"Chaoten in die Ecke stellen"

Moderation: Birgit Kolkmann |
Der Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Hans-Georg Moldenhauer, hält die vorübergehende Schließung von Stadien für ein mögliches Signal gegen die Gewaltbereitschaft von Fußballfans. Dies sei aber "mit Sicherheit nicht die Lösung für die Zukunft", sagte Moldenhauer. Die Vereine forderte er auf, sich eindeutig gegen Gewalt zu positionieren.
Kolkmann: Drohen dem deutschen Fußball italienische Verhältnisse? Wird es demnächst Tote geben bei Ausschreitungen von Hooligans, wie kürzlich in Catania auf Sizilien? Nach den gewalttätigen Ausschreitungen in Leipzig, bei denen 36 Polizisten und sechs Besucher verletzt wurden, wird diskutiert, wie mit diesen radikalen Fußballfans, wenn es denn überhaupt Fußballfans sind, umzugehen ist.

In jedem Fall zeigt ein Jahr nach der friedlichen und schönen Fußball-WM der deutsche Fußball wieder sein hässliches Gesicht. Sollten Stadien vor allem in Ostdeutschland geschlossen werden, um das künftig zu verhindern? Das kann sich DFB-Präsident Zwanziger vorstellen. Wir sind jetzt mit seinem Vize verbunden. Guten Morgen Hans-Georg Moldenhauer!

Moldenhauer: Einen schönen guten Morgen Frau Kolkmann!

Kolkmann: Herr Moldenhauer, Stadien dicht machen, das ist ja wohl die ultima Ratio, oder?

Moldenhauer: Ja, das sehe ich genau so. Ich sehe das als ein Signal, das man setzen kann, nicht setzen muss, aber setzen kann, und dass es, wenn es in Übereinstimmung mit allen Vereinen läuft, dann auch wirklich eine Wirkung zeigen kann. Aber es wird mit Sicherheit nicht die Lösung für die Zukunft.

Kolkmann: Es gibt ja das nationale Konzept "Sport und Sicherheit". Es funktioniert eigentlich sehr gut. Warum hat es hier versagt?

Moldenhauer: Ja, ich möchte nicht sagen, versagt. Gerade im Fußball haben wir eigentlich ein durchgehendes System, Bundesliga selbstverständlich, aber in Bereichen Oberligen und Regionalligen arbeiten wir fast mit Konzepten wie in der Bundesliga, und auch in den unteren Bereichen, wenn ich da an die ganzen Besprechungen denke im Rahmen der Runden, die alle einbezogen werden, um solche Sicherheitsspiele über die Bühne zu bringen. Ich denke mal, das Problem liegt darin, dass man genau in den oberen Bereichen fast keine Chancen hat, auch was die Stadien betrifft, und unten noch aus ehemaliger und alter Tradition heraus meint, sich in den Stadien tummeln zu können und sich bemerkbar zu machen. Also die Bühne ist die Oberliga, und das ist unser Problem.

Kolkmann: Das Problem liegt vor allen Dingen auch in Ostdeutschland. Warum?

Moldenhauer: Ja, angedeutet haben wir es eben schon im Gespräch. Es gibt natürlich riesengroße traditionelle Vereine, die über Jahrzehnte lang hinweg vielleicht selbst erstklassig waren, im Europacup spielten und sich dann natürlich nach der Wende im Niedergang befanden, weil viele ihrer Stars weggingen, und da hat sich dann so ein Frustsignal entwickelt. Das ist die eine Seite. Die andere ist natürlich auch die wirtschaftliche Entwicklung, das ganze Problem der Arbeitslosigkeit, und man meint, die Bühne hier gefunden zu haben. Das ist sicherlich ein Problem, was generell in Deutschland und darüber hinaus gilt, aber im Osten insbesondere.

Kolkmann: Dann ist es natürlich nicht nur eine Frage der Sicherheit in den Stadien, sondern vor allen Dingen auch ein soziales Problem. Oft gibt es ja dann die Zusammenstöße auch mehr im Umfeld. Was muss da passieren, wer muss mit wem zusammenarbeiten, um das vielleicht in den Griff zu bekommen?

Moldenhauer: Ja, das ist richtig. Es ist ein globales, ein soziales Problem, und es sind alle gefragt. Es hilft überhaupt nichts mehr, wenn irgendjemand sagt, der Verein ist schuld, oder der Verein sagt wieder, die Polizei ist schuld. Wenn nicht alle jetzt in einem Boot handeln, dann haben wir da keine Chance, und das müssen wir machen, um eben italienische Verhältnisse zu vermeiden. Ich sehe solche Dinge, mal von unten nach oben ganz kurz skizziert, der Verein muss sich klar positionieren. Auch seine führenden Personen müssen sich distanzieren. Er muss natürlich dann auch die entsprechenden Ordnungen haben, Satzung und Ordnung und Stadienordnung, damit man Verbote aussprechen kann. Verbote müssen in andere Stadien hineingetragen werden, eine Solidarität zwischen den Vereinen. Und deswegen müssen wir auch als Verband organisatorisch eingreifen. Wir wollen zum Beispiel eine Woche machen mit allen Vereinen in einem Boot natürlich, wo wir dann auf die Plätze hinausgehen und uns erklären. Wir müssen diese 50, 80 oder 100 Chaoten in die Ecke stellen, und dann brauchen wir eine enge Zusammenarbeit natürlich mit den staatlichen Organen in Richtung Sicherheitskräfte.

Kolkmann: Müsste der DFB auch mehr für die Fanprojekte in Ostdeutschland tun?

Moldenhauer: Also der DFB, das kann ich mit Fug und Recht sagen, macht sehr viel. Wir werden auch jetzt alle Fangruppen immer wieder zusammenholen zu so genannten Kongressen. Das nützt natürlich nicht viel, wenn man nicht wirksam wird. Aber wir nehmen viel Geld an die Hand, und wir haben die Drittellösung auch mit den Kommunen und Vereinen, damit sie bei solchen Projekten natürlich mitziehen, und wir werden das erweitern. Wir werden auch alle Strafen, die natürlich da und dort notwendig sind, so anwenden, dass das Geld, was da "eingenommen" wird, wir hätten es lieber nicht, aber dann auch wieder für solche Maßnahmen ausgelegt wird. Das heißt, der DFB tut sehr viel, muss noch mehr tun und wird es auch tun.

Kolkmann: Sie sagen, Sie nehmen sehr viel Geld in die Hand. Kann man das beziffern, was Sie ausgeben für mehr Sicherheit?

Moldenhauer: Ja, also neben der Finanzierung der Projekte, die ich in der Übersicht insgesamt im Moment nicht beziffern kann, möchte ich sagen, dass wir gerade jetzt wieder für diese Dinge 250.000 Euro bereit gestellt haben, die für die Betreuung der einzelnen Fanprojekte zur Verfügung stehen. Wie ich schon anführte, werden wir eine Woche mit allen unseren Vereinen machen, das kostet ungefähr 30.000 Euro. Das wird Mitte März passieren, und solche Dinge finanzieren wir alles dort.

Kolkmann: Vielen Dank für das Gespräch.