Chanukka "in Antwort auf Weihnachten weiterentwickelt"
Die Wiederherstellung ihrer religiösen Unabhängigkeit feiern Juden in aller Welt am 8-tägigen Chanukka-Fest, erklärt die Berliner Rabbinerin Gesa Ederberg. Besonders wegen der Kinder sei das Schenken vom christlichen Weihnachtsfest für Chanukka übernommen worden.
Dieter Kassel: Es ist durchaus nicht selbstverständlich und auch nicht jedes Jahr so, dass das zur gleichen Zeit stattfindet wie das christliche Weihnachtsfest, aber in diesem Jahr ist es mal wieder so: Heute beginnt das jüdische Lichterfest Chanukka. In vielen Metropolen der Welt, unter anderem in Washington, New York, London, Paris, aber auch Moskau, wird deshalb an einem zentralen Ort heute der große Chanukka-Leuchter angezündet.
In Berlin geschieht das auch. Heute Abend um 18:30 Uhr findet ein öffentliches Kerzenanzünden statt mit Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und vielen anderen Ehrengästen. Aufgestellt wird eben dieser große Leuchter, und traditionell ist der jüdische Leuchter, die Menorah, ja siebenarmig – aber aufgepasst, dieser Leuchter wird nicht aufgestellt, sondern ein ganz spezieller.
Ich habe mich kurz vor Beginn der Sendung mit Gesa Ederberg unterhalten. Sie ist Rabbinerin in der Synagoge auf der Oranienburger Straße in Berlin. Wir haben das Gespräch kurz vor der Sendung geführt, weil sie heute so viel zu tun hat, dass sie von jetzt bis zum späten Abend auf der Straße ist. Ich habe sie zunächst mal nach diesem Leuchter gefragt, weil es ist nicht ganz leicht zu erklären, wie viele Kerzen, wie viele Arme der eigentlich hat – sieben, wie bei der Menorah, sind es nicht, aber sind es eigentlich acht?
Gesa Ederberg: Wenn man es jetzt ganz genau nimmt, sind es sogar neun, weil es gibt sozusagen die Helferkerze noch zusätzlich, die zum Anzünden dient.
Kassel: Aber die wird nicht reingesteckt, oder doch?
Ederberg: Doch, wenn Sie jetzt den neunarmigen Leuchter, für das acht Tage … für die acht Kerzen, ja, dann wird es schon richtig kompliziert. Wir haben im Religionsunterricht, haben wir gerade mit den Kindern ein Arbeitsblatt gemacht mit ganz vielen Details: Was ist der Unterschied zwischen der Menorah, also dem siebenarmigen Leuchter und dem Chanukka-Leuchter, ja? Da gibt es so ein paar weitere Details, und das fanden die Kinder ganz spannend.
Kassel: Das Chanukka-Fest geht ja zurück auf die Weihung, streng genommen die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im Jahr 164 vor unserer Zeitrechnung. Warum ist dieses Ereignis und dieses Datum so wichtig für Juden?
Ederberg: Also, wir feiern mit Chanukka eben die Wiedereinweihung, wie Sie es gerade schon gesagt haben, des Tempels, nachdem er zerstört wurde in einem Krieg zwischen den Makkabäern und den Hellenisten und eben entweiht wurde, und die Wiederherstellung sozusagen der religiösen Unabhängigkeit wird auf diese Weise gefeiert.
Kassel: Und der Leuchter, der, wie ich es erwähnt habe, in diesem Jahr auch am Brandenburger Tor entzündet wird, an vielen Orten überall auf der ganzen Welt, warum hat der diese große Symbolkraft für gerade dieses Fest?
Ederberg: Es gibt sozusagen zweierlei Leuchter. Der eine ist die siebenarmige Menorah, die im Tempel stand und die quasi am ersten Tag Chanukka wieder angezündet wurde, und es gab da eine kleine Komplikation. Der andere Leuchter, den wir heute anzünden, ist die Chanukkiah, wo wir acht Tage lang immer jeweils ein Licht mehr anzünden, um die acht Tage des Festes zu feiern. Die kleine Komplikation ist, dass man, um den Leuchter anzuzünden, reines Öl braucht, und als der Tempel von den Makkabäern wiedererobert wurde, gab es nicht mehr genug Öl für die acht Tage, sondern nur für einen. Und das Wunder von Chanukka ist sozusagen, dass dieser kleine Krug dann die acht Tage lang gebrannt hat.
Kassel: Heutzutage ist aber dieser Leuchter natürlich – sind acht Kerzen –, das ist grundsätzlich so, oder ist es so, dass, wenn man ganz, ganz historisch echt sein müsste, dann nimmt man immer noch einen Leuchter mit Öl?
Ederberg: Man kann das sehr gut mit Kerzen machen, weil es ja sowieso nur symbolisch ist, wir sind ja nicht mehr im Tempel. Aber ich kenne auch viele Familien, die auch kleine Öllämpchen anzünden. Wir haben für jedes Familienmitglied eine Chanukkiah, und da ist eine oder zwei, sind immer auch mit Öl.
Kassel: Wie werden denn diese acht Tage – jetzt nicht offiziell am Brandenburger Tor, sondern ganz privat in der Familie – begangen, verbracht?
Ederberg: Wenn ich mich so umschaue in meiner Synagoge, dann stöhnen die meisten Leute, weil sie eben acht Tage lang von einer Feier bei einer Familie zur anderen gehen. Also man feiert das im Familien- und Freundeskreis. Man feiert in der Schule, im Kindergarten, im Jugendzentrum, nochmal in der Synagogengemeinde, indem man eben zusammenkommt, abends, wenn es dunkel ist, die Kerzen anzündet und dazu Spiele spielt, Lieder singt, und in Öl gebratene Dinge isst.
Kassel: Nun ist Chanukka dieses Jahr zu fast genau der gleichen Zeit wie das christliche Weihnachtsfest. Das ist aber nicht jedes Jahr so. Wie wird denn überhaupt festgelegt, wann genau diese acht Tage sind?
Ederberg: Da fragen Sie eine komplizierte Frage, weil der jüdische Kalender geht so meiner Meinung nach ein bisschen nach dem Motto: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Wir haben einen Kalender, der sich sowohl nach der Sonne als auch dem Mond richtet. Monatsanfang ist immer bei Neumond, aber die Zahl der Monate im Jahr variiert, damit die Feiertage ungefähr in der richtigen Jahreszeit bleiben. Das heißt, Chanukka schwankt wie alle anderen Feiertage gegenüber dem bürgerlichen Kalender um ungefähr 20 Tage, und dann ist es eben manchmal deutlich vor Weihnachten und manchmal gleichzeitig.
Kassel: Nun leben ja viele Juden auf der Welt in christlich geprägten Ländern: In Deutschland, aber auch in den USA, in vielen Ländern Europas. Wenn gerade wie in diesem Jahr nun Chanukka und Weihnachten zusammenfällt, wie wird das dann gemacht? Also vermischen sich die Feste so ein bisschen, oder wird das sauber getrennt?
Ederberg: Sagen wir so, die Feste haben natürlich sowieso etwas gemeinsam, durch das Thema Licht, und Chanukka hat sich in den letzten Jahrzehnten, würde ich sagen, auch ein bisschen in Antwort auf Weihnachten weiterentwickelt. Das liegt relativ eindeutig daran, dass eben die jüdischen Kinder ihre Eltern damit geplagt haben: Mama, Papa, warum kriege ich keine Geschenke, und warum haben wir keinen so schönen Baum? Und die klassische Antwort ist: Wir haben doch stattdessen Chanukka. Deshalb werden die Kinder heute zu Chanukka auch entsprechend beschenkt.
Kassel: Gibt es denn da auch Traditionalisten, die sagen, das geht eigentlich nicht, man muss das viel sauberer trennen?
Ederberg: Ja, das gibt es. Also dass man sich wirklich auf das klassische Spielen und Singen beschränkt, das gibt es auf jeden Fall. Es ist vor allem auch deshalb im gewissen Sinn ironisch, weil Chanukka ja genau die Abgrenzung aus der Assimilation und die Bewahrung des eigenen Ursprunges feiert. Und dass dieses Fest dann ausgerechnet durch die Dezembernähe diese Bedeutung aus der Umwelt bekommt, ist natürlich schon eine gewisse Ironie der Geschichte.
Kassel: Wir reden im Deutschlandradio Kultur heute Vormittag mit Gesa Ederberg, Rabbinerin an der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin über das Chanukka-Fest, das heute beginnt, die acht Tage des jüdischen Lichterfestes, und da haben wir darüber gesprochen, Frau Ederberg, wie das Leben in einem christlichen Umfeld das beeinflusst, dass zum Beispiel jetzt, jetzt würden die Kinder Geschenke bekommen, weil das eben zu Weihnachten so üblich ist.
Aber feiern eigentlich alle Juden, egal, wo sie herkommen, das Fest gleich? Hat sich zum Beispiel in den jüdischen Gemeinden in Deutschland die Art und Weise, wie Chanukka gefeiert wird, dadurch verändert, dass es so viele jüdische Einwanderer aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion gibt?
Ederberg: Also ich denke, das hängt natürlich miteinander zusammen, was man zum Beispiel dann isst zu so einem Fest, wie man auftischt und so, das ist natürlich jeweils auch regional unterschiedlich geprägt, wie sehr man das religiös feiert, ob man die Kerzen anzündet mit allen hebräischen Texten, die eigentlich dazu gesagt werden, nach den Segenssprüchen und so weiter, oder ob man es schon einfach so macht, ob man – das erlebe ich auch in vielen Zuwandererfamilien – für den religiösen Teil sind dann die Kinder zuständig, weil die das in der Schule gelernt haben, in der jüdischen Grundschule, das variiert.
Kassel: Es gibt inzwischen – ich glaube, im letzten Jahr gab es die erste richtig große, nein, im vorletzten, stimmt nicht ganz – in Berlin zum Beispiel Chanukka-Partys. Gibt es da so eine Art Revival dieses Festes auch bei Jugendlichen? Sie haben schon beschrieben natürlich, wie es traditionell gefeiert wird, aber auch bei Weihnachten ist es ja so, es gibt den traditionellen Heiligabend, und es gibt inzwischen auch sehr moderne Veranstaltungen zu diesem Fest. Ist das bei Chanukka ähnlich?
Ederberg: Ja, das ist sicher bei Chanukka ähnlich. Da hat Chanukka auch den Vorteil gegenüber anderen jüdischen Festen sozusagen, dass es ein weniger wichtiges Fest ist. Man kann arbeiten, die Zeremonie zu Hause ist relativ kurz und ist auch relativ transportabel, sage ich mal. Das heißt, man kann das auch sehr gut mit einer Party oder so was kombinieren, was sich an Pessach zum Beispiel nicht so anbietet.
Kassel: Es gibt bei Weihnachten ja echte Weihnachtsverweigerer, die Heiligabend die Wohnung streichen und die allergisch reagieren auf Weihnachtsmärkte und "Last Chrismas" von Wham!. Gibt es auch in den jüdischen Gemeinden Menschen, die sagen: Chanukka, lass mich damit bloß in Ruhe?
Ederberg: Also da Chanukka das öffentliche Bild nicht so prägt, denke ich, geht das Verweigern dann auch relativ leise, ja? Dann geht man halt nicht hin, und was man zu Hause macht, das kontrolliert auch keiner. Also ich denke, was Familien, die wenig feiern, dann eher feiern, ist Pessach zum Beispiel, aber so eine richtige Anti-Chanukka-Bewegung wäre mir jetzt überraschend.
Kassel: Wobei man sagen muss, wenn man in Berlin lebt, dann kann man ein Chanukka-Markt-Analog zum Weihnachtsmarkt erleben. Es gibt seit einer Weile jedes Jahr immer einen am Jüdischen Museum in Berlin, und der findet auch dieses Jahr wieder statt. Zum Schluss eine Frage, die Sie nicht beantworten müssen, aber beantworten können, ich kann die Neugier nicht bleiben lassen, Frau Ederberg: Sie als Rabbinerin, haben Sie denn zuhause in der Familie neben dem Leuchter auch einen Weihnachtsbaum?
Ederberg: Nein, auf keinen Fall!
Kassel: Hatte ich mir gedacht, aber fragen darf man.
Ederberg: Klar.
Kassel: Gesa Ederberg war das, Rabbinerin in Berlin in der Synagoge auf er Oranienburger Straße, zum jüdischen Lichterfest Chanukka, das heute beginnt, unter anderem auch heute Abend in Berlin mit der feierlichen Anzündung der Kerzen am Chanukka-Leuchter. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch, und auch wenn es nicht das wichtigste jüdische Fest ist, wünsche ich Ihnen trotzdem ein sehr schönes Chanukka!
Ederberg: Vielen Dank, auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
In Berlin geschieht das auch. Heute Abend um 18:30 Uhr findet ein öffentliches Kerzenanzünden statt mit Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und vielen anderen Ehrengästen. Aufgestellt wird eben dieser große Leuchter, und traditionell ist der jüdische Leuchter, die Menorah, ja siebenarmig – aber aufgepasst, dieser Leuchter wird nicht aufgestellt, sondern ein ganz spezieller.
Ich habe mich kurz vor Beginn der Sendung mit Gesa Ederberg unterhalten. Sie ist Rabbinerin in der Synagoge auf der Oranienburger Straße in Berlin. Wir haben das Gespräch kurz vor der Sendung geführt, weil sie heute so viel zu tun hat, dass sie von jetzt bis zum späten Abend auf der Straße ist. Ich habe sie zunächst mal nach diesem Leuchter gefragt, weil es ist nicht ganz leicht zu erklären, wie viele Kerzen, wie viele Arme der eigentlich hat – sieben, wie bei der Menorah, sind es nicht, aber sind es eigentlich acht?
Gesa Ederberg: Wenn man es jetzt ganz genau nimmt, sind es sogar neun, weil es gibt sozusagen die Helferkerze noch zusätzlich, die zum Anzünden dient.
Kassel: Aber die wird nicht reingesteckt, oder doch?
Ederberg: Doch, wenn Sie jetzt den neunarmigen Leuchter, für das acht Tage … für die acht Kerzen, ja, dann wird es schon richtig kompliziert. Wir haben im Religionsunterricht, haben wir gerade mit den Kindern ein Arbeitsblatt gemacht mit ganz vielen Details: Was ist der Unterschied zwischen der Menorah, also dem siebenarmigen Leuchter und dem Chanukka-Leuchter, ja? Da gibt es so ein paar weitere Details, und das fanden die Kinder ganz spannend.
Kassel: Das Chanukka-Fest geht ja zurück auf die Weihung, streng genommen die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im Jahr 164 vor unserer Zeitrechnung. Warum ist dieses Ereignis und dieses Datum so wichtig für Juden?
Ederberg: Also, wir feiern mit Chanukka eben die Wiedereinweihung, wie Sie es gerade schon gesagt haben, des Tempels, nachdem er zerstört wurde in einem Krieg zwischen den Makkabäern und den Hellenisten und eben entweiht wurde, und die Wiederherstellung sozusagen der religiösen Unabhängigkeit wird auf diese Weise gefeiert.
Kassel: Und der Leuchter, der, wie ich es erwähnt habe, in diesem Jahr auch am Brandenburger Tor entzündet wird, an vielen Orten überall auf der ganzen Welt, warum hat der diese große Symbolkraft für gerade dieses Fest?
Ederberg: Es gibt sozusagen zweierlei Leuchter. Der eine ist die siebenarmige Menorah, die im Tempel stand und die quasi am ersten Tag Chanukka wieder angezündet wurde, und es gab da eine kleine Komplikation. Der andere Leuchter, den wir heute anzünden, ist die Chanukkiah, wo wir acht Tage lang immer jeweils ein Licht mehr anzünden, um die acht Tage des Festes zu feiern. Die kleine Komplikation ist, dass man, um den Leuchter anzuzünden, reines Öl braucht, und als der Tempel von den Makkabäern wiedererobert wurde, gab es nicht mehr genug Öl für die acht Tage, sondern nur für einen. Und das Wunder von Chanukka ist sozusagen, dass dieser kleine Krug dann die acht Tage lang gebrannt hat.
Kassel: Heutzutage ist aber dieser Leuchter natürlich – sind acht Kerzen –, das ist grundsätzlich so, oder ist es so, dass, wenn man ganz, ganz historisch echt sein müsste, dann nimmt man immer noch einen Leuchter mit Öl?
Ederberg: Man kann das sehr gut mit Kerzen machen, weil es ja sowieso nur symbolisch ist, wir sind ja nicht mehr im Tempel. Aber ich kenne auch viele Familien, die auch kleine Öllämpchen anzünden. Wir haben für jedes Familienmitglied eine Chanukkiah, und da ist eine oder zwei, sind immer auch mit Öl.
Kassel: Wie werden denn diese acht Tage – jetzt nicht offiziell am Brandenburger Tor, sondern ganz privat in der Familie – begangen, verbracht?
Ederberg: Wenn ich mich so umschaue in meiner Synagoge, dann stöhnen die meisten Leute, weil sie eben acht Tage lang von einer Feier bei einer Familie zur anderen gehen. Also man feiert das im Familien- und Freundeskreis. Man feiert in der Schule, im Kindergarten, im Jugendzentrum, nochmal in der Synagogengemeinde, indem man eben zusammenkommt, abends, wenn es dunkel ist, die Kerzen anzündet und dazu Spiele spielt, Lieder singt, und in Öl gebratene Dinge isst.
Kassel: Nun ist Chanukka dieses Jahr zu fast genau der gleichen Zeit wie das christliche Weihnachtsfest. Das ist aber nicht jedes Jahr so. Wie wird denn überhaupt festgelegt, wann genau diese acht Tage sind?
Ederberg: Da fragen Sie eine komplizierte Frage, weil der jüdische Kalender geht so meiner Meinung nach ein bisschen nach dem Motto: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Wir haben einen Kalender, der sich sowohl nach der Sonne als auch dem Mond richtet. Monatsanfang ist immer bei Neumond, aber die Zahl der Monate im Jahr variiert, damit die Feiertage ungefähr in der richtigen Jahreszeit bleiben. Das heißt, Chanukka schwankt wie alle anderen Feiertage gegenüber dem bürgerlichen Kalender um ungefähr 20 Tage, und dann ist es eben manchmal deutlich vor Weihnachten und manchmal gleichzeitig.
Kassel: Nun leben ja viele Juden auf der Welt in christlich geprägten Ländern: In Deutschland, aber auch in den USA, in vielen Ländern Europas. Wenn gerade wie in diesem Jahr nun Chanukka und Weihnachten zusammenfällt, wie wird das dann gemacht? Also vermischen sich die Feste so ein bisschen, oder wird das sauber getrennt?
Ederberg: Sagen wir so, die Feste haben natürlich sowieso etwas gemeinsam, durch das Thema Licht, und Chanukka hat sich in den letzten Jahrzehnten, würde ich sagen, auch ein bisschen in Antwort auf Weihnachten weiterentwickelt. Das liegt relativ eindeutig daran, dass eben die jüdischen Kinder ihre Eltern damit geplagt haben: Mama, Papa, warum kriege ich keine Geschenke, und warum haben wir keinen so schönen Baum? Und die klassische Antwort ist: Wir haben doch stattdessen Chanukka. Deshalb werden die Kinder heute zu Chanukka auch entsprechend beschenkt.
Kassel: Gibt es denn da auch Traditionalisten, die sagen, das geht eigentlich nicht, man muss das viel sauberer trennen?
Ederberg: Ja, das gibt es. Also dass man sich wirklich auf das klassische Spielen und Singen beschränkt, das gibt es auf jeden Fall. Es ist vor allem auch deshalb im gewissen Sinn ironisch, weil Chanukka ja genau die Abgrenzung aus der Assimilation und die Bewahrung des eigenen Ursprunges feiert. Und dass dieses Fest dann ausgerechnet durch die Dezembernähe diese Bedeutung aus der Umwelt bekommt, ist natürlich schon eine gewisse Ironie der Geschichte.
Kassel: Wir reden im Deutschlandradio Kultur heute Vormittag mit Gesa Ederberg, Rabbinerin an der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin über das Chanukka-Fest, das heute beginnt, die acht Tage des jüdischen Lichterfestes, und da haben wir darüber gesprochen, Frau Ederberg, wie das Leben in einem christlichen Umfeld das beeinflusst, dass zum Beispiel jetzt, jetzt würden die Kinder Geschenke bekommen, weil das eben zu Weihnachten so üblich ist.
Aber feiern eigentlich alle Juden, egal, wo sie herkommen, das Fest gleich? Hat sich zum Beispiel in den jüdischen Gemeinden in Deutschland die Art und Weise, wie Chanukka gefeiert wird, dadurch verändert, dass es so viele jüdische Einwanderer aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion gibt?
Ederberg: Also ich denke, das hängt natürlich miteinander zusammen, was man zum Beispiel dann isst zu so einem Fest, wie man auftischt und so, das ist natürlich jeweils auch regional unterschiedlich geprägt, wie sehr man das religiös feiert, ob man die Kerzen anzündet mit allen hebräischen Texten, die eigentlich dazu gesagt werden, nach den Segenssprüchen und so weiter, oder ob man es schon einfach so macht, ob man – das erlebe ich auch in vielen Zuwandererfamilien – für den religiösen Teil sind dann die Kinder zuständig, weil die das in der Schule gelernt haben, in der jüdischen Grundschule, das variiert.
Kassel: Es gibt inzwischen – ich glaube, im letzten Jahr gab es die erste richtig große, nein, im vorletzten, stimmt nicht ganz – in Berlin zum Beispiel Chanukka-Partys. Gibt es da so eine Art Revival dieses Festes auch bei Jugendlichen? Sie haben schon beschrieben natürlich, wie es traditionell gefeiert wird, aber auch bei Weihnachten ist es ja so, es gibt den traditionellen Heiligabend, und es gibt inzwischen auch sehr moderne Veranstaltungen zu diesem Fest. Ist das bei Chanukka ähnlich?
Ederberg: Ja, das ist sicher bei Chanukka ähnlich. Da hat Chanukka auch den Vorteil gegenüber anderen jüdischen Festen sozusagen, dass es ein weniger wichtiges Fest ist. Man kann arbeiten, die Zeremonie zu Hause ist relativ kurz und ist auch relativ transportabel, sage ich mal. Das heißt, man kann das auch sehr gut mit einer Party oder so was kombinieren, was sich an Pessach zum Beispiel nicht so anbietet.
Kassel: Es gibt bei Weihnachten ja echte Weihnachtsverweigerer, die Heiligabend die Wohnung streichen und die allergisch reagieren auf Weihnachtsmärkte und "Last Chrismas" von Wham!. Gibt es auch in den jüdischen Gemeinden Menschen, die sagen: Chanukka, lass mich damit bloß in Ruhe?
Ederberg: Also da Chanukka das öffentliche Bild nicht so prägt, denke ich, geht das Verweigern dann auch relativ leise, ja? Dann geht man halt nicht hin, und was man zu Hause macht, das kontrolliert auch keiner. Also ich denke, was Familien, die wenig feiern, dann eher feiern, ist Pessach zum Beispiel, aber so eine richtige Anti-Chanukka-Bewegung wäre mir jetzt überraschend.
Kassel: Wobei man sagen muss, wenn man in Berlin lebt, dann kann man ein Chanukka-Markt-Analog zum Weihnachtsmarkt erleben. Es gibt seit einer Weile jedes Jahr immer einen am Jüdischen Museum in Berlin, und der findet auch dieses Jahr wieder statt. Zum Schluss eine Frage, die Sie nicht beantworten müssen, aber beantworten können, ich kann die Neugier nicht bleiben lassen, Frau Ederberg: Sie als Rabbinerin, haben Sie denn zuhause in der Familie neben dem Leuchter auch einen Weihnachtsbaum?
Ederberg: Nein, auf keinen Fall!
Kassel: Hatte ich mir gedacht, aber fragen darf man.
Ederberg: Klar.
Kassel: Gesa Ederberg war das, Rabbinerin in Berlin in der Synagoge auf er Oranienburger Straße, zum jüdischen Lichterfest Chanukka, das heute beginnt, unter anderem auch heute Abend in Berlin mit der feierlichen Anzündung der Kerzen am Chanukka-Leuchter. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch, und auch wenn es nicht das wichtigste jüdische Fest ist, wünsche ich Ihnen trotzdem ein sehr schönes Chanukka!
Ederberg: Vielen Dank, auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.