Prof. Dr. Christoph Butterwegge lehrte von 1998 bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln. Zuletzt hat er die Bücher "Armut" (PapyRossa Verlag), "Kritik des Neoliberalismus" (Springer VS) sowie "Reichtumsförderung statt Armutsbekämpfung. Eine sozial- und steuerpolitische Halbzeitbilanz der Großen Koalition" (Springer VS) veröffentlicht.
Ein Soli gegen Kinderarmut
Im Wahlkampf versprechen nahezu alle Parteien, den Soli abzuschaffen. Dabei würde das nur den Wohlhabenden zugute kommen. Besser wäre es, einen neuen Soli einzuführen, um Kinderarmut gezielt zu bekämpfen, meint Christoph Butterwegge.
Hierzulande leben über zwei Millionen Kinder in Armut. Die meisten von ihnen schneiden vergleichsweise schlecht in der Schule ab, bleiben bei Freizeitangeboten außen vor und haben geringere Aussichten auf zukünftigen beruflichen Erfolg. Kurzum: Viele dieser Kinder lernen nicht, ihre Träume zu verwirklichen, sondern sie sich abzuschminken.
In dieser Lage predigen fast alle Parteien den Verzicht auf den "Soli". Die FDP optiert für seine sofortige Abschaffung, CDU/CSU und SPD wollen ihn langsam auslaufen lassen.
Dabei zeichnet sich der Solidaritätszuschlag im deutschen Steuersystem dadurch aus, dass er Spitzenverdiener, Hochvermögende und Konzerne, also besonders finanzkräftige Personen und Unternehmen, deutlich stärker belastet als die normalen Arbeitnehmer. Dies ist ein wichtiges Argument für seine Beibehaltung.
Hohe Kinderarmut in abgehängten Regionen
Wenn der Solidarpakt 2019 wie vorgesehen ausläuft, sollte man den Solidaritätszuschlag für die gesamtdeutsche Armutsbekämpfung umwidmen. Eine solche Ergänzungsabgabe wäre bestens geeignet, um eine Großoffensive gegen Kinderarmut zu finanzieren.
Denn damit könnten abgehängte Regionen in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen befähigt werden, ihre soziale und Bildungsinfrastruktur so weit zu entwickeln, dass die dort besonders hohe Kinder- und Jugendarmut sinkt.
Nur wenn genügend Kindertagesstätten, gut ausgestattete Schulen und ausreichend Freizeitangebote vorhanden sind, kann verhindert werden, dass ein Großteil der nachwachsenden Generation perspektivlos bleibt.
Streichung des "Soli" – Ein Geldgeschenk für Hochvermögende
Politiker wie der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner wettern im Wahlkampf gegen die "kalte Progression" oder den "Mittelstandsbauch" und fordern im selben Atemzug und mit treuem Augenaufschlag die Abschaffung des Solidaritätszuschlages, um auf diese Weise "besonders Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen" zu entlasten.
Natürlich wissen sie, dass Geringverdiener davon gar nichts und Normalverdiener nur wenig hätten. Denn der Soli greift für Singles erst ab einem Monatseinkommen über 1500 Euro, für eine vierköpfige Familie muss der Monatsverdienst sogar über 4000 Euro liegen.
Hochvermögenden und großen Konzernen dagegen würde die Streichung des Solis zwei- bzw. dreistellige Millionenbeträge pro Jahr bescheren. Der Solidaritätszuschlag wird nämlich auch auf die Kapitalertrag- und die Körperschaftsteuer erhoben.
Die geplante Abschaffung des Solidaritätszuschlages wäre für Normal- und Geringverdiener also ein Danaergeschenk. Dies wissen Lindner und Söder ebenfalls genau.
Auch die SPD will den Soli in mehreren Schritten abschaffen, wenngleich zunächst nur "für untere und mittlere Einkommen". Aber auch in ihrem Modell würden letztlich diejenigen am meisten profitieren, die überdurchschnittlich gut dastehen.
"Soli" für die Zukunft armer Kinder
Selbst wenn die Vereinigung von BRD und DDR die Erhebung des Solidaritätszuschlages in ein paar Jahren verfassungsrechtlich nicht mehr rechtfertigt; die Forderung des Grundgesetzes nach Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse bleibt bisher unerfüllt.
Anstatt also die ökonomisch Stärksten in der Gesellschaft aus der Verantwortung zu entlassen, sollte man sie künftig auf einen Sonderbeitrag für die Allerschwächsten unter uns verpflichten. Denn wo wäre Solidarität dringender nötig als für Kinder in Armut? Und wo Geld besser investiert als in ihre Zukunft?