Charts

Top 5 des Arthouse-Kinos

Von links: Anke Engelke, Sönke Wortmann und Gabriela Maria Schmeide am Filmset von "Frau Müloler muss weg"
Von links: Anke Engelke, Sönke Wortmann und Gabriela Maria Schmeide am Filmset von "Frau Müloler muss weg" © Imago / Future Image
Von Hartwig Tegeler |
In den Arthouse-Charts tummeln sich in dieser Woche ganz unterschiedliche Filme: Von starken Frauen, aufregenden Zeiten und gescheiterten Karrieren.
"Also, Gillis, was bieten Sie mir an? Aber fassen Sie sich aber kurz. - Es geht um einen Baseballspieler. Die Fox ist ganz wild auf den Stoff. Ich wette, der Film kostet kaum eine Million."
Platz 5: "Frau Müller muss weg" von Sönke Wortmann
Sogar einen Wiki-Eintrag gibt es für die, die Anke Engelke, Ken Duken, Mina Taner oder Justus von Dohnányi bei Wortmann geben: die "Helikopter-Eltern". Wobei ich das englische Synonym "paranoid parents" allein viel schicker finde. Paranoid parents. Zergeht richtig auf der Zunge. Die Eltern in "Frau Müller muss weg" wollen die schlechten Noten ihrer Kinder sozusagen weg-zwingen, indem sie deren Lehrerin weg zu zwingen suchen. Aber über Karikaturen kommt das ganze Spiel nicht hinaus. Kraft, Wucht, Power - gibt´s nicht in diesem Film.
Platz 4: "Selma" von Ava DuVernay
Die Kraft, die wunderbare, die erschütternde, die eigentliche Kraft von Ava DuVernays "Selma" liegt darin, dass das Historische und Aktuelle, die Vergangenheit und das, was sich beileibe nicht erledigt hat von damals, 1965, permanent in unserer Wahrnehmung miteinander kommunizieren, wenn wir "Selma" sehen. Indem das eine erzählt wird, ist das andere immer gegenwärtig. Die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung mit ihrem charismatischen Führer Martin Luther King an der Spitze bei ihrem Kampf um das reale Wahlrecht, das formaljuristisch, aber nicht der der faktischen Realität des Rassismus der USA des Jahres 1965 existierte. Schon gar nicht im Süden, in Alabama. Von wegen "my sweet home Alabama".
"Wir werden nicht länger warten. Gebt uns die Wahl. Und wir werden nicht betteln, wir werden verlangen: Gebt uns die Wahl."
"Selma" ist Erinnerung an die Bürgerrechtsbewegung, für die Afroamerikaner identitätsbildende historische Vergewisserung, aber eine, die uns traurig zurücklässt. Dass "Selma" entstanden ist, ist die gute Nachricht. Dass 2015 nicht 1965 ist, die Binsenweisheit. Immerhin "Black Man" Obama im Oval Office. Aber gerade in den letzten Monaten wurde sie weitererzählt, die "Selma"-Geschichte, mit den Namen von Michael Brown, Eric Garner, Trayvon Martin und Tamir Rice, durch weiße Polizeigewalt gestorbene Afroamerikaner. Dies ist ein großer Film.
Platz 3: "Als wir träumten" von Andreas Dresen
Die Kraft von Andreas Dresens Film liegt in diesem Zulassen der Bildes der Anarchie, die entstehen kann, die aufscheinen darf in der Geschichte um eine Clique von Jugendlichen in der Nachwendezeit, wenn für die Eltern mit dem Ende der DDR aller Halt, alle Orientierung, alle Brückengeländer verloren sind, aber für die Jugendlichen in ihrer auslaufenden Pubertät wirkt dies um so mehr. Fataler.
Euphorie, Jubel, Hochgefühl, Absturz, Drogen, Eifersucht, Verrat. Dazu ein Technoclub, der den Halt für einen Moment gibt. Kurz. Aber wer wird diese Zeit überleben, weitergehen? Wer wird sich nur im Rausch zurückerinnern an eine Zeit, die eben in dieser Erinnerung so kraftvoll und schön scheint. An solche Momente, die fast romantisch sind:
"Ich bin schlecht und du bist gut, Dani. Du bist mein Traum. - Könnten ja mal den ganzen Tag Straßenbahn fahren. Mit einer Tageskarte und einem Kasten Bier. Wollte ich schon lange mal machen."
Platz 2: "Heute bin ich Samba" von Eric Toledano und Olivier Nakache
Heute bin ich Samba, und morgen vielleicht Jacques oder auch Jonas, aber wer bin ich dann irgendwann? Das ist die Frage, die den Senegalesen Samba umtreibt, seit zehn Jahren illegal in Frankreich, kurz vor seiner Abschiebung stehend. In Sambas Leben geht es ums Überleben. Es gibt Momente im Kino, das möchte man denen da, auf der Leinwand, das Happy End gönnen, weil sie soviel erlitten, durchlitten haben. Die Kraft von "Heute bin ich Samba", den Toledano und Nakache, die Macher von "Ziemlich beste Freunde", jetzt gemacht haben, liegt darin, mit einem sehr präzisen Gespür für die Nähe von Komödie und Tragik ein Bild der Lebens der illegalen Migranten in Europa zu zeichnen. Charlotte Gainsbourg als Headhunterin mit Burn-Out und Omar Sy als Samba dürfen sich am Ende kriegen, er hat sogar eine Stelle als Koch, aber nur, weil er den Pass eines anderen, gestorbenen Flüchtlings hat. Sehr klug, dieses Happy End, das gar keines ist. Zumindest keines auf Dauer. Auch aus so einer dramaturgischen Konstruktion kann Kino seine Kraft schöpfen.
Platz 1: "Birdman" von Alejandro Gonzales Iñárritu
Seine Kraft schöpft "Birdman" aus der Kunst, in der Künstlichkeit des Lebens eines Schauspielers von Gefühlen zu erzählen, die auch Nichtschauspieler haben. Gescheiterte Karriere. Letzter Versuch, wie Phoenix aus der Asche aufzuerstehen. Dabei: all die Gefühle, die des Selbstwerts und vor allem seines Mangels. Die des Hoffens und seines Verlustes. Michael Keaton, Emma Stone, Edward Norton. Junge, Junge!
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