CharityWatch: Spitze der Spitze des Eisbergs
Kaum ein Bereich sei so wenig transparent wie der Bereich der gemeinnützigen Vereine, sagt der Wirtschaftsjournalist Stefan Loipfinger. Er ist Gründer von CharityWatch.de und schaut Spendensammlern sehr genau auf die Finger.
Karin Heise: Eigentlich spenden die Deutschen gern und reichlich, das Spendenvolumen in Deutschland beträgt etwa 4,5 Milliarden Euro pro Jahr. Aber die Spender wollen natürlich auch sichergehen, dass mit dem Geld oder auch mit öffentlichen Geldern gut umgegangen wird. Und das ist oft nicht der Fall, dieser Meinung ist Stefan Loipfinger und den grüße ich jetzt, schönen guten Tag, Herr Loipfinger!
Stefan Loipfinger: Ja guten Tag, Frau Heise!
Heise: Sind die von mir geschilderten Fälle die Spitze eines Eisberges?
Loipfinger: Ich würde sagen, das ist die Spitze der Spitze einer Spitze des Eisberges.
Heise: Also schon Ausnahmen?
Loipfinger: Nein, eben keine Ausnahmen. Denn letztendlich, was ich mit der Spitze der Spitze meinte, ist, das ist das, was man sieht, was man wahrnimmt, das sind aber eben keine Einzelfälle. Der Missbrauch im Spendenbereich ist leider ein systemimmanentes Problem. Eins der ganz zentralen Probleme, warum auch der Missbrauch so leicht gemacht wird, warum jemand, der vorhat, hier zu betrügen oder den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen und sich selbst zu bereichern, vielleicht dann das im Spendenbereich tut, ist letztendlich begründet darin, dass es keine Transparenz gibt. Es gibt keine Vorschriften, dass man irgendwas veröffentlichen muss, man muss einem Spender – und das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen, das ist Realität in Deutschland – man muss einem Spender nicht sagen, was man mit seinem Geld getan hat.
Heise: Das heißt, welche Möglichkeiten hat der Spender, irgendwas nachzuvollziehen?
Loipfinger: Also letztendlich sollte ein Spender immer, und das ist auch ein ganz, ganz wichtiges Qualitätskriterium, bei einem Verein, bevor er spendet, erst mal fragen, ob ihm der Verein sagt, wie viel Spenden er denn in den letzten ein, zwei Jahren eingenommen hat, und vor allem was er mit diesen Spenden gemacht hat. Wenn ein Verein diese Auskünfte nicht geben will, dann kann er diesen Verein getrost schon mal gleich in Anführungszeichen "in den Papierkorb werfen", also sprich: den Spendenaufruf von diesem Verein in den Papierkorb werfen.
Heise: Welche Möglichkeiten der Kontrolle hat eigentlich der Staat? Denn immerhin bedeutet ja gemeinnützig (ich habe ja eben von zwei gemeinnützigen Vereinen gesprochen), gemeinnützig bedeutet, dass ja der Verein teilweise oder ganz von den Steuern befreit ist. Das heißt, der Staat muss doch eigentlich kontroll… ja eigentlich Kontrolle wollen?
Loipfinger: Ja, jein. Das muss man sich einfach mal so vorstellen: Letztendlich ist für die Gemeinnützigkeit zuständig das Finanzamt. Das Finanzamt sagt, o.k., lieber Verein, da muss, gibt es bestimmte Kriterien, ein Kriterium, ein wesentliches Kriterium ist zum Beispiel, dass mehr als 50 Prozent – 50, nur 50! – 50 Prozent der Gelder für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden. Wobei wie das abgegrenzt wird, was ist eigentlich satzungsgemäß und was nicht, ist auch schon wieder ein anderes Thema, über das man auch lange diskutieren kann. Und wenn das ein Verein schafft und eben über 50 Prozent zumindest auf dem Papier nachweist als satzungsgemäße Ausgabe, dann bekommt er vom Finanzamt die Gemeinnützigkeit bestätigt. So einfach ist die Hürde und letztendlich prüft das Finanzamt meistens (es gibt Ausnahmefälle, wo ein Finanzbeamter seinen Job sehr ernst nimmt und dann auch einfach wirklich detaillierter das Ding hinterfragt), aber in der Regel ist es einfach so: Da ja eh kein Steueraufkommen produziert wird von einem Verein, weil der keine Steuern praktisch bezahlt, und auch wenn er nicht gemeinnützig ist, dann gibt er das Geld wieder aus und wird keine Steuern im Endeffekt bezahlen oder zumindest keine nennenswerten, rentiert sich es für das Finanzamt auch gar nicht, hier wirklich detailliert zu prüfen. Da ist es interessanter, woanders die Energie reinzustecken und dort kann man auch neue Steueraufkommen da letztendlich generieren. Und das ist auch so ein Systemproblem, warum das Finanzamt als einzige staatliche Kontrollinstanz hier wirklich nicht im Sinne des Spenders sozusagen prüft.
Heise: Wie haben Sie das eigentlich geprüft, woher haben Sie Ihre Information denn auf Ihrer Seite www.charitywatch.de? Da sind ja doch einige Sachen aufgezeichnet oder nachvollzogen, die, ja wo was schief gelaufen ist.
Loipfinger: Ja also viele dieser Hinweise, die wir bekommen haben, kommen von irgendwelchen ehemaligen Mitarbeitern, von Insidern, die einfach auch mittlerweile kapieren, was da passiert, wie sich irgendjemand bereichert und der einfach sagt, Mensch das ist eine Sauerei. Und seit es eben CharityWatch gibt, gibt es sozusagen auch eine Plattform. So was gibt es leider sonst nicht mehr in Deutschland. Ich sage wirklich leider, denn mir wäre es lieber, wenn es noch zwei, drei andere geben würde, die den gleichen Ansatz verfolgen würden, und man nicht alleine immer da stehen würde. Und dann kommen eben solche Insider und sagen, ja wem könnte ich denn so was zustecken, wer könnte da dafür geeignet sein, um so was dann auch öffentlich zu machen. Und viele landen am Ende dann bei CharityWatch und das führt dazu, dass wir halt dann Informationen haben, die wir dann auch öffentlich machen und die dann am Ende auch darin münden in der Regel, dass ein Verein auf unsere Warnliste kommt. Bei uns gibt es eine Warnliste von Vereinen (mittlerweile sind es fast 100, es wären, wenn wir theoretisch mehr Kapazitäten hätten, dann wären es mit Sicherheit noch viel, viel mehr, auch diese 100 sind nur die Spitze des Eisberges sozusagen), vor denen wir ganz klar warnen. Und es sind teilweise sehr, sehr große Namen darunter, die, wo man gar nicht erwarten würde, dass von diesen Vereinen …
Heise: … nennen Sie die mal?
Loipfinger: … Man kann ja zum Beispiel mal im Tierschutzbereich, einer der größten, wenn nicht sogar der größte Verein im Tierschutzbereich ist "aktion tier". Die haben über 200.000 Mitglieder, das ist einer der ganz Großen, zweistellige Millionenbeträge, da ist sehr, sehr zweifelhaft, wofür die ihr Geld verwenden, beziehungsweise viel zu wenig Geld fließt in den aktiven Tierschutz.
Heise: Missbrauch und Betrug also keine Seltenheit im Bereich der wohltätigen Organisation in Deutschland. Zu der Auffassung ist Stefan Loipfinger gelangt, der Wirtschaftsjournalist, den hören Sie hier im Deutschlandradio Kultur. Auf Ihrer Internetseite CharityWatch.de hat man diese Informationen eben zu unterschiedlichsten Vereinen. Sie haben jetzt beispielsweise Tierschutzorganisationen herausgegriffen, Kinderhilfsdienste werden da genau so unter die Lupe genommen und die wehren sich natürlich gegen diese Schuldzuweisung Ihrerseits. Sie haben, wenn ich das richtig weiß, cirka zehn Verfahren am Hals. Ist es vielleicht doch nicht so eindeutig mit der Schuld, oder wie kommt das zustande?
Loipfinger: Na ja das ist jetzt ein Thema, das sprengt die Sendezeit, letztendlich ist das Presserecht. Es ist extrem kompliziert und wenn man auf ein, zwei Seiten beschreibt, warum ein Verein letztendlich unseriös ist oder nur zweifelhaft ist, dann findet irgendein findiger Rechtsanwalt (und das ist auch was, was ganz klar schon ein Warnsignal letztendlich ist, wie die Vereine hier umgehen mit dem Geld ihrer Spender, die nehmen dann nämlich Tausende von Euro, von Spendengeld, um Rechtsanwälte zu beauftragen, einen Fehler zu finden irgendwo in der Berichterstattung, die irgendwie angreifbar sein könnte, und setzen dann sofort, oder versuchen dann sofort anzusetzen, wo könnte man denn Gegendarstellung, wo könnte man denn Unterlassung fordern, wo könnte man denn irgendwo einen Teilsieg erringen? Denn das ist das Faszinierende an diesen ganzen Verfahren letztendlich: Es geht meistens um das Komma irgendwo zwischen den Zeilen, aber die Substanz, die wir natürlich – sonst würden wir es nicht veröffentlichen, sonst könnten wir es nie veröffentlichen, sonst gäbe es uns schon längst nicht mehr – die Substanz, das Wesentliche, das ist nicht angreifbar, das können wir letztendlich belegen, aber irgendwo eine Kleinigkeit wird dann angegriffen und am Ende heißt es dann, wir haben einen Sieg errungen, Loipfinger darf irgendwas oder CharityWatch darf irgendwas nicht mehr behaupten. Und für viele entsteht dann sofort der Eindruck, na ja, er musste irgendwas zurücknehmen, also ist doch nicht alles so schlimm und es entsteht ein falscher Eindruck.
Heise: Sie haben gesagt, Sie sind so ziemlich allein auf weiter Flur. Es gibt doch aber das Spendensiegel. Worin unterscheiden Sie sich denn davon?
Loipfinger: Ja das Spendensiegel ist im Wesentlichen eine Positivselektion. Das ist ein halbstaatliches Organ des DZI, Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen, die vergeben, wenn eine Organisation es beauftragt und dafür auch Geld bezahlt, dann wenn eben bestimmte Kriterien erfüllt werden, ein sogenanntes Spendensiegel. Das, was CharityWatch in erster Linie macht, und was der Name Watch als Watchdog-Organisation, das kommt aus dem Englischen, also eine Aufpasserorganisation in erster Linie schwerpunktmäßig macht, ist ja genau das Gegenteil: Eben zu sagen, hier ist Missbrauch oder hier ist was falsch, das macht das DZI so gut wie nicht oder nur ganz am Rande mal, dass sie irgendwo mal vor einem Verein warnt. Aber in der Regel, der Schwerpunkt der Arbeit liegt ganz klar in der Positivselektion, und wir sehen halt den Schwerpunkt im Endeffekt in der Negativselektion, und deswegen ist das ein ganz anderer Ansatz, den wir letztendlich verfolgen.
Heise: Ich würde gerne noch mal zur staatlichen Kontrolle zurückkommen. Die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Grünen zu diesem Thema zeigt, so sagen Sie jedenfalls, dass keine Schritte für gesetzliche Regelung zum Schutz der Spender geplant ist. Wäre da wahrscheinlich der Aufwand einfach zu groß und das Ergebnis zu mager?
Loipfinger: Nein, nein. Also ich glaube, der Aufwand wäre minimal, den man betreiben müsste. Die Grünen, Herr Dr. Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, hat das ja auch in einer Forderung sehr gut, finde ich, und sehr pragmatisch versucht, das Thema umzusetzen, indem er halt so ein Zentralregister mit Transparenzvorschriften fordert, wo eben Vereine dann bestimmte Dinge veröffentlichen müssen. Mit so einer kleinen Transparenzvorschrift könnte man schon wahnsinnig viel erreichen und das wäre kein Riesenaufwand, den man da produzieren müsste oder produzieren würde. Letztendlich, wenn ich eine private GmbH halte, muss ich auch Dinge öffentlich machen, bei einem gemeinnützigen Verein, finde ich zumindest ab einer bestimmten Größenordung (ich verlange nicht, dass irgendwo ein Taubenschutzverein, der 500 Euro im Jahr umsetzt, irgendwas 1000 Berichte veröffentlicht, das verlangt auch nicht Herr Schick), ab einer bestimmten Mindestgröße, wenn ein Verein aktiv Spenden sammelt eben, dass der dann auch verpflichtet ist, bestimmte Dinge zu veröffentlichen, das finde ich geht nicht zu weit.
Heise: Die Forderung von Stefan Loipfinger und den Grünen, er ist Gründer von CharityWatch.de. Vielen Dank, Herr Loipfinger, für das Gespräch!
Loipfinger: Ja sehr gerne, Frau Heise!
Stefan Loipfinger: Ja guten Tag, Frau Heise!
Heise: Sind die von mir geschilderten Fälle die Spitze eines Eisberges?
Loipfinger: Ich würde sagen, das ist die Spitze der Spitze einer Spitze des Eisberges.
Heise: Also schon Ausnahmen?
Loipfinger: Nein, eben keine Ausnahmen. Denn letztendlich, was ich mit der Spitze der Spitze meinte, ist, das ist das, was man sieht, was man wahrnimmt, das sind aber eben keine Einzelfälle. Der Missbrauch im Spendenbereich ist leider ein systemimmanentes Problem. Eins der ganz zentralen Probleme, warum auch der Missbrauch so leicht gemacht wird, warum jemand, der vorhat, hier zu betrügen oder den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen und sich selbst zu bereichern, vielleicht dann das im Spendenbereich tut, ist letztendlich begründet darin, dass es keine Transparenz gibt. Es gibt keine Vorschriften, dass man irgendwas veröffentlichen muss, man muss einem Spender – und das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen, das ist Realität in Deutschland – man muss einem Spender nicht sagen, was man mit seinem Geld getan hat.
Heise: Das heißt, welche Möglichkeiten hat der Spender, irgendwas nachzuvollziehen?
Loipfinger: Also letztendlich sollte ein Spender immer, und das ist auch ein ganz, ganz wichtiges Qualitätskriterium, bei einem Verein, bevor er spendet, erst mal fragen, ob ihm der Verein sagt, wie viel Spenden er denn in den letzten ein, zwei Jahren eingenommen hat, und vor allem was er mit diesen Spenden gemacht hat. Wenn ein Verein diese Auskünfte nicht geben will, dann kann er diesen Verein getrost schon mal gleich in Anführungszeichen "in den Papierkorb werfen", also sprich: den Spendenaufruf von diesem Verein in den Papierkorb werfen.
Heise: Welche Möglichkeiten der Kontrolle hat eigentlich der Staat? Denn immerhin bedeutet ja gemeinnützig (ich habe ja eben von zwei gemeinnützigen Vereinen gesprochen), gemeinnützig bedeutet, dass ja der Verein teilweise oder ganz von den Steuern befreit ist. Das heißt, der Staat muss doch eigentlich kontroll… ja eigentlich Kontrolle wollen?
Loipfinger: Ja, jein. Das muss man sich einfach mal so vorstellen: Letztendlich ist für die Gemeinnützigkeit zuständig das Finanzamt. Das Finanzamt sagt, o.k., lieber Verein, da muss, gibt es bestimmte Kriterien, ein Kriterium, ein wesentliches Kriterium ist zum Beispiel, dass mehr als 50 Prozent – 50, nur 50! – 50 Prozent der Gelder für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden. Wobei wie das abgegrenzt wird, was ist eigentlich satzungsgemäß und was nicht, ist auch schon wieder ein anderes Thema, über das man auch lange diskutieren kann. Und wenn das ein Verein schafft und eben über 50 Prozent zumindest auf dem Papier nachweist als satzungsgemäße Ausgabe, dann bekommt er vom Finanzamt die Gemeinnützigkeit bestätigt. So einfach ist die Hürde und letztendlich prüft das Finanzamt meistens (es gibt Ausnahmefälle, wo ein Finanzbeamter seinen Job sehr ernst nimmt und dann auch einfach wirklich detaillierter das Ding hinterfragt), aber in der Regel ist es einfach so: Da ja eh kein Steueraufkommen produziert wird von einem Verein, weil der keine Steuern praktisch bezahlt, und auch wenn er nicht gemeinnützig ist, dann gibt er das Geld wieder aus und wird keine Steuern im Endeffekt bezahlen oder zumindest keine nennenswerten, rentiert sich es für das Finanzamt auch gar nicht, hier wirklich detailliert zu prüfen. Da ist es interessanter, woanders die Energie reinzustecken und dort kann man auch neue Steueraufkommen da letztendlich generieren. Und das ist auch so ein Systemproblem, warum das Finanzamt als einzige staatliche Kontrollinstanz hier wirklich nicht im Sinne des Spenders sozusagen prüft.
Heise: Wie haben Sie das eigentlich geprüft, woher haben Sie Ihre Information denn auf Ihrer Seite www.charitywatch.de? Da sind ja doch einige Sachen aufgezeichnet oder nachvollzogen, die, ja wo was schief gelaufen ist.
Loipfinger: Ja also viele dieser Hinweise, die wir bekommen haben, kommen von irgendwelchen ehemaligen Mitarbeitern, von Insidern, die einfach auch mittlerweile kapieren, was da passiert, wie sich irgendjemand bereichert und der einfach sagt, Mensch das ist eine Sauerei. Und seit es eben CharityWatch gibt, gibt es sozusagen auch eine Plattform. So was gibt es leider sonst nicht mehr in Deutschland. Ich sage wirklich leider, denn mir wäre es lieber, wenn es noch zwei, drei andere geben würde, die den gleichen Ansatz verfolgen würden, und man nicht alleine immer da stehen würde. Und dann kommen eben solche Insider und sagen, ja wem könnte ich denn so was zustecken, wer könnte da dafür geeignet sein, um so was dann auch öffentlich zu machen. Und viele landen am Ende dann bei CharityWatch und das führt dazu, dass wir halt dann Informationen haben, die wir dann auch öffentlich machen und die dann am Ende auch darin münden in der Regel, dass ein Verein auf unsere Warnliste kommt. Bei uns gibt es eine Warnliste von Vereinen (mittlerweile sind es fast 100, es wären, wenn wir theoretisch mehr Kapazitäten hätten, dann wären es mit Sicherheit noch viel, viel mehr, auch diese 100 sind nur die Spitze des Eisberges sozusagen), vor denen wir ganz klar warnen. Und es sind teilweise sehr, sehr große Namen darunter, die, wo man gar nicht erwarten würde, dass von diesen Vereinen …
Heise: … nennen Sie die mal?
Loipfinger: … Man kann ja zum Beispiel mal im Tierschutzbereich, einer der größten, wenn nicht sogar der größte Verein im Tierschutzbereich ist "aktion tier". Die haben über 200.000 Mitglieder, das ist einer der ganz Großen, zweistellige Millionenbeträge, da ist sehr, sehr zweifelhaft, wofür die ihr Geld verwenden, beziehungsweise viel zu wenig Geld fließt in den aktiven Tierschutz.
Heise: Missbrauch und Betrug also keine Seltenheit im Bereich der wohltätigen Organisation in Deutschland. Zu der Auffassung ist Stefan Loipfinger gelangt, der Wirtschaftsjournalist, den hören Sie hier im Deutschlandradio Kultur. Auf Ihrer Internetseite CharityWatch.de hat man diese Informationen eben zu unterschiedlichsten Vereinen. Sie haben jetzt beispielsweise Tierschutzorganisationen herausgegriffen, Kinderhilfsdienste werden da genau so unter die Lupe genommen und die wehren sich natürlich gegen diese Schuldzuweisung Ihrerseits. Sie haben, wenn ich das richtig weiß, cirka zehn Verfahren am Hals. Ist es vielleicht doch nicht so eindeutig mit der Schuld, oder wie kommt das zustande?
Loipfinger: Na ja das ist jetzt ein Thema, das sprengt die Sendezeit, letztendlich ist das Presserecht. Es ist extrem kompliziert und wenn man auf ein, zwei Seiten beschreibt, warum ein Verein letztendlich unseriös ist oder nur zweifelhaft ist, dann findet irgendein findiger Rechtsanwalt (und das ist auch was, was ganz klar schon ein Warnsignal letztendlich ist, wie die Vereine hier umgehen mit dem Geld ihrer Spender, die nehmen dann nämlich Tausende von Euro, von Spendengeld, um Rechtsanwälte zu beauftragen, einen Fehler zu finden irgendwo in der Berichterstattung, die irgendwie angreifbar sein könnte, und setzen dann sofort, oder versuchen dann sofort anzusetzen, wo könnte man denn Gegendarstellung, wo könnte man denn Unterlassung fordern, wo könnte man denn irgendwo einen Teilsieg erringen? Denn das ist das Faszinierende an diesen ganzen Verfahren letztendlich: Es geht meistens um das Komma irgendwo zwischen den Zeilen, aber die Substanz, die wir natürlich – sonst würden wir es nicht veröffentlichen, sonst könnten wir es nie veröffentlichen, sonst gäbe es uns schon längst nicht mehr – die Substanz, das Wesentliche, das ist nicht angreifbar, das können wir letztendlich belegen, aber irgendwo eine Kleinigkeit wird dann angegriffen und am Ende heißt es dann, wir haben einen Sieg errungen, Loipfinger darf irgendwas oder CharityWatch darf irgendwas nicht mehr behaupten. Und für viele entsteht dann sofort der Eindruck, na ja, er musste irgendwas zurücknehmen, also ist doch nicht alles so schlimm und es entsteht ein falscher Eindruck.
Heise: Sie haben gesagt, Sie sind so ziemlich allein auf weiter Flur. Es gibt doch aber das Spendensiegel. Worin unterscheiden Sie sich denn davon?
Loipfinger: Ja das Spendensiegel ist im Wesentlichen eine Positivselektion. Das ist ein halbstaatliches Organ des DZI, Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen, die vergeben, wenn eine Organisation es beauftragt und dafür auch Geld bezahlt, dann wenn eben bestimmte Kriterien erfüllt werden, ein sogenanntes Spendensiegel. Das, was CharityWatch in erster Linie macht, und was der Name Watch als Watchdog-Organisation, das kommt aus dem Englischen, also eine Aufpasserorganisation in erster Linie schwerpunktmäßig macht, ist ja genau das Gegenteil: Eben zu sagen, hier ist Missbrauch oder hier ist was falsch, das macht das DZI so gut wie nicht oder nur ganz am Rande mal, dass sie irgendwo mal vor einem Verein warnt. Aber in der Regel, der Schwerpunkt der Arbeit liegt ganz klar in der Positivselektion, und wir sehen halt den Schwerpunkt im Endeffekt in der Negativselektion, und deswegen ist das ein ganz anderer Ansatz, den wir letztendlich verfolgen.
Heise: Ich würde gerne noch mal zur staatlichen Kontrolle zurückkommen. Die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Grünen zu diesem Thema zeigt, so sagen Sie jedenfalls, dass keine Schritte für gesetzliche Regelung zum Schutz der Spender geplant ist. Wäre da wahrscheinlich der Aufwand einfach zu groß und das Ergebnis zu mager?
Loipfinger: Nein, nein. Also ich glaube, der Aufwand wäre minimal, den man betreiben müsste. Die Grünen, Herr Dr. Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, hat das ja auch in einer Forderung sehr gut, finde ich, und sehr pragmatisch versucht, das Thema umzusetzen, indem er halt so ein Zentralregister mit Transparenzvorschriften fordert, wo eben Vereine dann bestimmte Dinge veröffentlichen müssen. Mit so einer kleinen Transparenzvorschrift könnte man schon wahnsinnig viel erreichen und das wäre kein Riesenaufwand, den man da produzieren müsste oder produzieren würde. Letztendlich, wenn ich eine private GmbH halte, muss ich auch Dinge öffentlich machen, bei einem gemeinnützigen Verein, finde ich zumindest ab einer bestimmten Größenordung (ich verlange nicht, dass irgendwo ein Taubenschutzverein, der 500 Euro im Jahr umsetzt, irgendwas 1000 Berichte veröffentlicht, das verlangt auch nicht Herr Schick), ab einer bestimmten Mindestgröße, wenn ein Verein aktiv Spenden sammelt eben, dass der dann auch verpflichtet ist, bestimmte Dinge zu veröffentlichen, das finde ich geht nicht zu weit.
Heise: Die Forderung von Stefan Loipfinger und den Grünen, er ist Gründer von CharityWatch.de. Vielen Dank, Herr Loipfinger, für das Gespräch!
Loipfinger: Ja sehr gerne, Frau Heise!