"Charta der Meinungsfreiheit"

Gegen das "Echauffieren, Aufheizen und in Hashtags denken"

07:21 Minuten
Illustration einer Person mit einem geschlossenen Reißverschluss anstelle des Mundes.
Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut - ohne sie ist Demokratie nicht möglich. © imago / Panthermedia
Jagoda Marinić im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
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Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat eine "Charta der Meinungsfreiheit" veröffentlicht. Die elf Punkte darauf sollen ein Angebot sein, endlich die Diskussionskultur zu verbessern, sagt die Publizistin Jagoda Marinić.
Das Recht auf Meinungsfreiheit ist kostbar. Daran will der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in einer Themenwoche unter dem Motto "Woche der Meinungsfreiheit" erinnern. Der Börsenverein plant bundesweit Aktionen, die vom Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. bis zum 10. Mai stattfinden sollen, wenn der Bücherverbrennung von 1933 durch die Nazis gedacht wird.
Außerdem lädt Geschäftsführer Alexander Skipis alle Menschen dazu ein, eine "Charta der Meinungsfreiheit" zu unterschreiben. Darauf befinden sich elf Punkte, im ersten Satz steht: "Meinungsfreiheit ist ein universelles Menschenrecht und als solches nicht verhandelbar. Jeder Mensch hat das Recht, die Meinungsfreiheit für sich in Anspruch zu nehmen."
Die Charta solle eine "Selbstverpflichtung" sein, die festgeschriebenen Leitsätze anzuerkennen, nach ihnen zu handeln und sie in das eigene Umfeld und Netzwerk zu tragen, heißt es auf der Kampagnen-Webseite.

Meinungsfreiheit definieren und verteidigen

Die Publizistin Jagoda Marinić unterstützt mit anderen prominenten Persönlichkeiten die Initiative. Die Charta sei nicht nur eine Geste, findet sie - sondern ein "Gesprächsangebot" und ein "Forum", das vorher gefehlt habe. "Diese elf Punkte sind ein Ausgangspunkt, von dem aus der Begriff Meinungsfreiheit inmitten der Gesellschaft neu diskutiert werden kann", sagt Marinić. Dadurch werde verhindert, dass er "irgendwelchen Kräften" überlassen wird.
Weil in diesen Zeiten Menschen "krudeste Ideen" hätten, wie ihre Meinungsfreiheit vermeintlich beschnitten werde, sei es wichtig, daran zu erinnern, dass der Begriff auch in Deutschland definiert werden müsse. Die Meinungsfreiheit müsse verteidigt werden. "Es muss verhindert werden, dass Menschen Hass und Hetze verbreiten und in einem trojanischen Pferd in den demokratischen Diskurs schleusen, um eigentlich die Demokratie zu zersetzen", erklärt Marinić.

Neue Formen des Gesprächs

Das harte Jahr der Pandemie sei der richtige Zeitpunkt für diese Initiative. "Wir brauchen eine gesunde Streitkultur, Spielregeln des Streits und klare Kante gegen menschenfeindliche Positionen", sagt die Publizistin, "und es muss alles sagbar bleiben, solange es die Würde des anderen respektiert."
Wie hart Streit öffentlich ausgetragen werde, habe die Diskussion um die umstrittene Videoaktion #allesdichtmachen gezeigt. Das Problem sei: "Der Diskurs hat durch die Logik der sozialen Medien gelernt, sich zu echauffieren, aufzuheizen, in Hashtags zu denken, in kurzen Thesen." Und genau da knüpfe die Kampagne an. Es sei ein Angebot, neue Formen des Gesprächs zu finden oder alte wieder zu entdecken.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Frankfurt am Main. Er vertritt die Interessen aller drei Handelsstufen im Buchhandel. Außerdem veranstaltet er die Leipziger Buchmesse und verleiht den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den Deutschen Fotobuchpreis und zur Frankfurter Buchmesse den Deutschen Buchpreis.

(sbd)
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