Chancen und Risiken der grünen Gentechnik

Maispflanzen, die resistent sind gegen Schädlinge und auch auf trockensten Böden wachsen, Reissorten, die wie ein Medikament gegen Mangelerkrankungen helfen können und Überflutungen überstehen, allergenfreie Tomaten und Äpfel: Die ´Grüne Gentechnik` schafft Lebensmittel nach Maß. Ihre Befürworter sehen sie als Wunderwaffe gegen das Welternährungsproblem, ihre Kritiker warnen vor den nicht absehbaren Folgen für Umwelt, Verbraucher und Landwirte.
In dieser Woche - vom 12. bis 16. Mai - trafen beide Seiten in Bonn aufeinander: Bei einer UN-Konferenz diskutierten Politiker, Wissenschaftler und Vertreter von Gentechnikkonzernen unter anderem über die Frage der Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Mechanismen, ihrer Sicherheit und der Haftung bei möglichen Umweltschäden. Parallel dazu veranstalteten Gentechnik-Kritiker aus aller Welt ihren Gegengipfel, die "Planet Diversity"- Konferenz.

Einer der Teilnehmer der "Planet Diversity" ist Christof Potthof, Gentechnik-Experte beim Gen-ethischen Netzwerk, einem Verein aus Wissenschaftlern, Journalisten und anderen Gentechnikkritikern, der sich als Informationsplattform und Vermittler zwischen Verbraucher und Wissenschaft versteht. Der Biologe gehört zu den strikten Gentechnik-Gegnern:

"Unter den derzeitigen Bedingungen lehne ich sie in der Tat grundsätzlich ab, jedenfalls die Freisetzung. Man kann das im Labor machen, als Grundlagenforschung, um Veränderungen in Organismen zu erforschen, wenn man zum Beispiel ein bestimmtes Gen abschaltet, um zu sehen, wofür es verantwortlich ist. Die Frage ist die Anwendung: Insbesondere die Freisetzung ist ein großer Schritt."

Noch seien die möglichen Gefahren von gentechnisch veränderten Pflanzen in der freien Natur nicht ausreichend erforscht, zum Beispiel die etwaige Verunreinigung benachbarter Felder.

Christof Potthof geht es aber auch um die politische Dimension des Themas, um die Monopolstellung der großen Saatgutkonzerne und die damit verbundene Abhängigkeit der Bauern. Er mache sich deshalb weniger Sorgen um die hiesigen Verbraucher, wenn sie zum Beispiel gentechnisch hergestellte Sojaprodukte essen.

"Das ist eine Frage der Verletzung von Menschenrechten. Für mich ist der Soja-Anbau in Argentinien, der globale Futterhandel, das ist der entscheidende Punkt. Das ist eine Frage von Existenzen und am Ende des Tages von Gerechtigkeit."

Prof. Dr. Bernd Müller-Röber sieht dagegen eher die Chancen, die mit der "Grünen Gentechnik" verbunden sind. Der Molekularbiologe vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm erforscht mit seinem Team, wie mithilfe der Gentechnik die Eigenschaften von Pflanzen verändert werden können, zum Beispiel wie Reispflanzen widerstandsfähiger werden können oder wie das Wachstum von Pflanzen gezielt beeinflusst werden kann, damit sie weniger Dünger benötigen und mehr Ertrag liefern.

"Wenn es gelingt, die Gene in Pflanzen zu identifizieren, die für die Toleranz von Trockenheit zuständig sind, warum sollte man das nicht tun? Wir könnten damit quasi die Widerstandskraft verbessern. Das war schon immer das Thema von Züchtung, jetzt geht das auch mithilfe von Gentechnik."

Er kennt die Kritik an seiner Forschung zur genüge:

"Solange wir im Labor bleiben, ist alles okay. Aber wenn man den Schritt hinaus auf Feld macht, dann wird die Situation schwierig, da beginnen die Probleme. In Golm haben wir einen zwei Meter hohen Schutzzaun. Wenn da jemand drüber springt und die Pflanzen wegmäht, dann ist alles hin. In einer Versuchsanlage haben sie Mineralöl über das Feld gekippt und so alles zerstört"
Dennoch prophezeit der Wissenschaftler, dass sich die Gentechnik weiterhin durchsetzen wird:

"Weltweit wurden im vergangenen Jahr auf 114 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, in 23 Ländern und von zwölf Millionen Bauern, davon elf Millionen in den Schwellenländern. 43 Prozent der angebauten Baumwolle ist gentechnisch verändert. Ich würde mir wünschen, dass man eine offene Diskussion führt, man wird sie letztlich führen müssen. Wie wollen wir in Zukunft Landwirtschaft betreiben und Pflanzen züchten? Ich glaube nicht, dass wir mit biologischem Landbau die Weltbevölkerung ernähren können. Meine Vision ist, dass der ökologische Landbau und die Gentechnik zusammengehen. Wir müssen die Vorteile beider vereinen."

Außerdem hätten gentechnisch veränderte Produkte längst Einzug in unsere Regale und auf unsere Teller gefunden:

"Beim Käse haben wir seit 1998 - durch einen Generalerlass von Horst Seehofer, der damals noch Gesundheitsminister war - dass er mithilfe von gentechnisch hergestelltem Lab-Fermenten gemacht werden kann, und das ohne, dass es deklariert werden muss. Bei der Glutamatherstellung oder zum Beispiel beim Ketchup werden Mikroorganismen eingesetzt - auch diese müssen nicht deklariert werden. Nehmen Sie Aminosäuren oder die Vitamine in ACE-Getränken. Bei Waschmitteln ist fast überall Gentechnik drin, um Beispiel Biokatalysatoren, die in der Lage sind, Fettflecken abzubauen oder die dafür sorgen, dass Ihr Baumwollpullover auch noch nach mehreren Wäschen noch seine Farbe behält. Das ist gang und gäbe."

"Chancen und Grenzen der ´Grünen Gentechnik`"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit dem Genforscher Prof. Dr. Müller-Röber und dem Gentechnik-Kritiker Christof Potthof. Hörerinnen und Hörer könne sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254- 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de

Informationen im Internet unter:
www.mpimp-golm.mpg.de und www.gen-ethisches-netzwerk.de/