Die ganze Sendung mit Cem Özdemir hören Sie hier:
Audio Player
"Schwätze muss man mit den Leut'"
Den Grünen geht es gut. Dennoch mahnt ihr ehemaliger Vorsitzender Cem Özdemir zur Bescheidenheit. Er erinnert daran, wie wichtig es sei, mit den Bürgern zu reden − und "den Kopf hinzuhalten", wenn es Probleme gebe.
Es läuft derzeit bestens für die Grünen: Stabile Wahlergebnisse lassen erwarten, dass die Partei bald die SPD als drittstärkste Kraft in den Landesparlamenten ablösen könnte. Cem Özdemir, bis Januar 2018 Vorsitzender der Bundes-Grünen und seit 1981 Mitglied der Partei, ist das gleichwohl kein Grund selbstzufrieden oder gar überheblich zu werden: "Wir dürfen die Bescheidenheit nicht verlieren."
Trotzdem nutzte er die Gelegenheit für ein Lob auf die Parteifreunde: In den Landesverbänden seien einfach "großartige Leute" vertreten. Doch auch die Fähigkeit, zum richtigen Zeitpunkt Kompromisse einzugehen und die Bereitschaft, einen engen Draht zu Wirtschaftsvertretern, die für die Ideen der Grünen offen seien, zu pflegen, habe seiner Partei sehr geholfen, sagt Özdemir. Und mit Blick auf Klimaschutz, alternative Energieformen und Nachhaltigkeit: "Vieles von dem, was früher Außenseiterideen waren, ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen."
Politische Kommunikation ist schwieriger geworden
Abgesehen davon hält Özdemir es für wichtig, im politischen Alltag "den Kopf hinzuhalten" und mit den Bürgern auch über Dinge zu sprechen, die nicht gut laufen. Auf keinen Fall dürfe es Sprachlosigkeit angesichts von gesellschaftlichen Problemen geben. Politische Kommunikation sei deutlich schwieriger geworden als in seiner Anfangszeit als Grünen-Politiker, räumte Özdemir ein. Doch sei nach wie vor sein wichtigster – schwäbischer – Grundsatz: "Schwätze muss man mit den Leut‘."
Der Schuh drückt die Leute woanders
Er nehme dafür auch gerne Einladungen zu Diskussionsveranstaltungen von Parteien wie den Freien Wählern an – und stelle dabei immer wieder fest: Nur am Rande gehe es dort um Flüchtlinge. Der Schuh drücke eigentlich woanders, und was die Leute belaste, sei etwa ein schlechtes Nahverkehrssystem, Funklöcher oder ein rückständiges Datennetz mit Kupferkabeln statt Glasfasern. All das bekomme er bei derartigen Veranstaltungen zu hören.
"Und ich muss sagen: Die Leute haben Recht. Und jetzt wird es gefährlich. Wenn dann der AfD-Funktionär drin sitzt – und der sagt: ‚Das ist alles wegen der Flüchtlinge‘. Ich sage dann: ‚Glaubt ihr wirklich ernsthaft, dass 2015 die Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, die Erde aufgegraben haben, die Glasfaser rausgerissen und durch Kupferkabel ersetzt haben? Solchen Schwachsinn erzählt euch vielleicht die AfD."
(mkn)