Charles Foster: "Der Geschmack von Laub und Erde"

Das Leben aus der Perspektive eines Tieres

Ein Dachs im Tierpark Eeckholt in der Nähe des schleswig-holsteinischen Großenaspe.
Leben wie ein Dachs, das hat der englische Tierarzt Charles Foster ausprobiert. © picture alliance / dpa / Carsten Rehder
Von Michael Lange |
Skurrile Zivilisationsflucht: Tierarzt Charles Foster lebt versuchsweise wie ein Tier im Wald. Das gestattet ihm einen neuen Blick aufs eigene Menschsein. Seinen augenzwinkernden Bericht lesen auch Zivilisationsfreunde mit Gewinn.
Statt wilde Tiere nur zu beobachten, will Charles Foster das Leben der Tiere mit eigenen Sinnen erfahren. Der Tierarzt, der in Oxford Ethik und Rechtsmedizin lehrt, haust unter der Erde wie ein Dachs, taucht im Fluss wie ein Otter oder stöbert in Mülleimern wie ein Fuchs.
Augenzwinkernd versucht der Engländer seinen Lesern klarzumachen, was ihn antreibt. Er will aus der ungeliebten Zivilisation fliehen und seine Umwelt nach dem Vorbild der Tiere neu erkunden. Sein Ziel ist es, Wildtiere in ihrem Lebensraum kennenzulernen, ihre Perspektive einzunehmen, ohne sie zu vermenschlichen. Forster präsentiert sich dabei als skurriler Entdecker, der letztlich mehr über sein Menschsein erfährt als über die Tiere.
Buchcover Charles Foster: "Der Geschmack von Laub und Erde"
Charles Foster: "Der Geschmack von Laub und Erde"© Malik Verlag
Um ein Leben wie ein Dachs zu führen, trainiert der Tierarzt zunächst seine Nase. Er legt verschiedene Käsesorten im Haus aus und verbindet sich die Augen. Nun übt er so lange, bis er jedes Zimmer am Geruch erkennen kann. Dann gräbt er mit Hilfe eines Nachbarn eine dunkle, schmale Höhle am Waldrand und zieht dort zusammen mit seinem Sohn ein. Nachts erkunden die beiden ihren neuen Lebensraum, immer mit der Nase am Boden. Die "Dachsmenschen" lernen Würmer in verschiedenen Geschmacksrichtungen kennen und markieren ihr Revier mit den eigenen Fäkalien. Fosters Bewunderung für den Dachs und für dessen Fähigkeiten und Heimatverbundenheit wächst von Tag zu Tag.

Die Beziehung zwischen Mensch und Tier

Die ökologischen Zusammenhänge oder die biologischen Fähigkeiten verschiedener Arten spielen für Charles Foster kaum eine Rolle. Er konzentriert sich darauf, wie Tiere ihre Umwelt wahrnehmen und versucht deren Gefühlswelt kennenzulernen. Letztlich geht es dabei nicht um eine möglichst objektive Beschreibung der Tierwelt, sondern um die viel diskutierte Beziehung zwischen Mensch und Tier. Charles Foster beschreibt immer wieder seine persönlichen Gefühle: die hektische Nahrungssuche des Otters bleibt ihm fremd, dafür bewundert er die Gelassenheit des Dachses.
Die gefühlsbetonte Sichtweise Fosters erinnert an den Bestseller-Förster Peter Wohlleben. Durch beide Autoren erhält die Natur einen neuen Wert, nicht nur als Wirtschaftsfaktor oder Ökosystem, sondern als Ort mit Seele. Ähnlich wie Wohlleben vermischt Foster Fakten und Empfindungen und verwirklicht konsequent eine Form von Naturforschung, wie sie Alexander von Humboldt vor über 200 Jahren forderte. Demnach soll der Mensch die Natur gleichermaßen mit dem Verstand und mit dem Gemüt erfassen. Während in der Wissenschaft der Verstand regiert, lässt Foster seine Gefühlswelt einfließen und ist nach heutigem Verständnis eher Dichter als Wissenschaftler.
Charles Foster regt dazu an, neu über die Beziehung zwischen Mensch und Tier nachzudenken. Er hinterfragt die Rolle des Menschen in einer unnatürlichen Umwelt, die er selbst geschaffen hat, und wünscht sich ein "Zurück zur Natur". Das klingt manchmal realitätsfern, aber auch wer die grundsätzliche Zivilisationskritik nicht teilt, kann das Buch genießen, zumal der Autor seine Einsichten immer mit einem Schuss Selbstironie würzt.

Charles Foster: "Der Geschmack von Laub und Erde – Wie ich versuchte, als Tier zu leben"
Aus dem Englischen von Gerlinde Schermer-Rauwolf und Robert A. Weiß
Malik Verlag, München 2017
288 Seiten, 22,- Euro