Chanukka und Weihnachten

Auch jüdische Feiertage anerkennen

Der Chanukka-Leuchter brennt am Brandenburger Tor in Berlin: Einen offiziellen Status als Feiertag hat das jüdische Fest in Deutschland aber nicht.
Germany: Hanukkah at the Brandenburg Gate - inauguration and ceremony © picture alliance / Pacific Press / Simone Kuhlmey
Ein Standpunkt von Sharon Adler |
Bis vor einigen Jahren war Chanukka in Deutschland kaum präsent. Inzwischen werden an vielen Orten Chanukka-Leuchter aufgestellt. Die Publizistin Sharon Adler begrüßt die neue Sichtbarkeit jüdischer Feiertage. Aber es müsse noch mehr getan werden.
Dezember 2022: Der Ku'damm in Berlin erstrahlt im allerhellsten Glitzerkleid. Tannenbäume sind in und vor öffentlichen Gebäuden und Geschäften aufgestellt, Schokoladenweihnachtsmänner (leider immer noch keine Weihnachtsfrauen) gibt es schon seit Ende des Sommers in großer Auswahl zu kaufen. Weil ich Jüdin bin, feiere ich Chanukka und kein Weihnachten. Schokolade esse ich trotzdem.
Schade nur, dass es hierzulande selbst in der Hauptstadt nur in jüdischen Läden Chanukka-Grußkarten zu kaufen gibt. Die liegen in Paris, Amsterdam oder New York in jedem Kiosk ganz selbstverständlich neben den Happy-Christmas-Karten. 

Chanukka-Leuchter überall in Berlin

Dennoch ist Chanukka in meiner Geburtsstadt präsent wie nie zuvor. Und zwar nicht nur mit dem einen Chanukka-Leuchter am Brandenburger Tor, der seit einigen Jahren traditionell dort aufgestellt wird. Insgesamt stehen für die Dauer der Chanukka-Feiertage an öffentlichen Orten mehr als 40 Leuchter, sechs davon in Bundesministerien. Wie man hört, wollen alle einen haben! Außerdem gibt es in diesem Jahr auch einen Chanukka-Leuchter auf dem Vorplatz des Abgeordnetenhauses von Berlin. Damit befindet sich erstmalig ein jüdisches Symbol öffentlich sichtbar vor einem Berliner Parlament. 
Das ist ein weithin sichtbares Zeichen für jüdisches Leben, für jüdische Feiertage, Kultur und Religion. Das ist gut und wichtig, ganz besonders in diesen Zeiten. Denn von einer Normalität sind wir noch weit entfernt. Weihnachtsbäume brauchen nicht rund um die Uhr Polizeischutz. Chanukka-Leuchter schon. Der auf dem Marktplatz in Berlin-Adlershof im vergangenen Jahr wurde Opfer eines antisemitischen Angriffs. 

Kein Recht auf Arbeitsruhe

Chanukka ist ein fröhliches Fest, eines, das mit der ganzen Familie, mit Freundinnen und Freunden gefeiert wird. Geschenke gibt es auch. Dass das die Werbeindustrie bisher noch nicht erkannt hat, wundert mich, finde ich aber nicht weiter schlimm. Eine andere Sache schon: Das Recht auf Arbeitsruhe an jüdischen Feiertagen ist in der Gesetzgebung nicht verankert. Denn diese folgt – trotz 1700 Jahren jüdisch-deutscher Geschichte – ausschließlich den christlichen Feiertagen.
Das hat vor allem berufliche Konsequenzen für Jüdinnen und Juden, die ihre Feiertage und die damit verbundenen Gesetze einhalten möchten. Insgesamt sechs Tage im Jahr sind es, an denen das jüdische Religionsgesetz ein Arbeitsverbot vorschreibt. Dazu zählen auch das „Schreiben“ und das „Korrigieren“. In der Praxis bedeutet das: Jüdische Studierende befinden sich in einem Dilemma, wenn Prüfungstermine auf Jom Kippur, Rosch ha-Schana oder Sukkoth fallen. 
Darum forderte schon 2020 die Jüdische Studierendenunion Deutschland in einem Offenen Brief an die Kultusministerkonferenz eine Berücksichtigung jüdischer Feiertage bei der Festlegung der Prüfungstermine. Unbedingt! Und wie viele andere wünsche ich mir außerdem dringend: Jüdische Feiertage sollten, genau wie die christlichen, einen offiziellen Status bekommen. Das wäre echte Gleichstellung.

Wunsch nach einem Wunder

Chanukka, das „jüdische Lichterfest“, erinnert an den Aufstand der Makkabäer, an die mutige Tat der Heldin Hannah, die Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem vor über 2.000 Jahren und an ein Wunder. Denn, um die Menora, den siebenarmigen Leuchter wieder anzuzünden, benötigte man rituell reines Öl, fand aber nur noch ein kleines Fläschchen. Wie durch ein Wunder brannte das Licht genau so lange, bis neues Öl hergestellt war: acht Tage lang. Seitdem wird deshalb an acht Abenden jeden Tag eine Kerze mehr angezündet, in Erinnerung an das Wunder, "das damals geschah". 
Weil wir ein solches Wunder mit Blick auf die Ukraine, auf den Iran, auf den desolaten Zustand unseres Planeten besonders in diesem Jahr herbeisehnen, wünsche ich in diesem Sinne uns allen Chag Chanukka sameach – und schöne Weihnachten!

Sharon Adler, 1962 in Berlin-West geboren und in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Holland und Israel aufgewachsen, ist Fotografin, Publizistin, Moderatorin, Herausgeberin von AVIVA-Berlin und Vorstandsvorsitzende der Stiftung Zurückgeben.

Porträt Sharon Adler im hellblauen Mantel vor einer Bücherwand.
© Mara Noomi Adler
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