"Charlie Hebdo" auf Deutsch

Der große Lacher bleibt aus

Das Cover der ersten deutschen Ausgabe "Charlie Hebdo"
Das Cover der ersten deutschen Ausgabe "Charlie Hebdo" © dpa / picture alliance / Lino Mirgeler
Rainer Hachfeld im Gespräch mit Nana Brink |
Nach der Lektüre der ersten deutschen Ausgabe von "Charlie Hebdo" zeigt sich der Karikaturist Rainer Hachfeld eher enttäuscht. Er vermisst den Biss und findet, dass es viel härtere und witzigere Merkel-Karikaturen aus der Feder deutscher Zeichner gegeben habe.
Der Karikaturist Rainer Hachfeld zeichnet Karikaturen für deutsche und französische Zeitungen. Er ist treuer Abonnement der französischen Ausgabe von "Charlie Hebdo" und zeigt sich deshalb nach der Lektüre der neuen deutschen Ausgabe wenig überrascht: "Es ist ein typischer "Charlie Hebdo"-Titel, großzügig gezeichnet", sagte er im Deutschlandradio Kultur "Ob man das nun lustig findet mit dem Auspuff oder nicht, ich meine, das ist der typische derbe Humor, den "Charlie Hebdo" auf dem Titel immer bringt, etwas reißerisch." Das Blatt ist in Deutschland am 1. Dezember erstmals erschienen und trägt Angela Merkel auf dem Titelbild, der in einer VW-Werkstatt ein neuer Auspuff verpasst werden soll.
"Mir fehlt auch der Biss", sagte der Karikaturist "Ich meine, da gibt es natürlich von Deutschen viel mehr härtere und witzigere Zeichnungen, ich nehme an, das ist so eine Pflichtübung von diesen beiden … der Zeichnerin Coco und dem Zeichner Jean. Die anderen sind ja gar nicht dabei. Es kommt dann noch mal auf der fünften Seite eine Spalte mit zwei, drei Merkel-Witzen, die sind auch nicht viel witziger." Hachfeld vermutete, dies sei ein Zugeständnis an die erhofften deutschen Leser.

"Charlie" kurz angeblättert und kommentiert

Hachfeld bezweifelt, dass sich der derbe französische Humor angemessen übersetzen lasse. "Hierzulande ist man auch etwas beschränkt, was Humor betrifft", sagte er. Er mache selbst die Erfahrung, dass in der "Zeit" selbst ein nackter Hintern nicht ins Blatt komme. "Gerade beim gezeichneten Humor ist man hier, na ja, vielleicht auf "Eulenspiegel" und "Titanic" angewiesen, aber die sind auch nicht so krass wie Charlie Hebdo einmal war."
Seit dem Terroranschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" in Paris im 7. Januar 2015 sei aber auch die Qualität der französischen Ausgabe massiv gesunken. Damals wurden zwölf Menschen, darunter fünf prominente Karikaturisten aus dem Redaktionsteam der Zeitschrift, einschließlich des Herausgebers ermordet. "Denn solche Leute wie Wolinski und Cabut sind einfach nicht zu ersetzen", sagte Hachfeld. "Das war ein Einschnitt qualitativer Art, der also nicht mehr aufzuholen ist."

Das Interview im Wortlaut:

Nana Brink: "Charlie" macht’s auf Deutsch! "Charlie" freut sich ankündigen zu dürfen, dass die Sprachbarriere für unseren Humor jenseits des Rheins kein Hindernis mehr darstellt. Ab Donnerstag, den 1. Dezember 2016, kommt eine deutsche Ausgabe der Zeitung in den Kiosk – so hat es "Charlie Hebdo", die Kultzeitschrift aus Frankreich, angekündigt. Und wie gesagt, die Ausgabe ist da, wir haben sie hier schon auf dem Tisch liegen, Sie hören, ich blättere gerade darin. Und Rainer Hachfeld, Karikaturist und Bühnenautor, hat sie auch schon auf dem Frühstückstisch liegen. Schönen guten Morgen!
Rainer Hachfeld: Guten Morgen!
Brink: Ihr erster Eindruck? Also, der erste Eindruck ist mal knallgelb, da liegt Angela Merkel auf einem, ja, Reparaturkasten, kann man sagen, darunter steht: "Ein neuer Auspuff und es geht noch vier Jahre weiter!" – Hm, ist das lustig?
Hachfeld: Nun ja, es ist ein typischer "Charlie Hebdo"-Titel, großzügig gezeichnet. Und na ja, ob man das nun lustig findet mit dem Auspuff oder nicht, ich meine, das ist der typische derbe Humor, den "Charlie Hebdo" auf dem Titel immer bringt, etwas reißerisch. Aber warum nicht? Ich meine …

Karikaturen über Merkel

Brink: Blättern wir doch mal weiter. Wo sind Sie denn hängen geblieben?
Hachfeld: Erst mal auf der zweiten Seite mit neun Karikaturen über Merkel, dann habe ich natürlich das Editorial gelesen, wo quasi nur Werbung für diese deutsche Ausgabe gemacht wird. Im Grunde genommen habe ich, da ich die französische abonniert habe, gesucht, was fehlt. Und ich stelle fest, es fehlt eigentlich nichts, es ist einfach eine Eins-zu-eins-Übersetzung, die entsprechende französische Ausgabe habe ich natürlich noch nicht, aber ich nehme an, die sieht ähnlich aus.
Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass der Mittelteil dieser Zeitung die Franzosen so interessiert. Das heißt "Rabenmutti und Vaterstaat, wer lebt glücklich in Deutschland?" Und das sind … Das ist eine gezeichnete Reportage, sehr realistisch gezeichnet mit Aussagen von, ich nehme an, sogar echten Aussagen von verschiedenen Deutschen oder in Deutschland lebenden Leuten, die quasi ihre Statements abgeben. Die Einzige, die ich gut kenne von diesen interviewten und gezeichneten Persönlichkeiten, ist Gesine Schwan, die am Schluss vorkommt. Aber ist das Satire? Ich weiß es nicht. Vielleicht durch die …
Brink: Die SPD-Politikerin, ja, Gesine Schwan. Was offenbart sich denn da für ein Bild, das ja aus französischer Sicht über Deutschland geschrieben wird und karikiert?
Hachfeld: Eigentlich ein sehr neutrales, weil die Franzosen da gar nicht zu Wort kommen, sondern es sind lauter Statements, nicht witzige, sondern normale Statements von verschiedenen Leuten, die Gutes und Schlechtes über Deutschland und ihre Umgebung und ihre Erlebnisse sozusagen … Ich meine, es ist sehr textlastig, es ist viel mehr Text als Zeichnung dabei und die Zeichnungen könnte man eigentlich auch weglassen, es ist sehr realistisch, könnte auch Fotos sein. Also, dieser Kern dieser insgesamt vier Seiten, sind es glaube ich, ja, kann man eigentlich ausklammern.

Von Deutschen gibt es härtere und witzigere Zeichnungen

Brink: Wenn ich ganz ehrlich bin – und ich habe ja genauso wie Sie die Vorlage gerade vor mir liegen, gucke gerade auf die Seite mit den Merkel-Karikaturen, da steht Angela Merkel so als Covergirl, als Stripteasegirl, letzte Bastion der freien Welt oder Muttiwelt oder Merkel Kanzelleria, Maxima – ein Mandat für 50 Jahre. Irgendwie fehlt mir so der Biss. Oder wie ging es Ihnen?
Hachfeld: Ja, mir fehlt auch der Biss. Ich meine, da gibt es natürlich von Deutschen viel mehr härtere und witzigere Zeichnungen, ich nehme an, das ist so eine Pflichtübungen von diesen beiden … der Zeichnerin Coco und dem Zeichner Jean. Die anderen sind ja gar nicht dabei. Es kommt dann noch mal auf der fünften Seite eine Spalte mit zwei, drei Merkel-Witzen, die sind auch nicht viel witziger. Also, das ist glaube ich das Zugeständnis an diese Ausgabe beziehungsweise an die erhofften deutschen Leser, sagen wir mal.

Andere Art von Humor

Brink: Ich bin so ein bisschen enttäuscht, dass die Franzosen uns irgendwie nicht zutrauen, dass wir irgendwie auch gut damit leben können, dass man sich über uns lustig macht. Sie haben ja nun die französische Ausgabe abonniert, wie Sie gesagt haben, und das ist ja nun ein sehr rabiater französischer Humor. Hat man sich … Warum ist der nicht übersetzt worden? Oder kann man das nicht, was meinen Sie?
Hachfeld: Nee, ich glaube, das kann man nicht, das ist eine typisch französische Art. Hierzulande ist man auch etwas beschränkt, was Humor betrifft. Ich meine, das macht selbst die Erfahrung in der Zeitung, in der ich seit ewig zeichne, darf ich nicht mal einen nackten Hintern bringen, das wird dann sofort gestrichen. Und das ist eine andere Art von Humor. Gerade beim gezeichneten Humor ist man hier, na ja, vielleicht auf "Eulenspiegel" und "Titanic" angewiesen, aber die sind auch nicht so krass wie "Charlie Hebdo" einmal war.
Ich meine, man darf ja nicht vergessen, seit dem Attentat auf "Charlie Hebdo" ist die Qualität dieses Blatts ziemlich gesunken. Und wie ich der "Süddeutschen Zeitung" entnehme, sagt der Herausgeber Riss, dass sie jetzt wieder auf der personellen Ausstattung der 90er-Jahre sind. Das kann vielleicht personell stimmen, qualitativ stimmt das auf gar keinen Fall. Denn solche Leute wie Wolinski und Cabut sind einfach nicht zu ersetzen. Und das war ein Einschnitt qualitativer Art, der also nicht mehr aufzuholen ist.
Brink: Herzlichen Dank, Rainer Hachfeld, Karikaturist, Bühnenautor. Und wir haben uns zusammen die deutsche Ausgabe von "Charlie Hebdo", die ab heute in den Kiosks ist, angeguckt. Vielen Dank, Herr Hachfeld!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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