Ceta-Vertrag

"Wer ist der Souverän in der EU?"

Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, Gründerin und Direktorin der Denkfabrik European Democracy Lab.
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, Gründerin und Direktorin der Denkfabrik European Democracy Lab in Berlin. © Imago / Metodi Popow
Ulrike Guérot im Gespräch mit Axel Rahmlow |
Die Blockade des Ceta-Vertrages der EU mit Kanada ist für die Politologin Ulrike Guérot nur ein Problem unter vielen. Es stelle sich die Frage, ob ein komplexes System wie die EU in der Krise nicht schon reformunfähig sei.
Die belgischen Regionen Wallonie und Brüssel blockieren das Ceta-Abkommen mit Kanada, die EU sucht noch nach einem Ausweg. "Es ist nicht der erste Fall, dass wir hier so eine Veto-Blockade-Position haben, die im Prinzip natürlich den allgemeinen Bürgerwillen nicht repräsentiert", sagt die Politologin Ulrike Guérot im Deutschlandradio Kultur. "Das Kernproblem ist, dass wir eine parlamentarische Struktur oder eine repräsentative Struktur in der EU finden müssten, in der natürlich solche Aushebelungen von kleinen Bevölkerungsteilen gegenüber dem großen Ganzen nicht mehr passieren kann."

Suche nach dem Souverän in der EU

Es müssten entweder alle europäischen Bürger entscheiden oder keiner, sagte die Gründerin der Berliner Denkfabrik European Democracy Lab (EDL), die auch als Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der österreichischen Donau-Universität Krems unterrichtet. Die EU habe bis heute die entscheidende Frage nicht klar beantwortet, wer denn der Souverän in der Union sei. Es sei sehr bedenklich, dass sich gerade zeige, dass die EU noch nicht einmal vertragsfähig sei, sagt Guérot. Eigentlich sollte sie eine Rechtsgemeinschaft sein.

Reform und Krise

"Insofern ist die entscheidende Frage, was jetzt getan werden kann, damit wir tatsächlich die Souveränität, das heißt die Repräsentation der europäischen Bürger und was in deren Namen entschieden werden soll, wie wir das neu entscheiden", sagt die EU-Expertin. Es sei fraglich, ob diese Reformschritte noch aus der EU heraus geleistet werden könnten. "Erstmal scheint die EU seit langem reformunfähig und es sagt auch die Systemtheorie, dass komplexe Systeme sich im Zeitpunkt der Krise nicht mehr aus sich selber reformieren könnten", sagt die Politologin. "Man könnte darüber nachdenken, ob das auf die EU nicht leider schon seit langem zutrifft."

Ruf nach Zweikammersystem

Wenn die europäische Demokratie neu organisiert werden soll, müssten die Bürger in der EU parlamentarisch repräsentativ vertreten sein. "Dann müssen wir darüber nachdenken, wie wir ein klassisches Zweikammersystem in Europa einrichten", schlug Guérot vor.

Ulrike Guerot, Warum Europa eine Republik werden muss. Eine politische Utopie, Dietz-Verlag 2016, 18 Euro.

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