Chancen von anonymisierten Bewerbungen
Anlässlich der Veröffentlichung einer Studie über anonymisierte Bewerbungen erklärt Astrid Braungart, Marketingleiterin beim Internetportal Mydays, dass ihr Unternehmen auch künftig auf diese Weise Stellen besetzen will. Sie selbst hatte ihren Job über eine anonymisierte Bewerbung erhalten.
Gabriela Wuttke: Wenn der Arbeitgeber nur die Qualifikation eines Bewerbers kennt, dann haben vor allem Frauen und Migranten in Deutschland wirklich eine Chance. Mit diesem Ergebnis wartete gestern die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auf. Ein Jahr lang wurden die Bewerber von fünf Unternehmen anonymisiert.
Diesem Projekt, sagt die Marketingleiterin der Firma Mydays, verdankt sie ihre neue Arbeit. Astrid Braungart ist jetzt am Telefon, schönen guten Morgen. Frau Braungart? Ganz offensichtlich ist sie uns schon wieder verloren gegangen, ich kann jetzt nur sagen, warten Sie mit mir auf die Musik.
Musikeinspielung
Und wir machen noch einen neuen Versuch für Frau Braungart, jetzt am Telefon.
Astrid Braungart: Ich höre Sie. Hören Sie mich auch?
Wuttke: Ich höre Sie wunderbar, einen schönen guten Morgen, Frau Braungart!
Braungart: Gut! Entschuldigung, ich habe Sie nicht gehört.
Wuttke: Wie war denn das anonymisierte Formblatt bei Ihrer Bewerbung aufgebaut? Hatten Sie da Fragen zu beantworten oder war das Profil so geschnitzt, dass Sie nur noch Kreuzchen gemacht haben?
Braungart: Nein, ich musste also Fragen beantworten, zuerst zu meiner ganz normalen Ausbildung, also Schule beziehungsweise Universität, Zusatzausbildungen, und dann gab es einen weiteren Teil, wo man dann seine Berufserfahrung darstellen konnte. Da war es aber so, dass man nicht geschrieben hat, vom 3. April 92 bis da und da hin, sondern man hat einfach nur Monatsangaben gemacht und den Arbeitgeber angegeben.
Es war aber wichtig, dass man zum Beispiel nicht geschrieben hat, Marketingleiterin, sondern dass das alles in der männlichen Form neutralisiert war. Und dann hatte man noch einen ganz kleinen Teil, wo man zum Beispiel Sprachkenntnisse oder Computerkenntnisse oder so was angeben konnte.
Wuttke: Das heißt, diese Vereinfachung der Zeitangaben hat zum Beispiel unmöglich gemacht zu sehen, dass Sie wegen eines Kindes vielleicht nicht durchgehend gearbeitet haben. Aber Sie haben ja auch negative Erfahrungen gemacht in den Zeiten, wo Sie Arbeit gesucht haben auf dem ganz normalen Bewerbungsweg. Nun haben wir ja in Deutschland ein Gleichstellungsgesetz, und die Arbeitgeber werden den Teufel tun, wahre Gründe für die Ablehnung beispielsweise von Frauen zu sagen. Was hatte man denn für hübsche Argumente bei Ihnen?
Braungart: Also wenn Sie eine Absage bekommen, dann kriegen Sie ja immer nur so eine standardisierte Absage, wo Sie gar nicht wissen, warum Sie nicht genommen worden sind.
Wuttke: Alles Gute für den weiteren Lebensweg.
Braungart: Genau, und Sie sind total toll und super, aber leider können wir Sie nicht brauchen. Was mir aber aufgefallen ist, mein Mann hat vor zwei Jahren eine neue Arbeitsstelle gesucht, der ist niemals gefragt worden, wie er die Kinderbetreuung regelt. Ich bin in dem einen oder anderen Vorstellungsgespräch, zu dem ich eingeladen worden bin, schon gefragt worden, wie ich mir das vorstelle mit meiner kleinen Tochter und wie ich das alles mache. Und da sieht man, dass in den Köpfen von einigen Personalern oder Vorgesetzten eben doch noch das Thema ist, Frauen mit Kind können nicht Vollzeit arbeiten.
Wuttke: Nachdem Sie also dieses anonymisierte Formblatt ausgefüllt hatten, sind Sie von 145 Bewerbern ausgesucht worden in die nächste, in die persönliche Runde zu kommen. Wie war denn dieser erste persönliche Kontakt, wo ja der Arbeitgeber nicht wusste, mit wem er es dann zu tun hat? Haben Sie da von Angesicht zu Angesicht noch mal Zweifel an Ihrer Person in den Augen Ihres Gegenübers aufblitzen sehen?
Braungart: Überhaupt nicht. Es ist so, dass die natürlich schon dann wissen, wer Sie sind, weil in dem Augenblick, wo man sich für Sie entscheidet, sind Sie noch mal aufgefordert, Ihren klassischen Lebenslauf und Ihre Zeugnisse zu schicken, also man hat dann schon ein bisschen eine Vorstellung, wer da jetzt dann plötzlich kommt. Aber es war überhaupt kein Zweifel, dass meine Qualifikationen passen, und es ging eigentlich dann nur noch darum: Passe ich von der Person Astrid Braungart auch wirklich zu Mydays?
Wuttke: Das heißt, es ging dann um die Chemie?
Braungart: Es ging um die Chemie, und man hat natürlich noch mal ein bisschen abgeklopft, stimmen diese Angaben, weil Papier ist geduldig. Ich kann natürlich irgendwas behaupten, was ich gemacht habe, das hat man schon noch mal kurz angeguckt. Aber es war überhaupt kein Zweifel, dass ich qualifiziert bin, dass ich für den Job passen könnte, und man hat einfach noch mal versucht, abzuklopfen, passt mein Mindset, meine Einstellung auch zu so einem innovativen und offenen Unternehmen wie Mydays.
Wuttke: Mindset, das ist ja ein lustiges Wort. Frau Braungart, Ihr Chef will weiter mit anonymisierten Bewerbungen Mitarbeiter suchen. Gehört auch für Sie die herkömmliche Bewerbungsmappe jetzt ins Altpapier?
Braungart: Nein, wir haben festgestellt, das man schon noch Unterschiede machen muss. Zum Beispiel haben wir auch einige Junior-Positionen mit dem anonymisierten Verfahren eingesetzt, und da waren die Studenten oft überfordert. Die wussten dann nicht so richtig, was sie da reinschreiben sollten, und das war dann relativ schwierig.
Oder auch in sehr sensitiven Bereichen wie zum Beispiel IT oder Finanzen, da ist der Markt der Bewerber einfach noch nicht so breit, sich die Arbeit und die Mühe zu machen, so ein anonymisiertes Verfahren auszufüllen. Aber wir werden auf jeden Fall bei Positionen jetzt, wie auf meiner Ebene, also auf Leitungsebene, und eine Ebene drunter, auch weiterhin anonymisiert suchen, weil wir sehr, sehr positiv überrascht sind, und für uns das auf jeden Fall passt.
Wuttke: Reicht Ihnen dieses anonymisierte Bewerbungsverfahren für echte Chancengleichheit oder hätten Sie zusätzlich auch noch gerne eine Frauenquote?
Braungart: Ich glaube, dass in manchen Vorstandsetagen es schon wichtig wäre, eine Frauenquote zu haben, also ein bisschen Zwang, weil ich glaube nicht, das sieht man ja auch in den letzten Jahren, haben sich die Unternehmer da kaum bewegt. Es ist unheimlich schwierig, die Frauenquote alleine reicht nicht, es ist ja – ich sehe das bei mir selber – das Betreuungsangebot, wenn Sie ein Kind haben, ist es unheimlich schwierig, das alles unter einen Hut zu bringen, und da müsste die Politik nicht eine Herdprämie bezahlen aus meiner Sicht, sondern einfach mehr Betreuungszeiten für wirklich berufstätige Mütter schaffen. Dann wird es auch einfacher für die Frauen.
Wuttke: Haben Sie sich alles in allem im Nachhinein dann doch ein bisschen geärgert, auch als Sie, wie wir alle erfahren haben, was dieses Projekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes für Ergebnisse gezeitigt hat, dass es Männer eben einfach doch leichter haben?
Braungart: Das ist Realität, da muss man sich nichts vormachen. Aber ich freue mich, dass es jetzt überhaupt schon so Vorstöße in aus meiner Sicht richtige Richtung geht, dass man eben zumindest schon mal erkennt, dass es für Frauen schwieriger ist, und nach verschiedenen Lösungsmöglichkeiten sucht. Und ich habe dann die Hoffnung, wenn meine Tochter groß ist und einen Job sucht, dass es für Sie dann leichter wird als für mich.
Wuttke: Vielen Dank! Astrid Braungart von Mydays, einem der fünf Unternehmen, das beim Pilotprojekt zur anonymisierten Bewerbung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes teilgenommen hat, im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur. Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Diesem Projekt, sagt die Marketingleiterin der Firma Mydays, verdankt sie ihre neue Arbeit. Astrid Braungart ist jetzt am Telefon, schönen guten Morgen. Frau Braungart? Ganz offensichtlich ist sie uns schon wieder verloren gegangen, ich kann jetzt nur sagen, warten Sie mit mir auf die Musik.
Musikeinspielung
Und wir machen noch einen neuen Versuch für Frau Braungart, jetzt am Telefon.
Astrid Braungart: Ich höre Sie. Hören Sie mich auch?
Wuttke: Ich höre Sie wunderbar, einen schönen guten Morgen, Frau Braungart!
Braungart: Gut! Entschuldigung, ich habe Sie nicht gehört.
Wuttke: Wie war denn das anonymisierte Formblatt bei Ihrer Bewerbung aufgebaut? Hatten Sie da Fragen zu beantworten oder war das Profil so geschnitzt, dass Sie nur noch Kreuzchen gemacht haben?
Braungart: Nein, ich musste also Fragen beantworten, zuerst zu meiner ganz normalen Ausbildung, also Schule beziehungsweise Universität, Zusatzausbildungen, und dann gab es einen weiteren Teil, wo man dann seine Berufserfahrung darstellen konnte. Da war es aber so, dass man nicht geschrieben hat, vom 3. April 92 bis da und da hin, sondern man hat einfach nur Monatsangaben gemacht und den Arbeitgeber angegeben.
Es war aber wichtig, dass man zum Beispiel nicht geschrieben hat, Marketingleiterin, sondern dass das alles in der männlichen Form neutralisiert war. Und dann hatte man noch einen ganz kleinen Teil, wo man zum Beispiel Sprachkenntnisse oder Computerkenntnisse oder so was angeben konnte.
Wuttke: Das heißt, diese Vereinfachung der Zeitangaben hat zum Beispiel unmöglich gemacht zu sehen, dass Sie wegen eines Kindes vielleicht nicht durchgehend gearbeitet haben. Aber Sie haben ja auch negative Erfahrungen gemacht in den Zeiten, wo Sie Arbeit gesucht haben auf dem ganz normalen Bewerbungsweg. Nun haben wir ja in Deutschland ein Gleichstellungsgesetz, und die Arbeitgeber werden den Teufel tun, wahre Gründe für die Ablehnung beispielsweise von Frauen zu sagen. Was hatte man denn für hübsche Argumente bei Ihnen?
Braungart: Also wenn Sie eine Absage bekommen, dann kriegen Sie ja immer nur so eine standardisierte Absage, wo Sie gar nicht wissen, warum Sie nicht genommen worden sind.
Wuttke: Alles Gute für den weiteren Lebensweg.
Braungart: Genau, und Sie sind total toll und super, aber leider können wir Sie nicht brauchen. Was mir aber aufgefallen ist, mein Mann hat vor zwei Jahren eine neue Arbeitsstelle gesucht, der ist niemals gefragt worden, wie er die Kinderbetreuung regelt. Ich bin in dem einen oder anderen Vorstellungsgespräch, zu dem ich eingeladen worden bin, schon gefragt worden, wie ich mir das vorstelle mit meiner kleinen Tochter und wie ich das alles mache. Und da sieht man, dass in den Köpfen von einigen Personalern oder Vorgesetzten eben doch noch das Thema ist, Frauen mit Kind können nicht Vollzeit arbeiten.
Wuttke: Nachdem Sie also dieses anonymisierte Formblatt ausgefüllt hatten, sind Sie von 145 Bewerbern ausgesucht worden in die nächste, in die persönliche Runde zu kommen. Wie war denn dieser erste persönliche Kontakt, wo ja der Arbeitgeber nicht wusste, mit wem er es dann zu tun hat? Haben Sie da von Angesicht zu Angesicht noch mal Zweifel an Ihrer Person in den Augen Ihres Gegenübers aufblitzen sehen?
Braungart: Überhaupt nicht. Es ist so, dass die natürlich schon dann wissen, wer Sie sind, weil in dem Augenblick, wo man sich für Sie entscheidet, sind Sie noch mal aufgefordert, Ihren klassischen Lebenslauf und Ihre Zeugnisse zu schicken, also man hat dann schon ein bisschen eine Vorstellung, wer da jetzt dann plötzlich kommt. Aber es war überhaupt kein Zweifel, dass meine Qualifikationen passen, und es ging eigentlich dann nur noch darum: Passe ich von der Person Astrid Braungart auch wirklich zu Mydays?
Wuttke: Das heißt, es ging dann um die Chemie?
Braungart: Es ging um die Chemie, und man hat natürlich noch mal ein bisschen abgeklopft, stimmen diese Angaben, weil Papier ist geduldig. Ich kann natürlich irgendwas behaupten, was ich gemacht habe, das hat man schon noch mal kurz angeguckt. Aber es war überhaupt kein Zweifel, dass ich qualifiziert bin, dass ich für den Job passen könnte, und man hat einfach noch mal versucht, abzuklopfen, passt mein Mindset, meine Einstellung auch zu so einem innovativen und offenen Unternehmen wie Mydays.
Wuttke: Mindset, das ist ja ein lustiges Wort. Frau Braungart, Ihr Chef will weiter mit anonymisierten Bewerbungen Mitarbeiter suchen. Gehört auch für Sie die herkömmliche Bewerbungsmappe jetzt ins Altpapier?
Braungart: Nein, wir haben festgestellt, das man schon noch Unterschiede machen muss. Zum Beispiel haben wir auch einige Junior-Positionen mit dem anonymisierten Verfahren eingesetzt, und da waren die Studenten oft überfordert. Die wussten dann nicht so richtig, was sie da reinschreiben sollten, und das war dann relativ schwierig.
Oder auch in sehr sensitiven Bereichen wie zum Beispiel IT oder Finanzen, da ist der Markt der Bewerber einfach noch nicht so breit, sich die Arbeit und die Mühe zu machen, so ein anonymisiertes Verfahren auszufüllen. Aber wir werden auf jeden Fall bei Positionen jetzt, wie auf meiner Ebene, also auf Leitungsebene, und eine Ebene drunter, auch weiterhin anonymisiert suchen, weil wir sehr, sehr positiv überrascht sind, und für uns das auf jeden Fall passt.
Wuttke: Reicht Ihnen dieses anonymisierte Bewerbungsverfahren für echte Chancengleichheit oder hätten Sie zusätzlich auch noch gerne eine Frauenquote?
Braungart: Ich glaube, dass in manchen Vorstandsetagen es schon wichtig wäre, eine Frauenquote zu haben, also ein bisschen Zwang, weil ich glaube nicht, das sieht man ja auch in den letzten Jahren, haben sich die Unternehmer da kaum bewegt. Es ist unheimlich schwierig, die Frauenquote alleine reicht nicht, es ist ja – ich sehe das bei mir selber – das Betreuungsangebot, wenn Sie ein Kind haben, ist es unheimlich schwierig, das alles unter einen Hut zu bringen, und da müsste die Politik nicht eine Herdprämie bezahlen aus meiner Sicht, sondern einfach mehr Betreuungszeiten für wirklich berufstätige Mütter schaffen. Dann wird es auch einfacher für die Frauen.
Wuttke: Haben Sie sich alles in allem im Nachhinein dann doch ein bisschen geärgert, auch als Sie, wie wir alle erfahren haben, was dieses Projekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes für Ergebnisse gezeitigt hat, dass es Männer eben einfach doch leichter haben?
Braungart: Das ist Realität, da muss man sich nichts vormachen. Aber ich freue mich, dass es jetzt überhaupt schon so Vorstöße in aus meiner Sicht richtige Richtung geht, dass man eben zumindest schon mal erkennt, dass es für Frauen schwieriger ist, und nach verschiedenen Lösungsmöglichkeiten sucht. Und ich habe dann die Hoffnung, wenn meine Tochter groß ist und einen Job sucht, dass es für Sie dann leichter wird als für mich.
Wuttke: Vielen Dank! Astrid Braungart von Mydays, einem der fünf Unternehmen, das beim Pilotprojekt zur anonymisierten Bewerbung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes teilgenommen hat, im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur. Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.