Charles Pépin: "Sich selbst vertrauen. Kleine Philosophie der Zuversicht"
Aus dem Französischen von Caroline Gutberlet
Hanser Verlag, München 2019,
222 Seite, 17 Euro
Das Glas ist halbvoll - mindestens
06:19 Minuten
Der Philosoph Charles Pépin schreibt in seinem Buch "Sich selbst vertrauen" eine ebenso gewitzte wie intellektuell profunde "Kleine Philosophie der Zuversicht". Es zeigt: Optimismus, falls skeptisch-realistisch grundiert, muss keineswegs platt sein.
Charles Pépin ist Schriftsteller und unterrichtet an Pariser Schulen. Sein 2017 publiziertes Buch "Die Schönheit des Scheiterns" war ein enormer Erfolg, und auch "Sich selbst vertrauen", soeben in deutscher Übersetzung erschienen, fand in Frankreich eine immense Leserschaft. Ist der 46-Jährige also ein "Populärphilosoph", womit gemeinhin eher eine dünnbrettbohrende Ranschmeißerei beschrieben ist, quasi ein Pendant zum Fernsehprediger?
Charles Pépin, dessen Stil in der Tat von kristalliner Eleganz ist, macht es jedoch weder sich noch seinen Lesern allzu einfach: Seine reflektierte Eloge auf die positive Kraft des Selbstvertrauens bietet keine platt ermunternden Kalendersprüche feil, sondern räumt, wenn auch charmant und nie ätzend polemisch, mit einigen besonders beliebten Stereotypen auf. Denn nein, Selbstvertrauen ist kein Euphemismus für Ego-Shooting, sondern kann sich nur im Austausch mit anderen entwickeln, die dabei auf gleicher Augenhöhe wahrgenommen werden müssen.
Selbstoptimierung ist nicht gleich Selbstvertrauen
Erfolgsgarantien gibt es keine, obwohl wirkliches Selbstvertrauen – das ein Vertrauen ins eigene Potenzial von Wachsamkeit und Skepsis mit einschließt – auch vor der Existenz des Bösen, des Irrationalen oder schlicht nicht Vorhersehbaren keinesfalls die Augen verschließt. Auch habe gelebte Freiheit nichts zu tun mit der illusionären Abwesenheit jeglicher Zwänge, sondern mit einem Mut zur Entscheidung, der gleichwohl das Risiko des Sich-Irrens nicht verdränge.
Pépin verweist hier auf die konkrete Lebenswirklichkeit von Notärzten und Piloten, auf die von Maria Montessori begründete Pädagogik, aber auch auf Jean-Paul Sartres Existenzbegriff. "Selbstvertrauen als eine Philosophie des Handelns darzulegen, bedeutet, eine existenzialistische Lesart vorzuschlagen, keine essenzialistische."
Letztere ginge nämlich davon aus, dass Selbstvertrauen als Teil eines unveränderlichen Ego "schon immer da" sei – und dann lediglich mit Hilfe einiger esoterischer Plattitüden wachgeküsst werden müsse. Solches werde zur Zeit besonders in den Ratgeberclips auf Youtube propagandiert: Mechanische Do-it-yourself-Regeln, die letztlich nur falsche Erwartungen und damit Unglück produzierten.
Pépin lässt sich auf solchen Budenzauber nicht ein, definiert "selbstbewusstes Handeln" auch nicht als eine mystische "Tat an sich", sondern fragt stets nach den ethischen Konsequenzen. "Selbstvertrauen ist ein Ideal der Moderne, getragen von der Herausbildung demokratischer Prinzipien und der Arbeit der Philosophen der Aufklärung."
Ein paar Beispiele aus der Welt hätten nicht geschadet
Freilich scheint sich hier Charles Pépin ein wenig um die Frage herumzumogeln, ob nicht eine Trennung oder zumindest Distanz zwischen Staat und wie auch immer gearteter Religion eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass ein Zutrauen zu den eigenen Möglichkeiten entstehen, ja überhaupt gedacht werden kann. Und wie sieht es mit den politisch-sozialen Rahmenbedingungen aus, die beileibe nicht überall auf der Welt diejenigen einer diskursiven Mittelschicht-Gesellschaft sind?
Um dem falschen Verdacht zuvorzukommen, dieses Buch sei trotz seiner Meriten dann doch wieder eine eurozentristische Binnenreflexion, hätten vielleicht ein paar Beispiele aus der weiten Welt der fortgesetzten Repression nicht geschadet, die vom tapfer erarbeiteten Selbstvertrauen jener zeugen, die mit den schwierigsten Startbestimmungen zu kämpfen haben. Allerdings: Es sind gewiss nicht die schlechtesten Bücher, von denen man sich einen solchen Appendix, eine Erweiterung oder gar eine Fortsetzung erhofft.