Charakterbild eines Maßlosen
Eher ein Psychogramm als eine Biografie des Urgroßvaters Richard hat der Musikwissenschaftler Gottfried Wagner verfasst. Dabei spart er in seinem Buch nicht mit Kritik an denen, die sich vor ihm an seinem Vorfahren abgearbeitet haben.
Schon der Titel ist Programm: Gottfried möchte, wie einst Jesus, den Tempel reinigen von den Pharisäern und nebenbei Gott, also Wagner, gleich mit entsorgen. Oder in einem anderen Bild: Er ist der Mutige, der das Minenfeld betritt und die Minen zum Explodieren bringt in der Hoffnung, danach sei die Luft klar und Wagner zumindest vom Sockel gestürzt.
Es ist im klassischen Sinn keine Biografie, sondern eher ein Psychogramm, ein Charakterbild. Schon an den Kapitelüberschriften kann man das ablesen: "Der Vater- und Schrankenlose" lautet eines, dessen letzter Satz lautet:
"In Wahrheit ging es ihm mit seinem maßlosen Geltungsbedürfnis und seinem Hang zur Gigantomanie stets nur um sich selbst. Die Hemmungs- und Skrupellosigkeit, die er dabei offenbarte, machte ihn selbst zum Täter."
"Der Dilettant und Scharlatan", "Der Zocker und Schnorrer", "Der Frauenfeind", "Der Revoluzzer", "Der Königsliebling" sind andere Kapitelüberschriften.
Es ist im klassischen Sinn keine Biografie, sondern eher ein Psychogramm, ein Charakterbild. Schon an den Kapitelüberschriften kann man das ablesen: "Der Vater- und Schrankenlose" lautet eines, dessen letzter Satz lautet:
"In Wahrheit ging es ihm mit seinem maßlosen Geltungsbedürfnis und seinem Hang zur Gigantomanie stets nur um sich selbst. Die Hemmungs- und Skrupellosigkeit, die er dabei offenbarte, machte ihn selbst zum Täter."
"Der Dilettant und Scharlatan", "Der Zocker und Schnorrer", "Der Frauenfeind", "Der Revoluzzer", "Der Königsliebling" sind andere Kapitelüberschriften.
Wagners Antisemitismus bleibt skandalös
Und natürlich "Der Antisemit". Wagners Antisemitismus ist und bleibt ein Skandalon, und es ist schon erschreckend, wenn man die vielen Zitate präsentiert bekommt, die klar machen, dass sich Wagners Antisemitismus nicht in der Schrift "Das Judentum in der Musik" erschöpft. Gottfried Wagner teilt aber auch Watschen aus gegenüber den anderen, die sich mit seinem Vorfahren beschäftigen, indem er ihnen vorwirft, sie würden Wagners Antisemitismus verniedlichen. Gewiß, der Dirigent Christian Thielemann macht es sich zu leicht, wenn er behauptet "C-Dur bleibt C-Dur" und sei nicht politisch, aber Gottfried Wagner macht den umgekehrten Fehler: er versucht alles in sein Schema zu pressen.
Als geradezu unfair empfinde ich es, wenn er am Schluss des Kapitels meint, Elke Heidenreich eins auswischen zu müssen, weil sie sein Buch abgelehnt hat. Am Ende eines Artikels unter der Überschrift "Ab jetzt wagnert’s" erzählt sie von einer Begegnung mit der amerikanischen Sexualtherapeutin Ruth Westheimer, deren Eltern in Auschwitz ermordet wurden. Diese fragt Elke Heidenreich, was das für ein "markerschütterndes" Stück gewesen sei, das sie am Abend zuvor gehört habe. Heidenreich sagt es ihr: das Vorspiel zu den "Meistersingern von Nürnberg".
"Sie wurde ganz blass und dann dachte diese kluge Frau nach und sagte: ‚Den muß man hören. Das ist ja ganz wunderbar. Ich wollte nie, aber nun muss ich."
Gottfried Wagners Schlussfolgerung:
"Wenn uns die Angehörigen der Opfer des Holocaust Absolution erteilen, so die Botschaft, dürfen auch wir Deutschen uns ohne Gewissensbisse Wagner hingeben."
Nein, das ist nicht die Botschaft, die Botschaft lautet: Wagner und sein Antisemitismus bleiben ein Skandal. Man spürt die Absicht und ist verstimmt. Damit tut der Autor sich und seiner Sache keinen Gefallen.
"Wer möchte auch nicht dabei sein, wenn die Bundeskanzlerin mit Gatten, die Promis der Nation im Gefolge, zur Premiere des ‚Jubiläums‘-Rings in Bayreuth über den roten Teppich defiliert."
Auch wieder falsch: Weil die Promis vier lange Abende nicht durchhalten würden, gibt’s in diesem Jahr zur Eröffnung die Vorjahrspremiere "Der fliegende Holländer"; dann wird der rote Teppich eingerollt und die Kanzlerin wird zur ganz normalen Festspielbesucherin beim "Jubiläums"-Ring.
Besprochen von Jürgen Liebing
Als geradezu unfair empfinde ich es, wenn er am Schluss des Kapitels meint, Elke Heidenreich eins auswischen zu müssen, weil sie sein Buch abgelehnt hat. Am Ende eines Artikels unter der Überschrift "Ab jetzt wagnert’s" erzählt sie von einer Begegnung mit der amerikanischen Sexualtherapeutin Ruth Westheimer, deren Eltern in Auschwitz ermordet wurden. Diese fragt Elke Heidenreich, was das für ein "markerschütterndes" Stück gewesen sei, das sie am Abend zuvor gehört habe. Heidenreich sagt es ihr: das Vorspiel zu den "Meistersingern von Nürnberg".
"Sie wurde ganz blass und dann dachte diese kluge Frau nach und sagte: ‚Den muß man hören. Das ist ja ganz wunderbar. Ich wollte nie, aber nun muss ich."
Gottfried Wagners Schlussfolgerung:
"Wenn uns die Angehörigen der Opfer des Holocaust Absolution erteilen, so die Botschaft, dürfen auch wir Deutschen uns ohne Gewissensbisse Wagner hingeben."
Nein, das ist nicht die Botschaft, die Botschaft lautet: Wagner und sein Antisemitismus bleiben ein Skandal. Man spürt die Absicht und ist verstimmt. Damit tut der Autor sich und seiner Sache keinen Gefallen.
"Wer möchte auch nicht dabei sein, wenn die Bundeskanzlerin mit Gatten, die Promis der Nation im Gefolge, zur Premiere des ‚Jubiläums‘-Rings in Bayreuth über den roten Teppich defiliert."
Auch wieder falsch: Weil die Promis vier lange Abende nicht durchhalten würden, gibt’s in diesem Jahr zur Eröffnung die Vorjahrspremiere "Der fliegende Holländer"; dann wird der rote Teppich eingerollt und die Kanzlerin wird zur ganz normalen Festspielbesucherin beim "Jubiläums"-Ring.
Besprochen von Jürgen Liebing
Gottfried Wagner: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Richard Wagner - Ein Minenfeld
Propyläen Verlag, Berlin 2013
288 Seiten, 19,99 Euro
Propyläen Verlag, Berlin 2013
288 Seiten, 19,99 Euro