Filmregisseur Cem Kaya

Der Fachmann für türkische Popkultur

36:39 Minuten
Porträt des Regisseurs Cem Kaya.
Cem Kayas Dokumentaressay „Liebe, D-Mark und Tod“ hat in der Sektion Panorama der Berlinale 2022 Premiere. © Cem Kaya
Moderation: Britta Bürger · 10.02.2022
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Seit Jahren beschäftigt sich Cem Kaya mit türkischer Popkultur. Sein neuer Dokumentarfilm feiert die Musik der sogenannten türkischen Gastarbeiter. Die Menschen brachten diesen Sound allerdings nicht mit – er wurde hier in Deutschland produziert.
Der Dokumentarfilmer Cem Kaya ist hierzulande praktisch der Fachmann für die türkische Popkultur, seien es Musik- oder Videokassetten, Kinofilme und Filmplakate. Auch die inzwischen gealterten Stars der Szene hat er für seine Dokumentationen vor die Kamera geholt.
Einige von ihnen sind jetzt in seinem neuen Film zu sehen, der auf der Berlinale seine Premiere feiert. „Liebe, D-Mark und Tod“ heißt er und kann als eine Art Nachhilfestunde in deutsch-türkischer Zeitgeschichte verstanden werden.

Den Alltag ironisch und sarkastisch kommentiert

Im Zentrum steht die Musik der ersten türkischen Migrantengeneration in Deutschland. Und das mag für viele Zuschauer die erste Erkenntnis sein, es ist keine, die die Menschen mitgebracht haben. Sondern es ist ein Sound, der hier in Deutschland speziell für ihre Bedürfnisse produziert worden ist.

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„Die ersten Sänger, die hier in Deutschland Songs improvisiert haben, die haben über das Leben in Deutschland gesungen“, erzählt Cem Kaya. Natürlich habe auch die Sehnsucht nach der alten Heimat eine Rolle gespielt, aber vielfach stand der neue, oft sehr harte Alltag im Fokus. So wie in Aşık Metin Türköz' Lied „Almanya“, das auch im neuen Dokumentarfilm von Kaya zu hören ist.*
Aşık Metin Türköz, so der Regisseur, war ein Arbeiter bei Ford in Köln, der nebenbei auch Lieder schrieb. „Aşık hat die Umstände ironisch und sarkastisch kommentiert“, sagt Kaya. In „Almanya“ singe er davon, dass „Deutschland keine besseren und hörigeren Arbeiter als uns“ habe. Im Lied erzähle er von überfüllten Zimmern, Strohmatratzen und widrigen Arbeitsumständen.

In deutschen Medien so gut wie nicht präsent

„Das kam wirklich sehr gut an, weil die Leute sich repräsentiert gefühlt haben. Und er wurde dann sozusagen zur Stimme der Gastarbeiter, vor allem im Kölner Bereich“, sagt Cem Kaya.
Doch von diesem Lied, überhaupt vom Leben der sogenannten Gastarbeiter, haben die meisten Deutschen nichts oder nur wenig erfahren. Im Radio oder Fernsehen der alten Bundesrepublik spielten diese Themen so gut wie gar keine Rolle.
Ein großes Versäumnis sei das, sagt im Film „Liebe, D-Mark und Tod“ der frühere RIAS-Musikjournalist Barry Graves. Steckt dahinter, Ignoranz oder Gleichgültigkeit?
Cem Kaya erinnert in diesem Zusammenhang an Alfred Biolek, der türkische Künstler in seine Sendungen eingeladen hat. „Aber, vielleicht muss man dazu sagen, es gibt schon einen institutionellen und strukturellen Rassismus in Deutschland. Und vielleicht ist das der Ausdruck dafür.“
Ein Kennenlernen, der so oft beschriebene Austausch der Kulturen, dieser habe nicht stattgefunden.

"Arbeiten und die Klappe halten"

„Kennenlernen bedeutet ja auch aufwerten. Aber wenn sie die Migranten hier als den Bodensatz des Proletariats verstehen, die einfach die Scheißarbeit machen und die Klappe halten sollen, dann will man auch deren Kultur nicht kennenlernen. Dann würde man sie ja aufwerten“, sagt Cem Kaya.
Er selbst wurde 1976 in Schweinfurt geboren, aufgewachsen ist er in Bad Kissingen. Später studierte er an der Merz Akademie in Stuttgart Kommunikationsdesign. Kaya arbeitete zunächst als Produzent, dann als Editor und Regisseur.
Bis heute hat er drei große Dokumentarfilme produziert, im Grunde ist das eine Trilogie über die türkische Popkultur. Für Kaya selbst war das Land seiner Eltern „weit weg“. Er kannte die Türkei nur aus dem Urlaub.
„Dann hat man sich das halt hier selbst erschaffen. Und diese ganzen popkulturellen Produkte, Musikkassetten, Videokassetten, aber auch Zeitungen, das waren die Sachen, die uns das so ein bisschen haben fühlen und erfahren lassen. Da haben wir auch Türkisch gelernt“, erzählt er.
(ful)
*Redaktioneller Hinweis: Wir haben einen Namen korrigiert.

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