Che Guevara im Supermarkt

Von Adriana Marcos · 02.03.2013
In Kuba bewegt sich etwas. Seit zwei Jahren dürfen sich Kubaner selbstständig machen. Überall schießen Restaurants und kleine Geschäfte aus dem Boden. Auch das neue Reisegesetz verspricht mehr Freiheiten. Doch nicht alle Kubaner profitieren von den Reformen.
In der Altstadt von Havanna ist alles wie im Film: pastellfarbene Kolonialbauten vor dunkelblauem Himmel. In einem begrünten Innenhof bewegen sich drei Paare geschmeidig im Cha-Cha-Rhythmus. Das Mittagsmenü in der Altstadt kostet rund zehn Euro. Unbezahlbar für die Kubaner, aber das wissen die meisten Touristen nicht.

Sie freuen sich an dem typischen Ambiente, und die Kubaner freuen sich mit. Rund 400.000 haben sich in den letzten zwei Jahren selbstständig gemacht. Und sie erweisen sich als geschäftstüchtig. Dass man Gäste ins Restaurant mit guter Musik locken kann, auch wenn es mit dem Essen nicht weit her ist, das weiß in der schmucken Altstadt von Havanna jeder.

Wenige Straßenzüge weiter fällt der Putz von den Häusern, Balkone hängen windschief an bröckelnden Fassaden. In Marianao, einem Vorort von Havanna, wohnt Familie García seit über 50 Jahren in einem Sozialbau, dicht an dicht mit ihren Nachbarn. Alle Türen stehen offen.

Kein Geld

Bei Familie Garcia laufen der Fernseher, der CD-Player und der Ventilator gleichzeitig. Insgesamt fünf Personen arrangieren sich auf minimalem Raum. Nicht mehr als zehn Quadratmeter haben Wohn- und Essbereich, Küche inklusive. Familie García würde liebend gerne umziehen, aber daran ist nicht zu denken. Francisco, 42, schüttelt den Kopf. Kein Geld.

"Ich verdiene 420 Pesos im Monat. Dieses Geld reicht ausschließlich für Lebensmittel, nur dafür. Ich spreche nicht vom Strom, vom Gas und all den anderen Sachen. Ich rede nur vom Essen. Wir helfen uns gegenseitig, wir schmeißen alles in einen Topf. So kommen wir über die Runden."

Francisco ist Klimatechniker, er hat studiert und arbeitet im Krankenhaus. Würde er selbstständig Papayas und Mangos verkaufen, würde er deutlich mehr verdienen. Aber er arbeitet für den Staat. Der zahlt ihm sein Gehalt in kubanischen Pesos, umgerechnet 17 US-Dollar oder CUC, so heißt in Kuba die konvertierbare Währung. Auf dem freien Markt kann er sich damit so gut wie nichts kaufen.

Es gibt noch die libreta, eine Lebensmittelkarte, die die Grundversorgung garantiert. Glücklicherweise schickt die Schwester, die in Den Haag lebt, 50 Euro im Monat.

Seit Januar gilt auf Kuba das neue Reisegesetz, es kommt gut an. Dabei können die meisten, wie Familie García, gar nicht fahren. Es fehlt das Geld. Lange Schlangen bilden sich vor den Passstellen bisher nicht.

Sattgrüne Zuckerrohrfelder, klare Flüsse, weißer Sandstrand, türkisblaues Wasser - der Weg von Havanna nach Trinidad ist paradiesisch. Dort angekommen, scheint die Zeit still zu stehen.

Pferdekarren, Mopeds und alte Straßenkreuzer holpern über das Kopfsteinpflaster. Morgens werden Schweinehälften transportiert, mittags Touristen. Im Zentrum wohnen Mauricio und seine Frau. Sie vermieten zwei Zimmer an Gäste. Mauricio, 50 Jahre, mit Glatzkopf und strahlend schwarzen Augen, sitzt auf der Terrasse vor einem Glas Guavensaft. Das Geschäft läuft gut. Er ist rundum optimistisch:

"Der nächste Schritt ist jetzt das Internet. Wenn ich Internet habe, dann kann ich meine eigene Website machen und meine Gäste können dann im Internet Zimmer reservieren. Das ist der nächste Schritt und ich glaube, das geht jetzt ganz schnell. Es hat sich in letzter Zeit so viel entwickelt und ich finde, das geht alles in die richtige Richtung."

Mauricio ist ein Vorzeigeunternehmer. Seine ersten Devisen hat er mit Holzskulpturen verdient - dabei ist er von Beruf gelernter Chemiker. Das Kunsthandwerk war sein Hobby. Dann kam der Tourismus nach Trinidad.

"Ich habe den richtigen Moment von Angebot und Nachfrage ausgenutzt. Es war wie eine Explosion, alle wollten kaufen und wir haben alles, was wir hatten, verkauft. Und mit diesem Geld aus dem Kunsthandwerk konnte ich weitermachen und das Haus herrichten."

In Havanna, im Vorort Mariano bei Familie García, ist Carmen hin- und hergerissen: Handys, Internet, das alles muss schneller gehen. Andererseits sieht sie, dass Kuba im Vergleich zu anderen Ländern Zentralamerikas auch etwas erreicht hat. Dort gibt es zwar Smartphones und Internet, aber auch jede Menge Analphabeten.

Wirkliche Errungenschaften

"Alle Kinder und Jugendlichen haben hier das Recht auf kostenlose Bildung. Dasselbe gilt für das Gesundheitssystem. Für alle gibt es medizinische Hilfe, gleichberechtigt. Das sind doch wirklich Errungenschaften! Ich bin stolz darauf!"

Darüber, dass all diese Errungenschaften bleiben sollen, sind sich die Kubaner scheinbar einig. Und dann zeigt sich Kuba doch noch von einer anderen Seite. Eine Einladung zu einer Veranstaltung mit Prominenten - gleich in der Nähe der winzigen Sozialwohnung von Familie García. Carmen und ihr Mann Francisco machen sich fein.

Eine schicke Bar im Innenhof, Pina Colada auf den Tischen, zwei Macs und ein Beamer werfen Filme an die Leinwand. Ein Sportler, ein Schauspieler, ein Sänger, ein Comedian betreten die Bühne.

Wie alles an diesem Abend, so könnte auch die Schlussszene inszeniert sein. Ist sie aber nicht. Dass ausgerechnet die deutsche "Hymne der Wende" aus kubanischen Lautsprechern schallt, ist einfach nur Zufall
Den Kubanern soll das Reisen wesentlich erleichtert werden - aber es gibt Ausnahmen
Den Kubanern soll das Reisen erleichtert werden© picture alliance / dpa / Alejandro Ernesto