"CDU-Zerstörungs-Video” von Rezo

Jung, politisch und sendungsbewusst

09:15 Minuten
Die Aufnahme zeigt den Youtuber Rezo mit blauen Haaren und Baseballmütze.
Youtuber Rezo: CDU-kritisches Video sorgt für Debatte. © dpa / Privat
Marcus Richter im Gespräch mit Jenny Genzmer und Tim Wiese |
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Mehr als sieben Millionen Menschen haben das "CDU-Zerstörungs-Video” gesehen. Bei aller Kritik über die Machart an dem YouTuber Rezo sieht der Journalist Marcus Richter auch etwas Positives: Viele Leute sprechen wieder über Politik.
Mit seinem Video "Die Zerstörung der CDU" hat der YouTuber Rezo für reichlich Aufregung in der Politik gesorgt und die Themensetzung in Medien und Social Media in dieser Woche mitbestimmt. Das Video ist eine 55-minütige Abrechnung mit der Regierungsarbeit der Union – auch andere Parteien werden erwähnt, vor allem SPD und AfD. Dabei werden verschiedene Themen aufgegriffen: Klimakrise, die Schere zwischen Arm und Reich, fehlende Bildungsausgaben, Drogenpolitik und Militärpolitik.
Mehr als 7,5 Millionen Views hat das Video mittlerweile und die Inhalte sind in den Timelines und vielen Medien – auch beim Deutschlandfunk Kultur – diskutiert worden.
Das Video ist aber auch noch aus einer anderen Perspektive spannend: Da kommt aus einem digitalen Kosmos, aus dem Nichts ein Akteur und beschäftigt die klassischen Medien und Politiker. Was sagt das über unsere Medienwelt und politische Kommunikation aus? Darüber haben wir mit unserem Kollegen Marcus Richter gesprochen.

YouTuber, der durch Urheberrechtsdebatte politisiert wurde

Grundsätzlich lässt sich über Rezo sagen: Er ist Musik-, Comedy- und Unterhaltungs-YouTuber, sagt Richter. Er hat zwei Kanäle mit rund 1,5 Millionen und 700.0000 Abonnenten, und in der jüngsten Vergangenheit hat er sich mit seinen Videos auch in die Urheberrechtsdebatte um Artikel 13 eingemischt.
Das aktuelle "CDU-Zerstörungs-Video" sei auf Viralität produziert und in der Ansprechhaltung ein "typisches" YouTube-Video. Offensichtlich habe sich Rezo durch die Urheberrechtsdebatte politisiert, schätzt Richter ein. So äußert sich Rezo in seinen Videos auch positiv gegenüber der Jugendbewegung "Fridays for Future".

Millionen Menschen interessieren sich für Politik

Die Reaktionen auf das Video sind ebenso zahlreich wie unterschiedlich. Sie reichen von der Begeisterung dafür, dass hier jemand junge Menschen zielgruppengerecht mit politischen Inhalten anspricht bis hin zur Verurteilung als Fake-News und Populismus. Ist das Video nun Wahlpropaganda oder schon Journalismus?
"Wahlpropaganda im Sinne von: Geht wählen! Auf jeden Fall, aber keine Wahlwerbung im engeren Sinne", sagt Richter.
Rezo unterlege seine Äußerungen zwar mit Quellenangaben, dennoch mache er auch auf eine polemische Art und Weise Stimmung gegen die Union und SPD, so Richter. Das ist kein klassischer Nachrichten-Journalismus, der versucht möglichst neutral und objektiv zu sein. Zahlreiche Faktenchecks hätten in den letzten Tagen ergeben, "dass Rezo seine wissenschaftlichen Quellen nicht immer ganz neutral ausgesucht hat und objektiv präsentiert", wie der YouTuber im Video behauptet, sondern er vertrete bestimmte Punkte, wählt aus, spitzt zu, und lässt aus, sagt Marcus Richter.
Bei Rezos Video handele es sich um eine politische Unterhaltungsshow, die in klassischen Medien laufen könnte, stellt Richter fest. Und einen Pluspunkt habe das Video auf jeden Fall: Rezo habe damit erreicht, dass sich Millionen Menschen für politische Inhalte interessieren und auch darüber sprechen.
"Auch wenn manche Kommentator*innen in sozialen Medien darüber mit den Augen rollen, wenn man die Journalismus-Frage stellt. Ich würde sagen: Das ist kein Journalismus, will es auch nicht sein. Aber: Er erfüllt eine Funktion, die bis jetzt Journalismus zugeschrieben wurde."

Rezo gehe neuen redaktionellen Weg

Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat auf der re:publica "Die Utopie der redaktionellen Gesellschaft" entworfen. Und Rezo gehe in eine ähnliche Richtung, sagt Richter. Wobei sich das "redaktionell" bei Pörksen eher auf einen allgemeinen Wissensstand in der Gesellschaft bezogen habe:
"Die redaktionelle Gesellschaft, ist eine Gesellschaft in der die Maximen und Ideale des guten Journalismus zu einem Element der Allgemeinbildung geworden sind."
Pörksen sei es dabei aber eher um allgemeines Miteinander, nicht so sehr nur um Medienakteure gegangen. Und das sei ein wichtiges Detail, meint Richter:
"Rezo ist ja nicht irgendein Typ, der irgendein Video online stellt: Das ist jemand, der sich in der privilegierten Position befindet, Zeit und Ressourcen zu haben, so eine lange Recherche und Aufarbeitung produzieren zu können. Das soll nicht seine Leistung in Abrede stellen – aber wer mehrere Millionen Abonnenten auf YouTube hat, ist auch professioneller Medienakteur."

Kommt die gute alte Vorlesung zurück?

Die CDU hat mit einem langen Positionspapier mit Erklärungen reagiert, Medien veröffentlichen reihenweise Faktenchecks. Wenn das nun alles gewesen sei und das "CDU-Zerstörungs-Video" ein Einzelfall bleibe, werde sich aber nichts Grundlegendes verändern, sagt Richter.
Man könnte sich jetzt aber an den Gedanken des Medienwissenschaftlers Christoph Engemann orientieren, erklärt Richter. Demnach sind Rezos Videos die Weiterentwicklung der uralten Form der Vorlesung: Menschen, die etwas gelesen haben, erklären anderen, was sie hätten lesen können. Engemann habe diesen Trend bereits in den USA beobachtet und jetzt komme er nach Deutschland, so Richter.
"Vielleicht breitet sich das ja noch aus, und führten zu einer neuen Kommunikationskultur zu politischen Inhalten." Vielleicht entstehe so zwischen Akteuren in den neuen Medien eine diskussionsfreudige Debattenkultur, die in den Kommentarspalten nie entstehen konnte.
(jde)
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