiten müssen, und das ist im übrigen auch der Grund, warum ich sage, die CDU muss sich etwas stärker öffnen, und wir haben eine große Umfrage gemacht über 3500 Menschen im Rahmen eines Projektes "Frauen im Fokus", und da war ganz interessant festzustellen, dass es gar nicht so große Unterschiede gibt zwischen denen, die auf dem Land wohnen und in der Großstadt. Das heißt aber, dass sich die CDU insgesamt in einigen Punkten weiterentwickeln muss. Und das war auch der Grund, warum ich mich geäußert habe.
Welty: Und wie wollen Sie das alles umsetzen? Wie die Parteifreunde aus dem Traum herausreißen, sie säßen noch in der absoluten Mehrheit des Paradieses von Erwin Teufel als Ministerpräsident?
Strobl: Sie haben ganz recht, man muss manchmal schon ein bisschen aufrütteln. Und ich finde, es ist Aufgabe eines Parteivorsitzenden, so wie jetzt von mir in Baden-Württemberg, solche Diskussionen auch herbeizuführen. Eine Partei muss auch gesellschaftliche Entwicklungen rezipieren, wir müssen immer wieder über den richtigen Weg miteinander ringen, miteinander diskutieren, das ist gar nicht schlimm, das führt im Übrigen nicht zur Profillosigkeit, sondern das führt zu mehr Profil. Wir müssen es nur in einer ganz anständigen Art und Weise miteinander tun, beispielsweise so, wie das Philipp Mißfelder und ich miteinander tun, dass man in ganz großem gegenseitigen Respekt, in persönlichem Respekt einfach um den richtigen Weg ringt – Argument für Argument.
Welty: Ich möchte noch eine dritte Quelle heranziehen, nämlich Ole von Beust, ehemals Erster Bürgermeister in Hamburg, der von sich selbst sagt, ich bin ein authentischer Spießer, und der Ihrer und seiner Partei vorwirft, die CDU hat Angst. Beobachten Sie das auch?
Strobl: Nein, Angst kann ich nicht feststellen. Ich möchte für die CDU in Baden-Württemberg sagen, wir sind etwas erfolgsverwöhnt. Und der wirtschaftspolitische Erfolg, den die CDU über viele, viele Jahre mit zu verantworten hat, droht ein bisschen zu einer Gefahr zu werden, und das führt natürlich vielleicht auch ein bisschen zu Bequemlichkeit. Angst ist das falsche Wort, sondern ich würde umgekehrt uns raten, munter den Mut zu haben, ganz gelassen die eine oder andere Diskussion anzugehen.
Welty: Glauben Sie, dass das passiert? Am 3. Dezember beginnt ja der CDU-Bundesparteitag. Oder ist das ein Ort, wo nichts wieder passiert als Bestätigung?
Strobl: Das könnten wir doch schon zu einem Auftakt nehmen, solche Diskussionen zu führen, aber natürlich ist die Debatte, die ich mir vorstelle, nicht eine Debatte, die an einem Bundesparteitag stattfindet und dann wieder beendet ist. Das darf keine Eintagsfliege sein. Für nun diese langen Linien müssen wir auch in einem breiten Diskussionsprozess uns erarbeiten. Das dauert nicht Tage, auch nicht Wochen, sondern das ist eher etwas für viele Monate.
Welty: Die Lage der Christdemokratie im Herbst 2012, dazu das Interview im Deutschlandradio Kultur mit Thomas Strobl, CDU-Bundestagsabgeordneter und Landesvorsitzender in Baden-Württemberg. Ich danke dafür!
Strobl: Herzlichen Dank und einen schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thomas Strobl: Guten Morgen!
Welty: Ich habe es eben schon gesagt: Da ist eine Menge in Bewegung, auch in Ihren Reihen – so warnt der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, davor, zu viel zu wagen und Stammwähler zu verschrecken. Was halten Sie dem entgegen?
Strobl: Ich glaube nicht, dass wir Stammwähler verschrecken, wenn wir eine solche Debatte führen. Ich glaube, die Union muss klare Positionen haben in der Wirtschaftspolitik, in der Sicherheitspolitik, beispielsweise auch in der Europapolitik. Da gibt es vieles, was uns von den Grünen unterscheidet. Die CDU soll nicht grüner werden, aber mir geht es darum, dass wir einige langfristige gesellschaftspolitische Megatrends stärker in unsere Programmatik aufnehmen.
Welty: Welche zum Beispiel?
Strobl: Dass wir unsere erfolgreiche wirtschaftspolitische Erzählung, die wir als Union haben, verbinden mit einer Erzählung von Ökologie, von Emanzipation, von Gleichberechtigung. Ich glaube, das gehört dazu, und ich glaube, dass junge Familien in der Großstadt, aber auch auf dem Lande ein Gespür für solche Themen in den letzten Jahren entwickelt haben.
Welty: Warum sind Sie und Mißfelder in diesem Zug so unterschiedlicher Meinung? Er ist Jahrgang '79, Sie '60 – da scheint es doch eine gewisse Diskrepanz zu geben, wenn man Meinung und Alter in Beziehung miteinander setzt.
Strobl: Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich mit Philipp Mißfelder tatsächlich so sehr unterschiedlicher Meinung bin. Wir verstehen uns persönlich beispielsweise wirklich sehr, sehr gut, und wir sind sicher beide der Auffassung, dass wir diese Themen miteinander diskutieren müssen. Wissen Sie, wenn ich sage, wir müssen das mehr verknüpfen, Wirtschaft und Ökologie, dann wird natürlich von manchen Medien gleich geschrieben: Er möchte, Strobl möchte, dass die CDU grüner wird. Das will ich gar nicht, sondern ich will, dass wir da an dem einen oder anderen Punkt einfach eine stärkere Verbindung herstellen, und das eine mit dem anderen verknüpfen. Ich glaube nicht, dass die Unterschiede zu Philipp Mißfelder tatsächlich so groß sind.
Welty: Aber das eine mit dem anderen verknüpfen, das bedeutet doch ganz klar, ein grünes Wählerpotenzial abschöpfen wollen.
Strobl: Zwei Dinge möchte ich gerne machen: Ich möchte, dass wir von denen, die sich enttäuscht zurückgezogen haben und zu Nichtwählern geworden sind, wieder mehr ansprechen, und zum Zweiten – das ist wahr –, ich kenne eigentlich nur ein schwarz-grünes Projekt, und dieses schwarz-grüne Projekt heißt, die CDU möglichst stark machen und den Grünen so viel wie möglich Wähler abspenstig machen. Das ist unsere Aufgabe, das gehört sich auch in einer Demokratie, dass wir das unter Wettbewerbsgesichtspunkten so sehen.
Welty: Apropos grün: Ihr Landesverband hat ja mit der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart und dem grünen Sieg dort eine empfindliche Schlappe einstecken müssen. Wie wollen Sie darauf reagieren?
Strobl: Es ist gar nicht zu bestreiten, glaube ich, dass wir insbesondere in den Ballungsräumen, in den großen Städten ein Problem haben, da haben wir ja in den letzten Jahren, in den letzten Jahrzehnten bei Oberbürgermeisterwahlen ja jetzt nicht durchgängig erfolgreich abgeschnitten, um das einmal vorsichtig zu formulieren. Wir haben eine Entwicklung seit vielen Jahren, etwa in der Stadt Stuttgart, die dazu geführt hat, dass wir im Gemeinderat keine Mehrheit mehr haben. Die CDU ist von den Grünen dort überholt worden, es gibt eine linke Mehrheit im Rat, und das ist ein Thema, an dem wir arbeiten müssen, und das ist im übrigen auch der Grund, warum ich sage, die CDU muss sich etwas stärker öffnen, und wir haben eine große Umfrage gemacht über 3500 Menschen im Rahmen eines Projektes "Frauen im Fokus", und da war ganz interessant festzustellen, dass es gar nicht so große Unterschiede gibt zwischen denen, die auf dem Land wohnen und in der Großstadt. Das heißt aber, dass sich die CDU insgesamt in einigen Punkten weiterentwickeln muss. Und das war auch der Grund, warum ich mich geäußert habe.
Welty: Und wie wollen Sie das alles umsetzen? Wie die Parteifreunde aus dem Traum herausreißen, sie säßen noch in der absoluten Mehrheit des Paradieses von Erwin Teufel als Ministerpräsident?
Strobl: Sie haben ganz recht, man muss manchmal schon ein bisschen aufrütteln. Und ich finde, es ist Aufgabe eines Parteivorsitzenden, so wie jetzt von mir in Baden-Württemberg, solche Diskussionen auch herbeizuführen. Eine Partei muss auch gesellschaftliche Entwicklungen rezipieren, wir müssen immer wieder über den richtigen Weg miteinander ringen, miteinander diskutieren, das ist gar nicht schlimm, das führt im Übrigen nicht zur Profillosigkeit, sondern das führt zu mehr Profil. Wir müssen es nur in einer ganz anständigen Art und Weise miteinander tun, beispielsweise so, wie das Philipp Mißfelder und ich miteinander tun, dass man in ganz großem gegenseitigen Respekt, in persönlichem Respekt einfach um den richtigen Weg ringt – Argument für Argument.
Welty: Ich möchte noch eine dritte Quelle heranziehen, nämlich Ole von Beust, ehemals Erster Bürgermeister in Hamburg, der von sich selbst sagt, ich bin ein authentischer Spießer, und der Ihrer und seiner Partei vorwirft, die CDU hat Angst. Beobachten Sie das auch?
Strobl: Nein, Angst kann ich nicht feststellen. Ich möchte für die CDU in Baden-Württemberg sagen, wir sind etwas erfolgsverwöhnt. Und der wirtschaftspolitische Erfolg, den die CDU über viele, viele Jahre mit zu verantworten hat, droht ein bisschen zu einer Gefahr zu werden, und das führt natürlich vielleicht auch ein bisschen zu Bequemlichkeit. Angst ist das falsche Wort, sondern ich würde umgekehrt uns raten, munter den Mut zu haben, ganz gelassen die eine oder andere Diskussion anzugehen.
Welty: Glauben Sie, dass das passiert? Am 3. Dezember beginnt ja der CDU-Bundesparteitag. Oder ist das ein Ort, wo nichts wieder passiert als Bestätigung?
Strobl: Das könnten wir doch schon zu einem Auftakt nehmen, solche Diskussionen zu führen, aber natürlich ist die Debatte, die ich mir vorstelle, nicht eine Debatte, die an einem Bundesparteitag stattfindet und dann wieder beendet ist. Das darf keine Eintagsfliege sein. Für nun diese langen Linien müssen wir auch in einem breiten Diskussionsprozess uns erarbeiten. Das dauert nicht Tage, auch nicht Wochen, sondern das ist eher etwas für viele Monate.
Welty: Die Lage der Christdemokratie im Herbst 2012, dazu das Interview im Deutschlandradio Kultur mit Thomas Strobl, CDU-Bundestagsabgeordneter und Landesvorsitzender in Baden-Württemberg. Ich danke dafür!
Strobl: Herzlichen Dank und einen schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.