Charismatischer Kämpfer für Gerechtigkeit
Er war Schriftsteller, Diplomat und einer der einflussreichsten Intellektuellen Frankreichs. Stéphane Hessel hörte auch im hohen Alter nicht auf, sich politisch zu engagieren. Er war der letzte noch lebende Verfasser der allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948. Jetzt ist der Kosmopolit und Poesieliebhaber im Alter von 95 Jahren gestorben.
Hessel: "Vom Taue glänzt der Rasen . Wache Quelle … Buche Haupt … rauscht und …"
Wenn Stéphane Hessel nachts nicht schlafen konnte, dann lernte oder rezitierte er ein Gedicht. Auf englisch, französisch oder auf deutsch. Zum Beispiel eins von Friedrich Hölderlin.
Gedichte haben den gebürtigen Berliner, der mit Mutter und Bruder im Alter von sieben Jahren nach Paris zog, sein ganzes außergewöhnliches Leben lang begeistert und begleitet. Eine Leidenschaft, die Hessel von den Eltern geerbt haben dürfte, bei denen Duchamp, Picasso oder Walter Benjamin ein und aus gingen und deren Liebesbeziehung – eine Menage a trois - zur Vorlage für den Truffaut-Film "Jules und Jim" wurde.
Hessel: "So ein Gedicht ist für mich wunderbar. Ich hab es sehr lieb, ich versuche, es auch ein bisschen aufzusagen wie ein Schauspieler, das sollte man eigentlich vermeiden …"
Poesie begleitete den jungen Stéphane Hessel auch durch die Lager von Buchenwald und Dora, wo er als französischer Widerstandskämpfer inhaftiert war. Er überlebte, weil er die Identität eines verstorbenen Mithäftlings annahm.
Der Schrecken der Konzentrationslager führte ihn in die Welt der Diplomatie. Mit 27 Jahren wurde er Mitarbeiter des Generalsekretärs der UNO in New York.
"Das war das Kosmopolitischste, was man sich denken konnte, denn diese neue Organisation, die für mich heute noch das Wichtigste ist, was wir erschaffen haben: Das war natürlich ein großes Glück, da mitarbeiten zu können an der Menschenrechtserklärung. Dass es diesen Text noch immer gibt, ist für mich wunderbar."
Diplomat und Optimist blieb Stéphane Hessel Zeit seines Lebens. Und er verkörperte diesen Optimismus mit einer Kraft und einer Fröhlichkeit, die man so nur selten erlebt. Noch mit 80 demonstrierte der charmante Grauhaarige für die Rechte von Einwanderern in Paris, als "Ambassadeur de France" reiste der leidenschaftliche Europäer noch immer um den Globus und griff die Roma-Politik des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy an.
"Mein größtes Glück in diesem schon so langen Leben waren die Frauen. Ich habe von meiner Mutter sehr viel gelernt, z.B. die Lust am Leben, die Lust am Erfinden, die Lust am Schreiben, die Lust am Gedichte lernen. Ich brauche Frauen. Ich brauche eine Frau, die mich nicht besonders liebt, aber die mich befürwortet und die mich beansprucht."
Zum Medienstar wurde Stéphane Hessel im Alter von 93 Jahren. Sein Bändchen "Empört Euch!", ein antikapitalistisches Plädoyer für alte und neue Bürgertugenden, traf einen Nerv und wurde zum Bestseller. Auf knapp 20 Seiten ließ Hessel teilhaben an den Erfahrungen seines politischen Lebens, an den Lehren aus den Jahren als Kämpfer der Résistance und den Lektionen vom Widerstand gegen die deutschen Besatzer.
"Man soll sich vorstellen, dass Schlimmes in dieser Welt passiert und man darf das nicht lassen, man muss sich dagegen empören und auch darauf denken, was kann man dagegen tun. Gegen grobe Ungerechtigkeit zwischen Reichen und Armen, gegen grobe Gefährlichkeit für unseren Planeten, dass er zerstört wird, durch menschliche Schrecklichkeiten, grobe Fehler in der internationalen Politik, im Irak, in Afghanistan, gegen solche groben Fehler muss man sich empören, nicht nur um sie aufzusuchen. Man muss finden, was einen persönlich empört und dann muss man sich einsetzen."
In Stéphane Hessels Leben spiegelte sich ein ganzes Jahrhundert, mit all seinen Brüchen, all seinen Schrecknissen. Er war ein Heinz Berggruen der Politik. Einer, der nie den Glauben daran verlor, dass man etwas bewegen könne. Ein besonnener Abenteurer mit großer Bildung. Und ein Bewahrer der Poesie.
"Das einzige, wo ich unbescheiden bin, ist mein Gedächtnis auf Gedichte. Ich kann immer noch in den drei Sprachen Gedichte behalten. Wenn mir das abgeht – früher oder später – dann ist es Zeit zu sagen Au Revoir. Denn sterben ist etwas, was mich sehr interessiert. Ich glaube daran, dass man gut sterben kann, wenn man so stirbt, dass man sich sagt 'Ja: Jetzt ist das Leben zu Ende und jetzt sagt man Goodbye'."
Links bei dradio.de:
"Bereut habe ich nichts"
Stéphane Hessel, französisch-deutscher Essayist und Résistance-Kämpfer im Gespräch
"Viel Schreckliches und auch Gutes erlebt"
Stéphane Hessel über die richtige Form der Empörung
Beherzt, aber nicht originell
Stéphane Hessel: "Empört Euch!", Ullstein Verlag, Berlin 2011, 32 Seiten
Visionärer Weckruf für die Menschheit
"Wege der Hoffnung". Eine Streitschrift von Stéphane Hessel und Edgar Morin. Ullstein
Menschgewordener Appell an das Gewissen
"Stéphane Hessel - Ein glücklicher Rebell". Ein Porträt von Manfred Flügge. Aufbau
Das Phänomen Stéphane Hessel
Zwei neue Bücher von und über Stéphane Hessel
Nützliche Empörung
Stéphane Hessel: "Empört Euch!". Ullstein
Persönliche Annäherungen im Nahostkonflikt Stéphane Hessel und Elias Sanbar: "Israel und Palästina - Recht auf Frieden und Recht auf Land"
Wenn Stéphane Hessel nachts nicht schlafen konnte, dann lernte oder rezitierte er ein Gedicht. Auf englisch, französisch oder auf deutsch. Zum Beispiel eins von Friedrich Hölderlin.
Gedichte haben den gebürtigen Berliner, der mit Mutter und Bruder im Alter von sieben Jahren nach Paris zog, sein ganzes außergewöhnliches Leben lang begeistert und begleitet. Eine Leidenschaft, die Hessel von den Eltern geerbt haben dürfte, bei denen Duchamp, Picasso oder Walter Benjamin ein und aus gingen und deren Liebesbeziehung – eine Menage a trois - zur Vorlage für den Truffaut-Film "Jules und Jim" wurde.
Hessel: "So ein Gedicht ist für mich wunderbar. Ich hab es sehr lieb, ich versuche, es auch ein bisschen aufzusagen wie ein Schauspieler, das sollte man eigentlich vermeiden …"
Poesie begleitete den jungen Stéphane Hessel auch durch die Lager von Buchenwald und Dora, wo er als französischer Widerstandskämpfer inhaftiert war. Er überlebte, weil er die Identität eines verstorbenen Mithäftlings annahm.
Der Schrecken der Konzentrationslager führte ihn in die Welt der Diplomatie. Mit 27 Jahren wurde er Mitarbeiter des Generalsekretärs der UNO in New York.
"Das war das Kosmopolitischste, was man sich denken konnte, denn diese neue Organisation, die für mich heute noch das Wichtigste ist, was wir erschaffen haben: Das war natürlich ein großes Glück, da mitarbeiten zu können an der Menschenrechtserklärung. Dass es diesen Text noch immer gibt, ist für mich wunderbar."
Diplomat und Optimist blieb Stéphane Hessel Zeit seines Lebens. Und er verkörperte diesen Optimismus mit einer Kraft und einer Fröhlichkeit, die man so nur selten erlebt. Noch mit 80 demonstrierte der charmante Grauhaarige für die Rechte von Einwanderern in Paris, als "Ambassadeur de France" reiste der leidenschaftliche Europäer noch immer um den Globus und griff die Roma-Politik des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy an.
"Mein größtes Glück in diesem schon so langen Leben waren die Frauen. Ich habe von meiner Mutter sehr viel gelernt, z.B. die Lust am Leben, die Lust am Erfinden, die Lust am Schreiben, die Lust am Gedichte lernen. Ich brauche Frauen. Ich brauche eine Frau, die mich nicht besonders liebt, aber die mich befürwortet und die mich beansprucht."
Zum Medienstar wurde Stéphane Hessel im Alter von 93 Jahren. Sein Bändchen "Empört Euch!", ein antikapitalistisches Plädoyer für alte und neue Bürgertugenden, traf einen Nerv und wurde zum Bestseller. Auf knapp 20 Seiten ließ Hessel teilhaben an den Erfahrungen seines politischen Lebens, an den Lehren aus den Jahren als Kämpfer der Résistance und den Lektionen vom Widerstand gegen die deutschen Besatzer.
"Man soll sich vorstellen, dass Schlimmes in dieser Welt passiert und man darf das nicht lassen, man muss sich dagegen empören und auch darauf denken, was kann man dagegen tun. Gegen grobe Ungerechtigkeit zwischen Reichen und Armen, gegen grobe Gefährlichkeit für unseren Planeten, dass er zerstört wird, durch menschliche Schrecklichkeiten, grobe Fehler in der internationalen Politik, im Irak, in Afghanistan, gegen solche groben Fehler muss man sich empören, nicht nur um sie aufzusuchen. Man muss finden, was einen persönlich empört und dann muss man sich einsetzen."
In Stéphane Hessels Leben spiegelte sich ein ganzes Jahrhundert, mit all seinen Brüchen, all seinen Schrecknissen. Er war ein Heinz Berggruen der Politik. Einer, der nie den Glauben daran verlor, dass man etwas bewegen könne. Ein besonnener Abenteurer mit großer Bildung. Und ein Bewahrer der Poesie.
"Das einzige, wo ich unbescheiden bin, ist mein Gedächtnis auf Gedichte. Ich kann immer noch in den drei Sprachen Gedichte behalten. Wenn mir das abgeht – früher oder später – dann ist es Zeit zu sagen Au Revoir. Denn sterben ist etwas, was mich sehr interessiert. Ich glaube daran, dass man gut sterben kann, wenn man so stirbt, dass man sich sagt 'Ja: Jetzt ist das Leben zu Ende und jetzt sagt man Goodbye'."
Links bei dradio.de:
"Bereut habe ich nichts"
Stéphane Hessel, französisch-deutscher Essayist und Résistance-Kämpfer im Gespräch
"Viel Schreckliches und auch Gutes erlebt"
Stéphane Hessel über die richtige Form der Empörung
Beherzt, aber nicht originell
Stéphane Hessel: "Empört Euch!", Ullstein Verlag, Berlin 2011, 32 Seiten
Visionärer Weckruf für die Menschheit
"Wege der Hoffnung". Eine Streitschrift von Stéphane Hessel und Edgar Morin. Ullstein
Menschgewordener Appell an das Gewissen
"Stéphane Hessel - Ein glücklicher Rebell". Ein Porträt von Manfred Flügge. Aufbau
Das Phänomen Stéphane Hessel
Zwei neue Bücher von und über Stéphane Hessel
Nützliche Empörung
Stéphane Hessel: "Empört Euch!". Ullstein
Persönliche Annäherungen im Nahostkonflikt Stéphane Hessel und Elias Sanbar: "Israel und Palästina - Recht auf Frieden und Recht auf Land"