Entschlossen gegen Nazi-Deutschland positioniert
Kurz nach Hitlers Einmarsch in Polen begann Charlie Chaplin mit den Dreharbeiten für den "Großen Diktator". Mit dem selbstfinanzierten Film feierte er in den USA einen riesigen Erfolg. Heute vor 75 Jahren war die Uraufführung in New York.
Das teutonisch angehauchte Kauderwelsch ist längst zum Erkennungszeichen des erfolgreichsten Chaplin-Films aller Zeiten geworden. "Der große Diktator" hat entgegen vieler Befürchtungen schon bald nach der Premiere am 15. Oktober 1940 seinen Siegeszug rund um den Globus angetreten. Es war der erste amerikanische Film, der gegen Nazi-Deutschland unmissverständlich Position bezog.
Chaplin ließ sich weder von der ablehnenden Haltung Hollywoods noch von den Protesten aus England, wo man an das Münchner Abkommen glaubte, von seinem Vorhaben abbringen. Der Film wäre nie entstanden, wenn er ihn nicht selbst produziert und finanziert hätte.
"Democratzy: Shtunk.
Liberty: Shtunk.
Free spreken: Shtunk! "
Liberty: Shtunk.
Free spreken: Shtunk! "
Der Diktator stellt "Vom Winde verweht" in den Schatten
Chaplin hatte lange gezögert, den Sprung zum Tonfilm zu wagen. "Wenn ich sprechen würde, wäre ich ein Komödiant wie jeder andere auch," schrieb Chaplin später. Diese Gefahr bannte das Filmgenie schon durch seine Doppelrolle als Diktator Adenoid Hynkel von Tomanien und als der kleine jüdische Friseur aus dem Getto, der stark an seinen "Tramp" erinnert.
Die Hitlerfigur stellte nicht nur wegen der äußerlichen Ähnlichkeit der beiden eine besondere Herausforderung dar. Für Chaplin war Hitler ein Schauspieler, aber auch ein Monstrum, das er genau studierte. Bis zur Premiere von "Der große Diktator" in New York hagelte es Drohbriefe, aber dann wendete sich das Blatt. Das Publikum war hingerissen; die Zahlen stellten sogar das Südstaatenepos "Vom Winde verweht" in den Schatten.
Die amerikanische Kritik reagierte jedoch überwiegend verhalten, lehnte auch die politischen Ambitionen des Unterhaltungskünstlers ab. Die "New York Times" dagegen schrieb am 16. Oktober 1940:
"Es ist keine billige Possenreisserei, keine drollige, mit sanftem Humor vorgetragene Sozialsatire in der Art von Chaplins früheren Filmen. 'Der große Diktator' ist ein von Grund auf tragisches Werk – oder tragi-komisch im klassischen Sinne – mit einem bitteren Beigeschmack. Im Mittelpunkt steht das unglückliche Häuflein der Aufrechten in einem totalitären Staat, die ganze hass erfüllte Unterdrückung, die alles Humane aus den Seelen der Menschen herausgepresst hat. Mit verblüffender Echtheit enthüllt der Film aber auch die Charakterschwächen, die verblasene Selbstverliebheit, wenn nicht den blanken Irrsinn eines Diktators: Adolf Hitler."
"Alles oder nichts. Ich habe es in der Hand."
Schlussrede stößt auf Ablehnung
Der traumverlorene Tanz des Diktators mit dem Luftballon als Weltkugel, verbrämt mit Wagnerklängen, gehört zu den Sternstunden des Kinos. Chaplin hatte das Drehbuch Anfang September 1939 fertig, der Film war Ende März 1940 so gut wie abgedreht. Über die folgenden Kriegsereignisse und die Gräuel in den Konzentrationslagern konnte er nichts wissen – sonst hätte er den Film gar nicht gemacht.
Aber schon damals war für Chaplin die sechs Minuten lange Schlussrede besonders wichtig: ein leidenschaftlicher Appell an die Soldaten und an die ganze Welt für Demokratie, Frieden und Menschlichkeit. Hier spricht weder Diktator noch Friseur, sondern Charles Spencer Chaplin persönlich:
"You, the people have the power to make this life free and beautiful, to make this life a wonderful adventure. Then in the name of democracy let us use that power, let us all unite!"
Die flammende Rede stieß aus politischen, vor allem aber aus formalen, filmästhetischen Gründen auf einhellige Ablehnung, weil Chaplin damit die Handlungsebene des Films verlasse und sich direkt an die Zuschauer richte, um seine Botschaft zu verkünden.
"Was Botschaften anbelangt – die sind als Unterhaltung ziemlich langweilig."
So äußerte sich der große Entertainer später scherzhaft zu einem Journalisten anlässlich der Verleihung eines Ehrendoktors in Oxford. Sein Film "Der große Diktator" war damit nicht gemeint. Dessen Botschaft ist heute nicht weniger aktuell als damals.