Chanukka

"Schweb' hin, Gedanke Du"

Von Jonathan Scheiner |
Chanukka-Songs lassen sich einige finden, manche davon sind ausgesprochen abgetragen. Aber es gibt auch die anderen, die guten: Knackige Lieder Ganz ohne Schmalz und Schmonzes.
Was ist naheliegender, als im Verdi-Jahr über Nabucco zu reden, zumal an Chanukka. Aus Verdis Oper von 1841 stammt auch die berühmte Arie "Va pensiero”, die in und außerhalb Italiens fast jedermann als Gefangenenchor kennt. Erst einer, dann zwei, dann drei und dann Abertausende haben das Lied angestimmt, als Verdi im Jahr 1901 in Mailand zu Grabe getragen wurde - ein Staatsakt! Seither gilt die Melodie als eine Art inoffizielle Nationalhymne Italiens.
Dabei dreht sich Nabucco gar nicht um Risorgimento und "Einig Vaterland”, sondern um etwas ganz anderes. Es geht um den Freiheitskampf der Juden. Diesen Freiheitskampf hat auch Judas Makkabäus erfolgreich geführt, als er Jerusalem eroberte und den entweihten Tempel reinigte - jenes Ereignis, das alljährlich an Chanukka gefeiert wird. Doch derlei Dinge hatte der vor 200 Jahren geborene Giuseppe Verdi gewiss nicht im Sinn, als er seinen Nabucco schuf.
"Schweb' hin, Gedanke Du, auf gold'nem Flügel
Enteile zu dem fernen, teuren Strand,
Wo leis' und lind, umduftend Tal und Hügel
Die freie Luft begrüßt mein Vaterland.

Verweil an Zions frech entweihten Thoren,
Und walle still dem Jordan-Ufer zu;
O zaubrisch schöne Heimat, mir verloren!
O schmerzlich süßes Angedenken Du."

Stumm hängst Du, goldne Harfe an den Weiden,
Du, die prophetisch einst der Seher schlug;
sing' uns von der Zeit, wo fern von Leiden
Der Knechtschaft Ketten Judas Volk nicht trug.
Doch willst Du trauern, o! dann singe leise
Vom Fall Jerusalems, von unsrem Schmerz;
Vielleicht lehrt Dich der Herr die Liedesweise,
Die Kraft zum Dulden strömt in unser Herz."
"Va, pensiero, sull'ali dorate" - Schweb' hin, Gedanke Du, auf gold'nem Flügel! - Das hätten die Makkabäer einst schöner nicht singen können. Doch die Verse haben nicht die jüdische, sondern die italienische Seele ins Mark getroffen. Kein Wunder also, dass Heerscharen von Pizzabäckern, Badewannen-Carusos und Italo-Popstars dieses Lied geträllert haben, von Zuccero und Andrea Bocelli bis hin zur Pseudo-Italienerin Nana Mouskouri, die daraus ein portugiesisches Freiheitslied gemacht hat.
Einfluss bis in die heutige Zeit
Wie Giuseppe Verdi hatte auch Georg Friedrich Händel mit Judentum nichts am Hut, dabei hat der Deutsch-Engländer gleich eine ganze Reihe von Oratorien mit alttestamentarischer Thematik komponiert. Darunter auch den "Judas Makkabaeus" von 1747, Händels zu Lebzeiten erfolgreichstes Oratorium - noch vor seinem Messias mit dem allseits bekannten "Halleluja”.
Händels gewaltiger Einfluss auf klassische Vokalwerke reicht bis in die heutige Zeit.
Selbst der lettische Komponist Arvo Pärt ist ohne Händel nicht vorstellbar. Pärts Stück "An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten” zitiert Psalm 137 und wurde 1986 vom Hilliard Ensemble gesungen.
" ... denn die uns gefangen hielten, hießen uns dort singen und in unserem Heulen fröhlich sein: singet uns ein Lied von Zion! Wie könnten wir des Herrn Lied singen in fremdem Lande? Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte”.
Der Freiheitskampf der Juden im Popsong
Nicht nur in der klassischen Musik spielt der Freiheitskampf der Juden eine gewichtige Rolle. Auch die Popmusik bietet ein scheinbar unerschöpfliches Reservoir an Chanukka-Songs. Selbst jüdische Popstars wie Bob Dylan oder der kürzlich verstorbene Lou Reed haben sich in diesem Metier versucht.
Mit von der Partie sind echte Sonderlinge wie Woody Guthrie, der vor allem für seine linken Protestlieder berühmt ist. Der Dust-Bowl Balladeer hatte auch eine private, jüdische Seite, weil er in zweiter Ehe mit der Tänzerin Marjorie Greenblatt verheiratet war. Für sie und seine jüdischen Kinder hat er eine Vielzahl von Chanukka-Liedern geschrieben. Sie wurden erstmals 2006 aufgenommen, von der berühmtesten aller Klezmer-Bands, den Klezmatics.
Zu den immer gleichen Musik-Ritualen an Chanukka zählt nicht nur Flory Jagodas "Ocho Kandelikas”, sondern auch die zähe Melange aus "Dreidl-Song” und "Maos Zur”. Dieser Chanukka-Kakophonie zu entkommen, ist mindestens genauso schwer wie der Endlosschleife an Weihnachstliedern, von denen übrigens viele von jüdischen Musikern komponiert wurden.
Vom Audio-Gammelfleisch bis zum Wunder des Lichterfestes
Wenngleich man "Rudolf das Rentier” und anderes Audio-Gammelfleisch inzwischen schon nicht mehr hören kann, so gibt es auch hier ein paar ganz herzerwärmende Melodien. Zum Beispiel von Benny Goodman. Der jüdische Klarinettist hat die Menschen mit "Santa Claus Came in the Spring” zum Swingen gebracht: Und das in finsteren Zeiten, im Jahre 1940.
Dass der Nachschub an knackig frischen Chanukka-Songs nicht versiegt - das liegt auch an Musikern wie dem chassidischen Rapper Matisyahu, der ein eigenes Chanukka-Lied unter seiner Kippa hervorgezaubert hat: Sein Song heißt "Miracle” und beschreibt das Wunder des Lichterfestes in seiner Heimatstadt New York und weit darüber hinaus. Ganz ohne Schmalz und Schmonzes: Happy Chanukka!
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