Nährboden für rechtsextremistische Verbrechen
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In Thüringen haben in dieser Woche CDU-Politiker „ergebnisoffene Gespräche“ mit der AfD gefordert. Kurz vor dem morgigen Jahrestag der Novemberpogrome der Nationalsozialisten von 1938 ist das für viele Jüdinnen und Juden unfassbar.
Als in dieser Woche 17 thüringische CDU-Politikerinnen und -Politiker zu Gesprächen mit der AfD aufgerufen haben, stieß das auf zahlreiche Reaktion. Auch der stellvertretende Fraktionschef der Christdemokraten im Thüringer Landtag, Michael Heym, hielt eine Koalition mit der rechten AfD für denkbar. Die Jüdische Landesgemeinde Thüringen und der Verein Other Music Academy, der jährlich den Yiddish Summer Weimar ausrichtet, haben daraufhin eine gemeinsame Erklärung herausgegeben.
Darin heißt es unter anderem:
"Die Medienberichte über den Aufruf diverser Thüringer CDU-Politiker*innen zu ergebnisoffenen Gesprächen mit der AfD bezüglich der Bildung einer Landesregierung schockieren uns. Wie soll sich jüdisches Leben und jüdische Kultur in Thüringen entwickeln, wenn die AfD - sei es direkt oder indirekt, in einer Koalition oder duldend - Teil einer Landesregierung ist?
Vielfalt, kulturelle Pluralität, Toleranz, Offenheit und internationale Zusammenarbeit, Schutz und Förderung kultureller und religiöser Minderheiten sind die Leitmotive unserer Arbeit. Sie stehen damit diametral den nationalistischen und rassistischen Forderungen der AfD gegenüber."
Jüdisches Leben ohne Polizei nicht denkbar
Reinhard Schramm, der Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, versucht trotz der Wahlergebnisse ein normales jüdisches Leben zu führen.
"Das klappt auch ganz gut. Natürlich ist die Polizei sichtbar vor unserer Synagoge. Aber das war auch früher gut organisiert."
Erfurt sei aber auch mit Halle vergleichbar, fügt Schramm hinzu. Lediglich die Sicherheitslage scheint ihm eine andere zu sein. Dennoch, für ihn stellt sich die Situation klar dar.
Thüringische CDU vergisst deutsche Geschichte
"Man kann hier schlecht von Offenheit reden, wenn man sieht, welche Politik die AfD anstrebt. Bei der CDU muss eine Art Geschichtsvergessenheit jetzt vorliegen. Es geht hier nicht nur um die Verhöhnung von Millionen Opfern! Das verstärkt auch den Nährboden für Rechtsextremismus und künftige rechtsextremistische Verbrechen!"
Das AfD-Programm verstößt nach Alan Berns Meinung sogar gegen Artikel 1 des Grundgesetzes. Er sieht konkrete Gefahren in Zusammenhang mit einer direkten oder indirekten Koalition mit der AfD. Letztlich hieße das auch, dass eine Zusammenarbeit mit der Landesregierung dadurch unmöglich gemacht werden würde.
"Wir rechnen mit steigendem Hass und steigender Gewalt und einer menschenfeindlichen Atmosphäre. Thüringen ist ein Land mit offensichtlich vielen Problemen, aber wir haben sehr gute, sehr loyale Beziehungen zu vielen Menschen in Thüringen. Deswegen ist es für mich sehr überraschend, dass eine von vier Menschen, die ich auf der Straße in Thüringen sehe, die AfD wählen. Das ist schwer vorstellbar."
Es sei ein allgemein deutsches Problem, führt Reinhard Schramm aus. Er würde auch mit Rechten reden, das "kein Problem" für ihn.
"Nur weiß ich, dass ich gegen grundsätzliche Haltungen, die den Zivilisationsbruch 1933 relativieren und den Rechtsextremismus verstärken, da kann ich nicht groß darüber diskutieren, das ist falsch!"