Charles Gounods "Faust" in Salzburg

Ein starkes Opernerlebnis

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Ildar Abdrazakov als Méphistophélès und Piotr Beczala als Faust © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus
Von Franziska Stürz |
Charles Gounods "Faust" beschließt den Neuinszenierungsreigen der diesjährigen Salzburger Festspiele. Regisseur Reinhard von der Thannen deutet das Spektakel als Gesellschafts-Drama: Im Publikum streiten sich die Geister mit Bravo- und Buh-Rufen am Ende über die Inszenierung.
Als szenisches Gesamtkunstwerk Reinhard von der Thannens präsentieren die Salzburger Festspiele erstmal Charles Gounods romantische Faust-Oper mit Pjotr Beczala in der Titelpartie unter der musikalischen Leitung des Argentiniers Alejo Pérez. Der legt seinen interpretatorischen Schwerpunkt klar auf die dramatischen, die wuchtigen Elemente der Musik. Typisch französische Leichtigkeit blitzt nur ganz selten auf, und die Wiener Philharmoniker scheinen sich doch etwas gegen die breiten Tempi und den pastosen Klang zu sträuben. Dennoch überzeugt der fast vierstündige Opernabend durch grandiose musikalische Momente mit großen Stimmen und durch ein faszinierendes szenisches Gesamtkonzept.
Reinhard von der Thannen hat einen futuristischen, weißen Raum auf die weite, schwer bespielbare Cinemascope-Bühne des großen Festspielhauses gebaut: Ein bisschen Raumschiff, ein bisschen Showbühne mit kunstvollen, assoziativen Bühnenelementen. Die schwarz-weiß Ästhetik und das kreisrunde Augen-Guckloch im Hintergrund erinnern stark an den Bayreuther Lohengrin. Aber auch für dieses Gesellschafts-Drama passt die sterile, kalte Umgebung.

Raumfüllende Massenszenen

Der große Philharmonia Chor Wien erschient in uniformen Clownsanzügen und vollführt begleitet von einer Tanztruppe eindrucksvoll choreografierte, raumfüllende Massenszenen. Von der Thannen sieht den Faust als Künstlerpersönlichkeit in der Krise, im Nichts, auf der Suche nach Sinn und Sinnlichkeit. Im schwarzen Clownskostüm hockt Faust zu Beginn einsam zwischen Papierstapeln, beäugt von vier schwarzen Raben. Dann erscheint der sängerisch und spielerisch überzeugende Ildar Abdrazakov als verführerisch - dämonischer Méphistophélès und bringt einen mobilen Schminktisch mit. Fausts Verwandlung kann beginnen. Großartig gestaltet Piotr Beczala den zu neuer Jugend erwachten Faust mit in allen Lagen strahlendem Tenor. Maria Agresta verströmt ihre herrliche Stimme als Marguerite in durchgehend elegischen Tempi. Eine wirkliche Entwicklung des jungen Mädchens zur gefallenen Frau ist daher bei ihr nicht zu erleben. Trotzdem ist Agresta eine weitere starke Stimme dieser Festspielproduktion, ebenso wie Alexey Markov als mächtiger Valentin und Tara Erraught als helltönender Siébel.
Von der Thannens Bildsprache ist ohne umfassende kunsthistorische Kenntnisse nicht immer leicht zu entschlüsseln, aber das riesige aus dem Schnürboden tanzende Skelett zum Aufmarsch des Soldatenchores nach "A Chorus Line"- Manier ist mehr als deutlich. Seine Personenführung ist fein und zielt glücklicherweise auch auf die komischen, verspielten Elemente dieser Oper. So streiten sich zwar die Geister im Publikum mit Bravo und Buh am Ende über die Inszenierung, gelangweilt hat man sich aber mit Sicherheit nicht. Dieser neue Salzburger Faust bewegt und bietet endlich einmal wieder anspruchsvolle künstlerische Auseinandersetzung mit einem bekannten Werk. Ein starkes Opernerlebnis!
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