CDU-Politiker zeigt sich "skeptisch" über Kultur-Flatrate
In der Diskussion um das Urheberrecht im digitalen Zeitalter äußert sich der CDU-Netzpolitiker Peter Tauber über eine mögliche Kultur-Flatrate zurückhaltend. "Ob die hilfreich ist, muss man bis zum Ende durchdiskutieren", sagt Tauber.
Liane von Billerbeck: Die Debatte um das Urheberrecht im digitalen Zeitalter hat sich wieder erneut zugespitzt. Die Lager scheinen sich unversöhnlich gegenüberzustehen: auf der einen Seite Künstler und Verwerter, die sich von einer Umsonst-Kultur im Internet bedroht sehen, auf der anderen Seite die Anhänger der Netzfreiheit und Nutzer, die vor ausufernder Kriminalisierung und Kontrolle warnen. Nun ist wieder die Idee einer Kulturflatrate für solche Inhalte aufgekommen, eine pauschale Abgabe also, die man zahlt, eine gewisse Summe, mit der man dann Filme, Musik etc. herunterladen kann.
Aber Pragmatismus und Kompromissbereitschaft sucht man in der ideologisch ziemlich aufgeladenen Debatte meist vergebens. Trotzdem wird es eine Lösung geben müssen, und für solche Lösungen sind in unserer Demokratie meist Volksvertreter zuständig. Peter Tauber ist einer von ihnen, er sitzt für die CDU im Bundestag, ist Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft und hat die Initiative Faires Urheberrecht mit gegründet und schreibt auch einen Blog mit dem selbstironischen Titel "Schwarzer Peter". Grüße Sie, Herr Tauber!
Peter Tauber: Einen schönen guten Morgen!
von Billerbeck: Die öffentliche Debatte ums Urheberrecht im Internetzeitalter, die ist ja nicht neu, wird aber derzeit wieder sehr heftig geführt. Überrascht Sie das?
Tauber: Nein, es überrascht mich überhaupt nicht. Wir erleben ja gerade, dass durch die Digitalisierung unserer Welt auf einmal in einem Maße Urheberrechtsverletzungen möglich sind, die zum Beispiel zu meiner Jugendzeit völlig undenkbar waren. Da saß man auch mit dem Kassettenrekorder vorm Radio, hat versucht, die neuesten Hits aufzunehmen, sich geärgert, wenn der Moderator rein gequatscht hat in den letzten zehn Sekunden des Songs, aber das war abgegolten durch die entsprechenden Abgaben auf den Kassettenrekorder beim Kauf, auf die Leerkassette beim Kauf.
Heute können Sie innerhalb von Sekunden hunderte von Songs überspielen oder aus dem Internet runterladen. Das Ausmaß und die Möglichkeit, mit dem Urheberrecht in Konflikt zu kommen, das kein einfaches Recht ist, die sind in einem Maße gestiegen, dass deswegen alleine eine Debatte darüber – wie kann man das Urheberrecht an die digitale Welt anpassen? – dringend notwendig ist.
von Billerbeck: Das Problem existiert ja aber schon seit Längerem, ja? Warum hat man nicht längst gesetzliche Lösungen dafür gefunden?
Tauber: Ich glaube, das liegt an mehrerlei Gründen. Erst mal ist es ja oft so, dass Politik erst etwas ändert, erst Gesetze macht, wenn wirklich auch ein gewisser Handlungsdruck da ist, wenn die ...
von Billerbeck: Der ist doch aber da.
Tauber: Der ist offensichtlich da, genau so ist es. Dann erleben wir aber eben, dass in dem öffentlichen Diskurs – Sie haben es selbst im Eingangsstatement beschrieben – sich ja auch sehr unterschiedliche Akteure mit sehr unterschiedlichen Interessen gegenüberstehen. Und die Musikindustrie zum Beispiel ist ja ein guter Punkt, die haben ja über Jahre hinweg es verschlafen, adäquate Geschäftsmodelle zu entwickeln, die im Netz funktionieren, mit denen man auch im Netz Geld verdienen kann. Ich glaube, dass die Buchbranche das gerade ein bisschen besser macht, und da sieht man, dass am Ende die Politik alleine Probleme auch nicht löst. Wir setzen natürlich den Rahmen, aber darüber, wie der Rahmen aussehen soll, braucht es am Ende auch einen gesellschaftlichen Konsens, und von dem sind wir in der Tat halt auch noch ein Stück entfernt.
von Billerbeck: Nun schieben sie so ein bisschen den Schwarzen Peter zur Musikindustrie zum Beispiel weg. Aber Sie sind ja Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, die gibt es seit 2010, und bis 2012, bis zur Sommerpause, soll die da eigentlich was Handfestes vorweisen. Was gibt es denn da bisher?
Tauber: Ja, die Enquete-Kommission arbeitet, wir haben verschiedene Arbeitsgruppen, dazu gab es auch eine Projektgruppe zum Thema Urheberrecht, in der habe ich selber nicht mitgearbeitet. Ich habe mich engagiert in der Initiative Faires Urheberrecht, weil Sie jetzt so vehement fordern, da muss doch was geschehen, das Problem sei bekannt – so bekannt und so breit im öffentlichen Raum war es dann eben doch wieder nicht, sondern viele haben erst gemerkt, dass wir da ein Problem haben, wenn sie zum Beispiel von Abmahnanwälten entsprechende Schreiben bekommen haben.
Dann war auf einmal klar, hier ist doch irgendwas falsch, hier ist doch irgendeine Regelung nicht optimal, das kann doch nicht sein, dass man entsprechend, wenn man ein Lied illegal im Internet runtergeladen hat, für das man bestraft werden sollte, wenn es illegal war, aber dann eben von solchen Abmahnkanzleien quasi überzogen wird, das zeigt doch, dass so einen richtig öffentlichen Diskurs hat es bis dato nicht gegeben, den hat es bei den Fachleuten gegeben, aber dass wir offensichtlich hier was regeln müssen, was die gesamte Gesellschaft inzwischen betrifft, das ist, glaube ich, jetzt noch mal deutlicher geworden in den letzten Tagen und Wochen der Debatte.
von Billerbeck: Das Problem, das wir haben, Herr Tauber, ist ja folgendes – und Sie kennen das genau so –, dass Künstler die massenhafte Umsonst-Nutzung ihrer Produkte unerträglich finden, und das versteht man ja auch. Aber selbst wenn man diese Gratisnutzung verbieten wollte, wie soll man schließlich dagegen vorgehen, ohne hier die völlige Überwachung einzuführen?
Tauber: Ja, eine völlige Überwachung ist eine Illusion, die ist nicht möglich aus meiner Sicht. Von daher ...
von Billerbeck: Zum Glück, möchte ich hinzufügen!
Tauber: Ja, na Gott sei dank, die will auch keiner. Das ist ja das Gute und das Wichtige, dafür haben wir uns ja auch stark gemacht, auch in der Initiative Faires Urheberrecht, dass wir gesagt haben: Netzsperren zum Beispiel als Ultima Ratio, wie das eine Zeit lang gefordert wurde, sozusagen als Strafe bei Urheberrechtsverletzung, das wollen wir definitiv nicht. Jetzt gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie man dem begegnen kann: Also die eine Möglichkeit haben Sie ja auch schon angedeutet, das wäre zum Beispiel so eine Art Kultur-Flatrate, die ja auch in der öffentlichen Diskussion ist. Ob die hilfreich ist, muss man bis zum Ende durchdiskutieren.
Ich bin an einem Punkt ein bisschen skeptisch: Diejenigen, die sagen, na ja, also wir wollen ja gerne bezahlen, aber doch bitte nicht an irgendwelche anonymen Verwertungsgesellschaften, sondern doch gerne an die Künstler direkt, die führen immer ins Feld, dass da so (…) dahinter stehen, die man eigentlich mitfinanziert. Wenn wir so eine Kultur-Flatrate einführen, brauchen wir wieder einen Riesen-Verwaltungsapparat, der dann regelt, welcher Künstler auf welche Art und Weise aus dieser Kultur-Flatrate Mittel bekommt, die muss erhoben und eingezogen werden. Also ob das am Ende ein kluges marktwirtschaftliches (…) wäre, da habe ich persönlich erhebliche Zweifel, ja?
von Billerbeck: Wenn Sie sagen, die Kultur-Flatrate wäre eine Möglichkeit, aber Sie haben da Ihre Zweifel – es gab ja mehrere Menschen, die die sehr vehement ins Gespräch gebracht haben: Dirk von Gehlen, der Chefredakteur von "jetzt" oder die beiden Bündnis-90/die-Grünen-Abgeordneten Robert Habeck und Konstantin von Notz, die ja darauf verweisen zu Recht, dass es so eine Kultur-Flatrate in der analogen Welt längst gibt. Nun kann man über eine neue Organisation der Verwertungsgesellschaften nachdenken – aber was spricht denn gegen so eine Kultur-Flatrate? Das wäre doch ein möglichst guter Ausgleich zwischen den bisher zerstrittenen Seiten.
Tauber: Die Frage ist, was bedeutet dann künftig der illegale Download von Inhalten im Netz? Ist der damit legitimiert? Da hat die Kultur-Flatrate keine Antwort auf diese Frage.
von Billerbeck: Es geht doch aber erst mal nicht um den großen kriminellen Versuch, sondern die vielen einzelnen Leute, die wollen einfach bestimmte kulturelle Inhalte aus dem Netz, und da wäre so eine pauschale Abgabe doch eigentlich vernünftig. Wenn Sie dagegen sind, müssten Sie doch auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen, denn der funktioniert ja quasi auch durch eine Flatrate, oder eine pauschale Abgabe.
Tauber: Das stimmt, den kann man natürlich jetzt auch noch mal an anderer Stelle kritisch diskutieren. Ich bleibe dabei: Ich bin skeptisch bei solchen Pauschalmodellen, weil die ...
von Billerbeck: Gut, wenn Sie skeptisch sind, Herr Tauber, dann ist natürlich meine nächste Frage gleich: Was soll denn stattdessen kommen?
Tauber: Ja, wir haben eines erlebt, und bei der Musikbranche – ich komme noch mal zu dem Beispiel – ist es ganz offensichtlich: Seit es ein Unternehmen geschafft hat, das nicht aus der Musikbranche kommt, eine attraktive Plattform zu entwickeln, nämlich iTunes, funktioniert dieses Geschäft wieder auf eine ganz andere Art und Weise. Aber es gibt natürlich auch die Studien, die sagen, na ja, ob jetzt der Download von Liedern im Internet automatisch zu einem geringeren Verkauf führt, muss man sich sehr genau anschauen, weil die Frage ist, hätte derjenige diese Lieder überhaupt erworben auf legalem Wege?
von Billerbeck: Noch mal die Frage, Herr Tauber, was denn stattdessen, wenn Sie die Kultur-Flatrate kritisch sehen?
Tauber: Ich finde, attraktive Angebote für die Nutzer. Und ich bin da selbst das beste Beispiel, ich habe auch in meiner Studentenzeit mal illegal was aus dem Netz runtergeladen, aber es gab auch gar keine adäquate Art und Weise, das über einen Bezahlmodus abzuwickeln. Und das gibt es inzwischen in vielfacher Hinsicht, und das funktioniert ja auch sehr, sehr gut. Wir kennen ja diese Modelle, ich habe eines jetzt genannt, ist leider eben kein deutsches. Die Buchbranche hat was entsprechend wirklich gut Funktionierendes aufgelegt, mit steigenden Verkaufszahlen.
von Billerbeck: Aber wenn Sie sagen, man braucht das alles gar nicht, wozu diskutieren wir dann eigentlich, wozu gibt es dann eine Enquete-Kommission?
Tauber: Die Enquete-Kommission diskutiert ja Gott sei dank nicht nur das Urheberrecht, das wäre ein bisschen wenig, weil mit der Digitalisierung unserer Welt natürlich noch andere Herausforderungen einhergehen. Wir müssen aber über das Urheberrecht eben auch unter mehrerlei Gesichtspunkten reden.
Erstens ist es kompliziert. Wenn Sie sich mal allein den Paragrafen, mit dem ich als normaler Nutzer zumindest am meisten in Berührung komme, das ist der Paragraf zur Privatkopie, wenn Sie sich den mal anschauen, den versteht ein Laie sowieso nicht, und ob ihn jeder Jurist versteht, habe ich erhebliche Zweifel. Entscheidende Rechtsprinzipien muss man natürlich nicht in der Tiefe der Exegese, aber vom Grundverständnis doch nachvollziehen können als Bürger.
von Billerbeck: Ja, dann müssen Sie sie eben ändern.
Tauber: Ja, darüber rede ich doch gerade. Ich hätte gerne ein Recht auf eine digitale Privatkopie, weil ich es nur schwer nachvollziehen kann, dass ich mir ein Lied, einen Film, ein eBook entsprechend kaufe, und habe im Zweifel keine Möglichkeit, es entsprechend zu kopieren.
Wenn ich zum Beispiel drei Kinder habe und will für jedes meiner Kinder ein Lied auf deren iPod aufspielen und müsste das Lied dann dreimal kaufen, weil ich davon keine entsprechende Kopie machen kann, oder der Film ist an der Stelle vielleicht ein besseres Beispiel, dann geht das aus meiner Sicht nicht. Das kann kein Mensch nachvollziehen.
von Billerbeck: Damit haben Sie aber nur die Nutzerseite befriedigt und nicht die Autorenseite.
Tauber: Ich glaube, dass der Autor sich schon freut, wenn das Buch, was dann entsprechend in der Familie, so wie früher das Hardcover-Buch, was man im Laden gekauft hat, ja auch an die Mutter und an die Freundin mal verliehen wurde oder an die Tante, wenn das Buch legal erworben wurde über eine Plattform, dann, glaube ich, reicht das dem Autor, dann freut der sich. Ich glaube nicht, dass der Autor die Erwartung hat, wenn vier Leute in der Familie das Buch lesen, dass vier eBooks gekauft werden.
von Billerbeck: Das sagt Peter Tauber, der für die CDU im Deutschen Bundestag sitzt und die Initiative Faires Urheberrecht mit gegründet hat. Herr Tauber, herzlichen Dank!
Tauber: Alles klar, bis dann!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Aber Pragmatismus und Kompromissbereitschaft sucht man in der ideologisch ziemlich aufgeladenen Debatte meist vergebens. Trotzdem wird es eine Lösung geben müssen, und für solche Lösungen sind in unserer Demokratie meist Volksvertreter zuständig. Peter Tauber ist einer von ihnen, er sitzt für die CDU im Bundestag, ist Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft und hat die Initiative Faires Urheberrecht mit gegründet und schreibt auch einen Blog mit dem selbstironischen Titel "Schwarzer Peter". Grüße Sie, Herr Tauber!
Peter Tauber: Einen schönen guten Morgen!
von Billerbeck: Die öffentliche Debatte ums Urheberrecht im Internetzeitalter, die ist ja nicht neu, wird aber derzeit wieder sehr heftig geführt. Überrascht Sie das?
Tauber: Nein, es überrascht mich überhaupt nicht. Wir erleben ja gerade, dass durch die Digitalisierung unserer Welt auf einmal in einem Maße Urheberrechtsverletzungen möglich sind, die zum Beispiel zu meiner Jugendzeit völlig undenkbar waren. Da saß man auch mit dem Kassettenrekorder vorm Radio, hat versucht, die neuesten Hits aufzunehmen, sich geärgert, wenn der Moderator rein gequatscht hat in den letzten zehn Sekunden des Songs, aber das war abgegolten durch die entsprechenden Abgaben auf den Kassettenrekorder beim Kauf, auf die Leerkassette beim Kauf.
Heute können Sie innerhalb von Sekunden hunderte von Songs überspielen oder aus dem Internet runterladen. Das Ausmaß und die Möglichkeit, mit dem Urheberrecht in Konflikt zu kommen, das kein einfaches Recht ist, die sind in einem Maße gestiegen, dass deswegen alleine eine Debatte darüber – wie kann man das Urheberrecht an die digitale Welt anpassen? – dringend notwendig ist.
von Billerbeck: Das Problem existiert ja aber schon seit Längerem, ja? Warum hat man nicht längst gesetzliche Lösungen dafür gefunden?
Tauber: Ich glaube, das liegt an mehrerlei Gründen. Erst mal ist es ja oft so, dass Politik erst etwas ändert, erst Gesetze macht, wenn wirklich auch ein gewisser Handlungsdruck da ist, wenn die ...
von Billerbeck: Der ist doch aber da.
Tauber: Der ist offensichtlich da, genau so ist es. Dann erleben wir aber eben, dass in dem öffentlichen Diskurs – Sie haben es selbst im Eingangsstatement beschrieben – sich ja auch sehr unterschiedliche Akteure mit sehr unterschiedlichen Interessen gegenüberstehen. Und die Musikindustrie zum Beispiel ist ja ein guter Punkt, die haben ja über Jahre hinweg es verschlafen, adäquate Geschäftsmodelle zu entwickeln, die im Netz funktionieren, mit denen man auch im Netz Geld verdienen kann. Ich glaube, dass die Buchbranche das gerade ein bisschen besser macht, und da sieht man, dass am Ende die Politik alleine Probleme auch nicht löst. Wir setzen natürlich den Rahmen, aber darüber, wie der Rahmen aussehen soll, braucht es am Ende auch einen gesellschaftlichen Konsens, und von dem sind wir in der Tat halt auch noch ein Stück entfernt.
von Billerbeck: Nun schieben sie so ein bisschen den Schwarzen Peter zur Musikindustrie zum Beispiel weg. Aber Sie sind ja Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, die gibt es seit 2010, und bis 2012, bis zur Sommerpause, soll die da eigentlich was Handfestes vorweisen. Was gibt es denn da bisher?
Tauber: Ja, die Enquete-Kommission arbeitet, wir haben verschiedene Arbeitsgruppen, dazu gab es auch eine Projektgruppe zum Thema Urheberrecht, in der habe ich selber nicht mitgearbeitet. Ich habe mich engagiert in der Initiative Faires Urheberrecht, weil Sie jetzt so vehement fordern, da muss doch was geschehen, das Problem sei bekannt – so bekannt und so breit im öffentlichen Raum war es dann eben doch wieder nicht, sondern viele haben erst gemerkt, dass wir da ein Problem haben, wenn sie zum Beispiel von Abmahnanwälten entsprechende Schreiben bekommen haben.
Dann war auf einmal klar, hier ist doch irgendwas falsch, hier ist doch irgendeine Regelung nicht optimal, das kann doch nicht sein, dass man entsprechend, wenn man ein Lied illegal im Internet runtergeladen hat, für das man bestraft werden sollte, wenn es illegal war, aber dann eben von solchen Abmahnkanzleien quasi überzogen wird, das zeigt doch, dass so einen richtig öffentlichen Diskurs hat es bis dato nicht gegeben, den hat es bei den Fachleuten gegeben, aber dass wir offensichtlich hier was regeln müssen, was die gesamte Gesellschaft inzwischen betrifft, das ist, glaube ich, jetzt noch mal deutlicher geworden in den letzten Tagen und Wochen der Debatte.
von Billerbeck: Das Problem, das wir haben, Herr Tauber, ist ja folgendes – und Sie kennen das genau so –, dass Künstler die massenhafte Umsonst-Nutzung ihrer Produkte unerträglich finden, und das versteht man ja auch. Aber selbst wenn man diese Gratisnutzung verbieten wollte, wie soll man schließlich dagegen vorgehen, ohne hier die völlige Überwachung einzuführen?
Tauber: Ja, eine völlige Überwachung ist eine Illusion, die ist nicht möglich aus meiner Sicht. Von daher ...
von Billerbeck: Zum Glück, möchte ich hinzufügen!
Tauber: Ja, na Gott sei dank, die will auch keiner. Das ist ja das Gute und das Wichtige, dafür haben wir uns ja auch stark gemacht, auch in der Initiative Faires Urheberrecht, dass wir gesagt haben: Netzsperren zum Beispiel als Ultima Ratio, wie das eine Zeit lang gefordert wurde, sozusagen als Strafe bei Urheberrechtsverletzung, das wollen wir definitiv nicht. Jetzt gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie man dem begegnen kann: Also die eine Möglichkeit haben Sie ja auch schon angedeutet, das wäre zum Beispiel so eine Art Kultur-Flatrate, die ja auch in der öffentlichen Diskussion ist. Ob die hilfreich ist, muss man bis zum Ende durchdiskutieren.
Ich bin an einem Punkt ein bisschen skeptisch: Diejenigen, die sagen, na ja, also wir wollen ja gerne bezahlen, aber doch bitte nicht an irgendwelche anonymen Verwertungsgesellschaften, sondern doch gerne an die Künstler direkt, die führen immer ins Feld, dass da so (…) dahinter stehen, die man eigentlich mitfinanziert. Wenn wir so eine Kultur-Flatrate einführen, brauchen wir wieder einen Riesen-Verwaltungsapparat, der dann regelt, welcher Künstler auf welche Art und Weise aus dieser Kultur-Flatrate Mittel bekommt, die muss erhoben und eingezogen werden. Also ob das am Ende ein kluges marktwirtschaftliches (…) wäre, da habe ich persönlich erhebliche Zweifel, ja?
von Billerbeck: Wenn Sie sagen, die Kultur-Flatrate wäre eine Möglichkeit, aber Sie haben da Ihre Zweifel – es gab ja mehrere Menschen, die die sehr vehement ins Gespräch gebracht haben: Dirk von Gehlen, der Chefredakteur von "jetzt" oder die beiden Bündnis-90/die-Grünen-Abgeordneten Robert Habeck und Konstantin von Notz, die ja darauf verweisen zu Recht, dass es so eine Kultur-Flatrate in der analogen Welt längst gibt. Nun kann man über eine neue Organisation der Verwertungsgesellschaften nachdenken – aber was spricht denn gegen so eine Kultur-Flatrate? Das wäre doch ein möglichst guter Ausgleich zwischen den bisher zerstrittenen Seiten.
Tauber: Die Frage ist, was bedeutet dann künftig der illegale Download von Inhalten im Netz? Ist der damit legitimiert? Da hat die Kultur-Flatrate keine Antwort auf diese Frage.
von Billerbeck: Es geht doch aber erst mal nicht um den großen kriminellen Versuch, sondern die vielen einzelnen Leute, die wollen einfach bestimmte kulturelle Inhalte aus dem Netz, und da wäre so eine pauschale Abgabe doch eigentlich vernünftig. Wenn Sie dagegen sind, müssten Sie doch auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen, denn der funktioniert ja quasi auch durch eine Flatrate, oder eine pauschale Abgabe.
Tauber: Das stimmt, den kann man natürlich jetzt auch noch mal an anderer Stelle kritisch diskutieren. Ich bleibe dabei: Ich bin skeptisch bei solchen Pauschalmodellen, weil die ...
von Billerbeck: Gut, wenn Sie skeptisch sind, Herr Tauber, dann ist natürlich meine nächste Frage gleich: Was soll denn stattdessen kommen?
Tauber: Ja, wir haben eines erlebt, und bei der Musikbranche – ich komme noch mal zu dem Beispiel – ist es ganz offensichtlich: Seit es ein Unternehmen geschafft hat, das nicht aus der Musikbranche kommt, eine attraktive Plattform zu entwickeln, nämlich iTunes, funktioniert dieses Geschäft wieder auf eine ganz andere Art und Weise. Aber es gibt natürlich auch die Studien, die sagen, na ja, ob jetzt der Download von Liedern im Internet automatisch zu einem geringeren Verkauf führt, muss man sich sehr genau anschauen, weil die Frage ist, hätte derjenige diese Lieder überhaupt erworben auf legalem Wege?
von Billerbeck: Noch mal die Frage, Herr Tauber, was denn stattdessen, wenn Sie die Kultur-Flatrate kritisch sehen?
Tauber: Ich finde, attraktive Angebote für die Nutzer. Und ich bin da selbst das beste Beispiel, ich habe auch in meiner Studentenzeit mal illegal was aus dem Netz runtergeladen, aber es gab auch gar keine adäquate Art und Weise, das über einen Bezahlmodus abzuwickeln. Und das gibt es inzwischen in vielfacher Hinsicht, und das funktioniert ja auch sehr, sehr gut. Wir kennen ja diese Modelle, ich habe eines jetzt genannt, ist leider eben kein deutsches. Die Buchbranche hat was entsprechend wirklich gut Funktionierendes aufgelegt, mit steigenden Verkaufszahlen.
von Billerbeck: Aber wenn Sie sagen, man braucht das alles gar nicht, wozu diskutieren wir dann eigentlich, wozu gibt es dann eine Enquete-Kommission?
Tauber: Die Enquete-Kommission diskutiert ja Gott sei dank nicht nur das Urheberrecht, das wäre ein bisschen wenig, weil mit der Digitalisierung unserer Welt natürlich noch andere Herausforderungen einhergehen. Wir müssen aber über das Urheberrecht eben auch unter mehrerlei Gesichtspunkten reden.
Erstens ist es kompliziert. Wenn Sie sich mal allein den Paragrafen, mit dem ich als normaler Nutzer zumindest am meisten in Berührung komme, das ist der Paragraf zur Privatkopie, wenn Sie sich den mal anschauen, den versteht ein Laie sowieso nicht, und ob ihn jeder Jurist versteht, habe ich erhebliche Zweifel. Entscheidende Rechtsprinzipien muss man natürlich nicht in der Tiefe der Exegese, aber vom Grundverständnis doch nachvollziehen können als Bürger.
von Billerbeck: Ja, dann müssen Sie sie eben ändern.
Tauber: Ja, darüber rede ich doch gerade. Ich hätte gerne ein Recht auf eine digitale Privatkopie, weil ich es nur schwer nachvollziehen kann, dass ich mir ein Lied, einen Film, ein eBook entsprechend kaufe, und habe im Zweifel keine Möglichkeit, es entsprechend zu kopieren.
Wenn ich zum Beispiel drei Kinder habe und will für jedes meiner Kinder ein Lied auf deren iPod aufspielen und müsste das Lied dann dreimal kaufen, weil ich davon keine entsprechende Kopie machen kann, oder der Film ist an der Stelle vielleicht ein besseres Beispiel, dann geht das aus meiner Sicht nicht. Das kann kein Mensch nachvollziehen.
von Billerbeck: Damit haben Sie aber nur die Nutzerseite befriedigt und nicht die Autorenseite.
Tauber: Ich glaube, dass der Autor sich schon freut, wenn das Buch, was dann entsprechend in der Familie, so wie früher das Hardcover-Buch, was man im Laden gekauft hat, ja auch an die Mutter und an die Freundin mal verliehen wurde oder an die Tante, wenn das Buch legal erworben wurde über eine Plattform, dann, glaube ich, reicht das dem Autor, dann freut der sich. Ich glaube nicht, dass der Autor die Erwartung hat, wenn vier Leute in der Familie das Buch lesen, dass vier eBooks gekauft werden.
von Billerbeck: Das sagt Peter Tauber, der für die CDU im Deutschen Bundestag sitzt und die Initiative Faires Urheberrecht mit gegründet hat. Herr Tauber, herzlichen Dank!
Tauber: Alles klar, bis dann!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.