Charlie Chaplin/David Robinson (Hrsg.): Footlights – Rampenlicht, Die Welt Charlie Chaplins
Aus dem Englischen von Lotta Rüegger und Holger Wolandt
Bertelsmann Verlag, München 2015
301 Seiten, 29,99 Euro
Der alte Clown und die Tänzerin
60 Jahre lag das Manuskript im Archiv: Die traurige Geschichte eines alternden Clowns. Charlie Chaplins einziger literarischer Text bildete 1952 die Grundlage für seinen Film "Limelight/Rampenlicht". Jetzt erscheint die literarische Sensation erstmals auf Deutsch.
Im Februar letzten Jahres konnte man ein besonderes Jubiläum feiern: Vor 100 Jahren war Charlie Chaplin zum ersten Mal als Tramp aufgetreten. Aus diesem Anlass wurde im British Film Institute in London – in Anwesenheit der über 80-jährigen "Limelight"-Hauptdarstellerin Claire Bloom – ein sensationeller Fund präsentiert: sein einziges literarisches Werk, ein Kurzroman (eigentlich eher eine Erzählung), den Chaplin 1948 seiner Sekretärin diktiert hatte.
Gefunden worden war er im Filmarchiv in Bologna. Dort wird der Nachlass des großen Kinokünstlers betreut, der offenbar aus unglaublich umfangreichen Kisten, Zetteln und Ordnern besteht.
Ein ehemals erfolgreicher, inzwischen abgehalfterter und mittelloser alter Clown rettet eine verzweifelte junge Balletttänzerin vor dem Selbstmord. Er verhilft ihr zu einer großen Karriere, verliebt sich in sie und stirbt am Ende bei einem triumphalen Abschiedsauftritt. Eine melancholische Geschichte, an der Chaplin viel feilte und änderte, die nicht zuletzt seine eigene Lage als alternder (und sein Publikum verlierender) Künstler reflektierte.
Der Chaplin-Experte David Robinson hat eine gut lesbare und berührende Fassung erstellt und mit vielen Anmerkungen und Hintergrundmaterial versehen.
Lebensgeschichtliche Hintergründe
Wie Chaplin arbeitete, wann sich seine professionelle Lage grundsätzlich verändert hatte, das erfährt man in dem reich bebilderten Band ebenso wie der lebensgeschichtliche Hintergrund der Geschichte deutlich wird. Seine Jugend verbrachte Charlie Chaplin in dem Milieu, in dem die Tänzerin und der Clown sich bewegen. Seine Eltern waren – erfolglose – Theaterkünstler, er selber betrat die Bühne bereits als Kind, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Dem Londoner Theaterbezirk Soho ist deswegen hier ein kenntnisreiches Kapitel gewidmet ebenso wie der verzweigten Familiengeschichte.
Dass und wie sehr sich Charlie Chaplin in der Figur des alten Clowns spiegelte, lässt sich nicht zuletzt an der Beschreibung eines Bühnenkostüms seines Helden ablesen, das eher zum Tramp als zum Clown gehört:
"Seine Schminke war lächerlich: ein Zweifingerschnurrbart, eine kleine Melone, ein enger Frack, zu weite Hosen und zu große, alte Schuhe."
Der Film, der – nach diesem Romanfragment und einer langen Vorlaufzeit – schließlich gedreht wurde, war Chaplins letzter in Hollywood. Nachdem er für die europäische Premiere nach England geflogen war, verweigerte man ihm wegen angeblich linker Sympathien die erneute Einreise in die USA.