Verzögertes Weitermachen nach dem Trauma
Die Redaktion von "Charlie Hebdo" ist erschöpft und ausgebrannt, die Überlebenden wollen eine Pause einlegen. Doch sie haben sich bereits auf einen Erscheinungstermin für die nächste Ausgabe geeinigt - und aus dem Inhalt machen sie ein großes Geheimnis.
"Das war eine Schar von Kumpeln, manche älter als andere, Cabu, Wolinski, Honoré, diese wunderbaren Zeichentalente, die auf einmal auf dem Boden liegen."
Laurent Léger äußerte sich wenige Tage nach dem Attentat auf "Charlie Hebdo" zum ersten Mal, der Journalist war im Raum, als die Brüder Kouachi die Redaktion stürmten. Léger überlebte eher zufällig. Nun twitterte er: "Etwas Geduld noch, aber Charlie Hebdo wird am 25. Februar wieder erscheinen". Ein "Rendez-Vous an allen guten Kiosken" versprach der Journalist, der nun mit der "Redaktion der Überlebenden" in den Alltag zurückfinden muss.
Die reguläre Mittwochskonferenz findet auch in dieser Woche statt, die Redaktion ist weiterhin in den Räumen von "Líbération" untergebracht, und weiterhin steht ein großes Polizeiaufgebot in der Straße, vor der Tür des Gebäudes in der Rue Beranger in Paris.
Zum Inhalt der ersten regulären Ausgabe nach dem Sonderheft vom 14. Januar macht die Redaktion noch keine Angaben. Was auf das Titelblatt komme, werde – wie stets – in letzter Minute, am Abend vor Redaktionsschluss entschieden, sagte Redakteur Gérard Biard der Nachrichtenagentur AFP. 16 Seiten sollen es aber wohl auch diesmal sein.
Viel mehr als nur Mohammed-Karikaturen
Der neue Direktor des Blattes, der Karikaturist "Riss", der bei dem Attentat an der Schulter verletzt wurde, und der nun seinen ermordeten Freund und Kollegen "Charb" ersetzen muss, gab der Zeitung "Le Monde" und dem Sender "Europe 1" ein Interview: Er schaffe immer noch nicht, sich klar zu machen, dass er die außergewöhnlichen Zeichner, mit denen er über Jahre zusammen gearbeitet habe, nie wiedersehen werde. Wahrscheinlich werde in der nächsten "Charlie-Hebdo"-Ausgabe keine Mohammed-Karikatur erscheinen. Das machen wir ja nicht immer, sagt der Journalist, der von "Selbstzensur" nichts wissen will:
"Es regt mich auf, wenn Charlie Hebdo auf zwei oder drei Karikaturen dieser Art reduziert wird. Wir sind keine 'Monomanen' des Islam. Wir haben immer gesagt, wenn die Aktualität es erfordert, machen wir Zeichnungen dazu, aber wenn nicht, dann zeichnen wir auch keine Mohammed-Karikaturen."
Das Blatt werde dennoch seine streng laizistische und atheistische Linie beibehalten. Der Druck auf die Redaktion ist gleichwohl groß. Die meisten Mitglieder müssen unter Polizeischutz leben.
"Das Team ist müde, psychisch stark angespannt", ...
...sagte der neue Direktor des Blattes. Für die Zeitung, die zuletzt finanzielle Nöte hatte, wird die Ausgabe vom 25. Februar ein wichtiger Testlauf sein. Vor den Attentaten waren die Satirezeitung mit 60.000 Exemplaren erschienen, die Ausgabe vom 14. Januar erschien und verkaufte sich mit mehr als 7 Millionen Exemplaren weltweit.
Werke zum Thema Islam sind gerade sehr gefragt
Direkt nach den Anschlägen hätte er gezweifelt, ob er weitermachen solle, sagt der Karikaturist "Riss". Aber die Demonstrationen für Meinungsfreiheit hätten ihm geholfen:
"Man merkte, dass wir wichtig waren, ein wichtiges Symbol für die Leute, selbst für die, die uns nicht gelesen haben."
Der Buchhandel in Frankreich meldet, dass seit den Januartagen nicht nur die Bücher der getöteten Zeichner stark gefragt seien. Alle Werke zum Thema "Islam" und "Terrorismus" erfahren laut EDISTAT einen unerwarteten Erfolg.
Unterdessen hoffen notleidende Zeitungen in Frankreich, dass das Interesse am Thema Pressefreiheit anhalte. In Marseille sagte der Chefredakteur des regionalen Satireblattes "Ravi", das vor der Zahlungsunfähigkeit steht, er hoffe mit seinen Kollegen auf bessere Zeiten. "Wir mögen Euch nicht, aber wir unterstützen Euch", hätte es von vielen Seiten geheißen, sagte Michel Gairaud, und forderte bei der Gelegenheit eine Neuordnung der staatlichen Beihilfen für die französischen Medien. Die großen Medienhäuser, die in Händen von Unternehmen und Aktionären seien, dürften nicht weiter bevorzugt werden. Jährlich subventioniert der französische Staat die Presse mit rund 400 Millionen Euro, durch ermäßigte Steuersätze und direkte Zuschüsse.