Siegemund will jüdische Geschichte lebendig vermitteln
Anja Siegemund wird Leiterin des Centrum Judaicum. Der neue Arbeitsort der 48-jährigen Historikerin befindet sich im Komplex der Neuen Synagoge in Berlin-Mitte. Dort widmet sich das Forschungsinstitut der Pflege und Bewahrung der jüdischen Kultur.
Für Anja Siegemund ist es eine Rückkehr nach Berlin. Die 48-jährige neue Direktorin des Centrum Judaicum arbeitete bereits zur Jahrtausendwende in der Hauptstadt. Konkret: In der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz. Hier wurde der Massenmord an den europäischen Juden von den Nazis beschlossen. Die Geschichte der deutschen Juden im 20. Jahrhundert blieb seitdem der Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. Siegemund arbeite beispielsweise in der KZ-Gedenkstätte Dachau, sie forschte an der Universität in Haifa und zuletzt war sie Direktorin des Leo-Baeck-Instituts in Jerusalem.
Nun also wieder Berlin. Das Centrum Judaicum im Bezirk Mitte ist nicht nur Sitz der jüdischen Gemeinde - im Komplex integriert ist auch die Neue Synagoge, deren goldener Kuppelbau weithin sichtbar ist. Berlins Regierender Bürgermeister Michal Müller war heute stolz, mit Anja Siegemund eine auch international renommierte Wissenschaftlerin präsentieren können.
Die Stiftung wurde 1988 noch zu DDR-Zeiten ins Leben gerufen
"Eine bekannte und anerkannte Wissenschaftlerin, die die hervorragende Arbeit, die wir bisher schon am Centrum Judaicum erleben konnten, fortführen wird. Mit Sicherheit aber auch neu akzentuieren wird."
Anja Siegemund folgt dem Historiker Hermann Simon, der mehr als 20 Jahre die Stiftung "Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum" geleitet hat. Ohne sein Engagement wären die Reste der einst größten Berliner Synagoge wohl nicht erhalten geblieben. Die Stiftung wurde 1988 noch zu DDR-Zeiten ins Leben gerufen, 1995 wurde das Haus dann feierlich wiedereröffnet. Anja Siegemund tritt somit in große Fußstapfen. Sie betont ihre Erfahrung im Umgang mit der Vermittlung von lebendiger Geschichte.
"Ich habe bisher meinen beruflichen Fokus sehr auf die Vermittlung und die Erinnerungsarbeit von Geschichte gelegt. Im Gedenkstättenbereich - ich habe für Ausstellungen gearbeitet. Auch für Oral-History-Projekte, ebenso mit Zeitzeugen."
Synagoge, Ausstellungsbereich und Archiv
Jährlich kommen rund 130.000 Besucher in das Centrum Judaicum. Für die jüdische Gemeinde in Berlin geht es um einen Dreiklang dieses besonderen Ortes. Er ist Synagoge, Ausstellungsbereich und Archiv in einem. Allerdings auch ein Ort, der ständig unter Polizeischutz stehen muss. Gideon Joffe, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, hofft, dass sich künftig mehr junge Menschen für diesen Ort interessieren. Er wünscht sich mehr Schulklassen als Besucher.
"Das Centrum Judaicum bietet einfach eine wunderbare Möglichkeit, die positiven und lebensbejahenden Aspekte des Judentums näher zu bringen."
Aus bescheidenen finanziellen Mitteln Kreatives machen
Kürzlich beklagte Gideon Joffe, dass das Centrum Judaicum - so wörtlich - finanziell aus dem letzten Loch pfeife. Immerhin konnte heute Berlins Regierender Bürgermeister Micheal Müller (SPD) eine Aufstockung des jährlichen Landeszuschusses um 100.000 auf nun rund 520.000 Euro bekanntgeben. Anja Siegemund hört es gern. Macht aber zugleich deutlich, dass es zu ihrer Erfahrung in Israel gehöre, auch aus bescheidenen finanziellen Mitteln etwas Kreatives zu machen.
"Vielleicht die Kunst, aus wenig etwas machen zu können. Es gibt jetzt viele Israelis, die nach Berlin kommen. Nicht nur die meist jungen Menschen, die hier eine Zeit lang sesshaft werden. Es gibt sie auch im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich - viele Israelis, die jetzt sehr stark auf Berlin schauen. Es gibt auch mehr Kooperation, und das kann man sicherlich auch mit dem Centrum Judaicum ausbauen."
Am 1. September wird Anja Siegemund als neue Direktorin beginnen - ein Wort aber fiel heute bei ihrer Vorstellung recht oft: Es heißt Teamarbeit. Auch das ein Erfahrungsschatz aus vielen Jahren wissenschaftlicher Arbeit in Deutschland und Israel.