CDU-Politiker Klaus-Peter Willsch bekräftigt Kritik am Euro-Rettungsschirm

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit André Hatting |
Der CDU-Haushaltsexperte und EFSF-Kritiker Klaus-Peter Willsch hat seine Ablehnung gegenüber einer Aufstockung des Euro-Rettungsschirms bekräftigt. Der für Donnerstag im Bundestag geplante Beschluss sei nur ein Versuch, Schulden mit noch mehr Schulden zu bekämpfen, so Willsch.
André Hatting: Schritt für Schritt will die Bundeskanzlerin Europa aus der Krise führen, der nächste heißt: mehr Geld. Für Staaten, die ihre Schulden nicht in den Griff bekommen, wird der Euro-Rettungsschirm aufgestockt von derzeit 250 Milliarden Euro auf fast doppelt so viel, nämlich 440 Milliarden. Übermorgen stimmt der Bundestag über diese neuen Garantien ab. Die Zustimmung gilt zwar als sicher, aber hartnäckig hält sich eine Reihe von Abgeordneten, die finden, dass die Schritte der Bundeskanzlerin in die völlig falsche Richtung gehen. Zum Beispiel der CDU-Haushaltsexperte Klaus-Peter Willsch. Guten Morgen, Herr Willsch!

Klaus-Peter Willsch: Morgen, Herr Hatting!

Hatting: Sie haben erst gestern wieder gemeinsam mit Frank Schäffler von der FDP in einem Zeitungsartikel gewarnt: Die Rettungsschirm-Politik ist vergeblich. Warum?

Willsch: Es ist der Versuch, mit noch mehr Schulden, Schulden, übermäßige Schulden zu bekämpfen. Wir setzen Fehlanreize, wir subventionieren Zinsen herunter. Dabei ist das einzig wirksame Mittel gegen übermäßige Verschuldung ein hoher Zins. Und wenn wir uns jetzt den Fall Griechenland anschauen, so bewirken wir nichts außer der Befriedigung der Altgläubiger. Denn das ist alles, was bisher mit unseren Milliarden, die nach Griechenland geflossen sind, bezahlt worden ist. Staatsanleihen, die fällig waren, sind zurückgezahlt worden.

Hatting: Aber die Reformbemühungen in Griechenland sind doch auch eine Folge?

Willsch: Das ist wahr. Es ist ein ausgesprochen ehrgeiziges Programm, was die griechische Regierung sich vorgenommen und teilweise eben auch gesetzgeberisch umgesetzt hat. Im Vollzug dieser neuen Gesetze hapert es natürlich noch erheblich. Die Lage Griechenlands hat sich seit dem Beginn der Rettung, was die Zahlen anbelangt, verschlechtert, die Verschuldung ist weiter gestiegen, das Haushaltsdefizit ist gewachsen und dazu kommt natürlich noch durch die Austeritätspolitik eine Anpassung der Ökonomie insgesamt nach unten, die Volkswirtschaft schrumpft.

Hatting: Nun muss man fairerweise sagen, dass die Ausgangslage in Griechenland auch schwieriger und schlechter war als beispielsweise in Irland, wo es ja bergauf geht. Was schlagen sie stattdessen vor? Wenn Sie sagen, dass man jetzt Griechenland mit mehr Geld unterstützt, ist der falsche Weg, was schlagen Sie stattdessen vor?

Willsch: Wir müssen zu den Festlegungen, die wir für die Währungsunion getroffen haben, zurückkehren. Wenn Sie in Volkswirtschaften unterschiedlicher Leistungsfähigkeit eine gemeinsame Währung einführen, dann müssen Sie für Ungleichgewichte Vorsorge treffen. Das haben wir getan seinerzeit bei Einführung des Euro durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt, in dem festgelegt wurde, wie sich Neuverschuldung und Gesamtverschuldung entwickeln dürfen. Das ist leider nicht beachtet worden, das ist leider sogar aktiv gebrochen worden auch von der deutschen Regierung unter Schröder und Eichel.

Und Sie müssen zum Zweiten das Ganze absichern, dass es nicht dazu kommt, dass einer zulasten des anderen Schulden macht in einem solchen Währungsverbund. Und das ist die sogenannte No-Bail-out-Klausel, die Nichteinstandsverpflichtung. Es ist in den europäischen Verträgen klar geregelt, dass es untersagt ist, dass ein Land die Schulden des anderen übernimmt, um genau eine solche Spekulation darauf, es wird schon einer da sein, der den dann rauspaukt, wenn er nicht mehr zurechtkommt mit seinem Geld, um eine solche Spekulation nicht aufgehen zu lassen.

Hatting: Gut, nun hat Griechenland diese Stabilitätskriterien, von denen Sie gerade gesprochen haben, verletzt, und zwar deutlich. Heißt es jetzt in der Konsequenz Ihrer Meinung nach, Griechenland soll raus aus der Eurozone?

Willsch: Ich glaube, für die Griechen wäre es das Beste, es außerhalb des Euroraumes zu versuchen. Sie hätten dann wieder die währungspolitische Handlungsfreiheit, sie könnten abwerten, damit die Wettbewerbsfähigkeit oder eine Grundlage für eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit schaffen. Wir müssten uns dann Gedanken machen, was das alles bei uns bedeutet. Die Gedanken sind ja schon gemacht.

Zum einen haben viele Institute bereits Forderungen an den griechischen Staat abgeschrieben, das heißt, gelindert im Wert, in ihrer Bilanz, weil sie eben nicht mehr für 100 Euro, die sie Griechenland geliehen haben, heute keine 100 mehr zurückkriegen. Die Staatsanleihen werden ja gehandelt, je nach Laufzeit kriegen Sie da noch 40 oder 60 Euro für die 100. Und normal muss eine Bank das dann noch abschreiben in ihren Büchern ...

Hatting: ... was einige ja schon gemacht haben ...

Willsch: ... was einige gemacht haben. Da muss man sich genau anschauen, ob dadurch Banken in Schieflage kommen können, ...

Hatting: ... ja, Herr Willsch, wenn Sie da ...

Willsch: ... ich glaube, bei den deutschen Instituten wäre das nicht der Fall. Aber wir haben auch infolge der Finanzkrise ja gesetzliche Möglichkeiten geschaffen, wir können dann im Zweifelsfalle Banken rekapitalisieren, dann ist das Geld auch nicht verloren, dann ist es eine Eigenkapitalunterlegung bei Banken durch den Staat. Und dafür hat der Staat Anteile an dieser Bank. Und die kann er, wenn es dann wieder gut läuft, später veräußern.

Hatting: Ja, Herr Willsch, Sie sagen, Sie glauben, dass das die Banken nicht in den Bankrott führen könnte. Aber wir haben ja ein Beispiel, 2008, wo genau das Gegenteil der Fall war: Lehman Brothers hatte man damals pleite gehen lassen und die Folgen weltweit waren katastrophal.

Willsch: Ja, die beiden Ereignisse sind ja nicht miteinander zu vergleichen. Also, einmal war das Volumen von Lehman Brothers 200 Milliarden höher als das, wo wir jetzt bei Griechenland drüber reden - das zeigt auch so ein bisschen was, dass es da ungesunde Entwicklungen im Bankenbereich gibt, es darf keine Bank so groß und so mächtig sein, dass es Staaten erpressen kann -, aber noch mal, der Unterschied besteht doch darin: Lehman Brothers war damals ausgezeichnete Kreditwürdigkeit, noch zwei Tage vor dem Zusammenbruch Triple-A-geratet. An diese Begriffe hat sich die deutsche Öffentlichkeit ja inzwischen gewöhnt.

Und das war ein, was man in der Volkswirtschaft ein exogener Schock nennt, das war wirklich ein Ereignis, was keiner vorhergesehen hat. Im Falle Griechenlands redet doch jedermann seit 15, 17 Monaten über nichts anderes, als wann der Zahlungsausfall kommt, wie er organisiert wird, und bereitet sich darauf vor.

Hatting: Zum Beispiel auch mit einer geordneten Insolvenz, die jetzt auch vorbereitet werden soll, dann im Rahmen des ESM, des reformierten ESM im neuen Jahr.

Willsch: Also, beim ESM gibt es etwas, was einen Fortschritt darstellen könnte, diese sogenannten collective action clauses. Das heißt, es wird in den Vertrag, den man macht mit dem Staat, dem man Geld gibt, eine Klausel aufgenommen, dass, falls es zu einem Schuldenschnitt kommt, also falls die Schulden nicht vollständig zurückgezahlt werden und die Gläubiger sich einigen, mit einer Quote von sagen wir mal 70 Prozent zufrieden zu sein und dafür eine gewisse Mehrheit bei den Gläubigern zustande kommt, dass dann ein Einzelner nicht widersprechen kann und nicht dagegen klagen kann.

Das wäre in der Tat, das haben wir auch außerhalb von ESM in einigen Staatspapieren heute schon und das wäre in der Tat ein Fortschritt. Das ändert aber nichts daran, dass der ESM eine Fortsetzung des EFSF ist. Das Grundprinzip ist: Es wird versucht, mit mehr Verschuldungsmöglichkeit für Staaten, für hoch überschuldete Staaten der Probleme Herr zu werden. Und das ist der falsche Weg. Wir sind ja auch in Deutschland aktiv genau den entgegengesetzten Weg gegangen. Wir haben gesagt, wir trauen uns nicht zu, dass wir immer widerstehen können der Versuchung, wenn wir dran sind und regieren, kurz vor der Wahl noch mal was Gutes zu tun, Wahlgeschenke zu verteilen. Und deshalb haben wir zu den Bürgern gesagt, wir schreiben die Schuldenbremse ins Grundgesetz, um ...

Hatting: ... und deswegen stimmen Sie am Donnerstag, Herr Willsch, im Bundestag dann auch mit Nein und bleiben dabei, die Kanzlerin hat keine Chance, doch ein Ja von Ihnen zu bekommen?

Willsch: So ist das.

Hatting: Das war Klaus-Peter Willsch, Mitglied des Bundestags der CDU und Haushaltsexperte. Herr Willsch, ich bedanke mich für das Gespräch!

Willsch: Danke, Herr Hatting!

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