Top 5 des Arthouse-Kinos
Fünf Filme, ein Ranking - und eine Antwort auf die Frage, warum gleich drei klischeehaft-französische Filme unter den Top 5 sind. Einige bekannte Favoriten sind wieder mit dabei.
"Ich muss die Kopie noch. Ich könnte es arrangieren, dass du eingelassen wirst."
"Ich könnte den Film vor der Premiere sehen?"
"Ja."
"Wen muss ich dafür flachlegen?"
Sie müssen jetzt ein stark sein, denn jetzt, jetzt geht´s ein wenig oder auch ein wenig mehr durcheinander.
Dass Platz 5 ("Madame Mallory und der Duft von Curry" von Lasse Hallström), Platz 3 ("Ein Sommer in der Provence" von Rose Bosch) und Platz 1 ("Monsieur Claude und seine Töchter" von Phillipe de Chauveron) hier schon jetzt zusammen genannt werden, bringt die Ordnung durcheinander, ohne Frage, aber es dient alles dem Zweck zu eruieren, was die deutschen Kinogänger for heaven´s sake mit den Franzosen haben - beziehungsweise mit ihrem Kino.
Monsieur Claude, Provence-Schmonzette, wobei Madame Mallory zwar eine US-Produktion ist, aber im Kern doch frankophil. Irgendetwas muss uns daran doch anziehen? Das Essen? Die Sonne? Das Licht? In der Provence ist es schön. Jean Reno als grummelnder Opa könnte für eine Werbung für lange Essen an langen Tischen mit langen weißen Decken unter Bäumen herhalten. Und so! Erzählen können sie ja, die Franzosen, in ihrem Kino. Auf hohem Niveau. Wie auf niedrigstem.
Platz 4: "A Most Wanted Man" von Anton Corbijn
Der Kampf gegen den Terror, gegen seine Finanziers ...
"Ich glaub, er leitet das Geld durch eine Reederei weiter."
"Bist du sicher?"
"Noch nicht, aber fast."
"Wie ich höre, zeigen die Amerikaner auch schon Interesse."
"Danke für die Warnung. Huh, huh! Amerikaner!"
Herbert Grönemeyer, der auch den Soundtrack zum Film schrieb, hier in einer kleinen Rolle mit Hauptdarsteller Philipp Seymour Hofmann, der in "A Most Wanted Man in unfassbarer Intensität einen deutschen Geheimdienstmann spielt, der versucht, durch das unentwirrbare Gestrüpp von Motiven, Interessen des Terror- wie Antiterrorkampfes die Grauzonen der Realität zu vermessen, durch sie hindurch zu schreiten, in ihnen nicht unterzugehen. Gut? Böse? Pah! Große Unübersichtlichkeit. Düstere Weltatmosphäre. Nina Hoss in einer eindrucksvollen Nebenrolle in Anton Corbijns Meisterwerk. Bei Christian Petzold spielt Nina Hoss die Hauptrolle.
Platz 2: "Phoenix" von Christian Petzold
Wie kann man die Rückkehr einer Auschwitz-Überlebenden im Juni 1945 im Film zeigen, ohne in den TV-affinen Holocaust-Kitsch zu verfallen. Mich gibt es gar nicht mehr, sagt Nelly - Nina Hoss - bei Christian Petzold. Nelly, die gerade aus Auschwitz nach Berlin zurückkehrt.
Christian Petzold erzählt in Phoenix eine Gespenstergeschichte aus dem Totenreich. Ein amerikanischer Journalist bezeichnete kurz nach Kriegsende die Überlebenden als Schlafwandelnde, als Gespenster. Claude Lanzmann beschrieb die Holocaust-Überlebenden, die er für seine Dokumentation "Shoah" interviewte, als Tote, die aus dem Reich der Toten zurückgekehrt seien. Mit seinem "Gespenster"-Film Phoenix hat Christian Petzold eine minimalistische, im Ton des Transrealen gehaltene, eindrucksvolle Form gefunden, um zu erzählen, wie auch die Rückkehr aus der Hölle schon mit dem Leben bezahlt wurde.
Phoenix muss man anschauen als Traum mit dessen Irrungen und Wirrungen, die nie logisch sind, aber wirkungsvoll. Da kann es sein, dass man sich verzweifelt an den Kopf fasst und fragt, warum erkennt mich der Mann nicht, obwohl ich doch seine Ehefrau bin. Warum nur nicht? Wie eine Schlafwandelnde treibt Nina Hoss durch Christian Petzolds in der Logik des Albtraums funktionierendem Film, in dem ein Mann seine Frau, die das KZ überlebt hat, nicht erkennt, mit ihr sogar das große Geld machen will, bis sie in einem wunderschönem roten Kleid Kurt Weills Jazz-Standard "Speak Low" singt - wie vor dem Krieg - und sein Blick auf die KZ-Tätowierung am Unterarm fällt. Da springt die Erzählung heraus aus dem Traum und löst sich auf ins Nichts.