Der zähe Kampf für ein Museum zum Kalten Krieg
Der frühere Grenzübergang Checkpoint Charlie in Berlin versinkt im Kitsch. Deshalb will der Berliner Senat ein Museum errichten, auch der Aktivist Rainer Klemke engagiert sich dafür. Die Pläne des aktuellen Investors rufen allerdings Kritik hervor.
Ein Freigelände am Rande der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße. Die Herbstsonne strahlt. Ein zerlegter ehemaliger Wachturm und ordentlich aufeinander gestapelte Mauersegmente warten auf einen neuen Bestimmungsort. Auch ein drei Meter breites, zwei Meter fünfzig hohes, schmuckloses Metalltor steht hier, ziemlich verrostet, an der Oberkante eine Reihe spitzer Zacken.
"Hier sehen wir das einzige Stück, was eigentlich noch vom Checkpoint Charlie erhalten ist, jedenfalls soweit wir es hier haben. Das ist ein Tor von der Hinterlandmauer vom Zugang. Wir haben auch ein Bild von dem ursprünglichen Standort: Das Tor lag noch bis letztes Jahr unberührt am Checkpoint Charlie. Und nur weil die Stiftung Berliner Mauer in Vorbereitung ihrer Aufgabe, am Checkpoint ein Museum zu errichten, da mal richtig nachgeguckt hat, haben sie dieses Tor gefunden. Also das ist das einzige authentische Stück, was wir haben. Sozusagen die Hintertür vom Checkpoint Charlie. Wenn man so will."
Rainer Klemke, bis 2012 18 Jahre lang Gedenkstätten- und Museumsreferent des Berliner Senats, präsentiert das Unikat mit Absicht. Das Metalltor könnte das erste Ausstellungsstück eines Museums werden, das es noch gar nicht gibt – des Museums Kalter Krieg. Geplant am Checkpoint Charlie, jenem legendären Ort des Ost-West-Konflikts.
Schon seit mehr als einem Jahrzehnt macht sich Rainer Klemke für ein Museum an diesem Ort stark. Wo sonst könne man den Kalten Krieg besser darstellen?
"Nachdem neun Staatspräsidenten und sieben Außenminister und weiß ich wie viele Botschafter und so was unseren Aufruf für dieses Museum alle unterschrieben haben, weil sie sagten: 'Wenn in Europa an einem Ort so ne Geschichte erzählt werden muss, dann am Checkpoint Charlie'. Seitdem bin ich auf der Spur und sage: das will ich in meinem Leben noch realisiert sehen."
2008 unterschrieb die internationale politische Prominenz den Aufruf. Zwei Jahre zuvor hatte bereits der damalige Berliner Senat das Museumskonzept verabschiedet, von den Nachfolgeregierungen ist es nie in Frage gestellt worden. Doch natürlich kann das Konzept erst umgesetzt werden, wenn klar ist, wie es überhaupt am Checkpoint Charlie weitergeht. Denn nicht nur erinnerungspolitisch, auch städtebaulich ist dort seit dem Mauerfall 1989 wenig bis gar nichts vorangekommen.
Mix aus Cocktails und Currywurst
Noch immer ist der Ort eine riesige Brache, bebaut mit behelfsmäßigen Bretterbuden, die einen Mix aus Cocktails, Currywurst und Kebap anpreisen. Und bevölkert von jährlich 4,5 Millionen Touristen aus aller Welt. Die sich gegen kleines Geld auch gern mal fotografieren lassen mit den jungen Männern in Uniform, die vor dem nachgebauten US-Kontrollhäuschen als Wachsoldaten posieren. Kalter Krieg als Massenfolklore.
Viele Investoren haben sich im Laufe der Jahrzehnte an der Bebauung des Areals verhoben. Jetzt will es der nächste versuchen – der Projektentwickler Trockland. Der rot-rot-grüne Berliner Senat steht kurz davor, mit dem Unternehmen einen Vertrag darüber abzuschließen, wie die beiden privaten Grundstücke am Checkpoint Charlie bebaut werden sollen.
Auf der einen Seite der Kreuzung ist ein Gebäudekomplex geplant – mit Büros, Geschäften, Wohnungen – auch bezahlbaren Wohnungen – und mit 3.000 Quadratmetern Fläche für das Museum des Kalten Krieges. Auf der anderen Seite ein Hard-Rock-Hotel. Ganz wichtig aber ist den Stadtplanern, dass der Ort ein öffentlicher Ort bleibt, mit viel Freifläche, betont Senatsbaudirektorin Regula Lüscher.
"Im Klartext: auf der Westseite der Kreuzung rund 1.000 qm, auf der Ostseite kommen noch mal so 300 dazu. Und die entstehen unter anderem dadurch, dass wir auch bestehende Brandwände zum Teil freihalten wollen."
Museum soll Berlin 900.000 Euro Miete kosten
Die Brandwände spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung des Ortes. Sie sollen weitgehend unverbaut, also sichtbar bleiben, als Symbol der Teilung der Stadt vor 1989. Denn hier wurden einst Häuser abgerissen, um Mauer und Grenzanlagen zu errichten.
Lüscher: "Wir sind so ziemlich am Ende der Verhandlungen. Bis jetzt konnten wir uns immer einigen, auch wenn wir in Bezug auf das Thema zum Beispiel der Brandwände, was eine Forderung der Denkmalpflege war, nochmals einen großen Schritt machen mussten mit dem Investor. Ich weiß aber, dass auch aus den Reihen des Abgeordnetenhauses durchaus noch weitere Wünsche bestehen."
Zum Beispiel von Seiten des grünen Koalitionspartners im Berliner Senat. Dessen kulturpolitischer Sprecher Daniel Wesener findet, vor allem die 900.000 Euro, die als künftige Jahresmiete für das Museum des Kalten Krieges kolportiert werden, müssten noch einmal auf den Prüfstand.
"Da würde ich sagen mit dem Hinblick auf das Zwischenergebnis: Da geht deutlich mehr. Ein alter Kaufvertrag hat mal vorgesehen, dass das Land Berlin für einen Erinnerungsort 300 Quadratmeter unentgeltlich zur Verfügung gestellt bekommt, das wäre ja schon mal ein guter Ansatz. Ich würde mir wünschen, dass zumindest auf einer Seite der Friedrichstraße das Land Berlin hier selber Eigentum bilden kann und damit auch langfristig ein Museum oder einen Erinnerungsort sichern kann."
Drohende Zwangsversteigerung des Geländes
Wegen der komplizierten juristischen Situation an diesem Ort scheint der Vorschlag, Teileigentum zu erwerben, jedoch kaum umsetzbar, sagt Wesener.
"Wir haben zudem die Situation, dass der Investor für das, was er dort plant, einen Bebauungsplan braucht. Plangeber ist das Land Berlin, das heißt wir können definieren, was da gebaut wird. Bislang wissen wir nur: Wir haben es mit zwei Brachen zu tun, auf denen eine erhebliche Grundschuld von angeblich 80 bis 90 Millionen Euro liegt. Was dieser Ort eigentlich immobilienwirtschaftlich wert ist, wird sich erst dann zeigen, wenn es einen Bebauungsplan gibt. Und ich glaube, das ist ein mächtiger Hebel, den wir als Abgeordnetenhaus und den auch eine Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat, um den Investor zu hoffentlich guten Kompromissen zu zwingen."
Also wird weiter gepokert. Unterschrieben ist bisher nichts. Noch nicht einmal der Letter of Intent, die Absichtserklärung der beteiligten Parteien im Vorfeld eines Vertragsabschlusses. Der Projektentwickler Trockland macht nun Druck. Seit 2003 stehen die beiden privaten Grundstücke am Checkpoint Charlie unter Insolvenzverwaltung. Trockland besitzt eine Option, sie zu erwerben. Diese Option endet am 31. Januar 2019. Bis dahin will Trockland den Letter of Intent unterschrieben haben. Sonst, argumentiert der Projektentwickler, sonst gingen die beiden Grundstücke in die Zwangsversteigerung. Der Deal mit dem Senat würde platzen, für das Museum des Kalten Krieges wäre es das vorläufige Aus.
Auch ehemaliger Bürgermeister kämpft für Museum
Um das zu verhindern, hat sich Rainer Klemke, der langjährige Gedenkstätten- und Museumsreferent des Berliner Senats, erneut politische Unterstützung geholt. Zum Beispiel den ehemaligen Regierenden Bürgermeister Walter Momper, heute immer noch in der Baubranche tätig, und den früheren US-Botschafter John Kornblum, als Berater für Trockland aktiv. Logisch, dass sich die beiden für den Deal stark machen.
Momper: "Der Prozess, über 30 Jahre läuft der ja nun, der ist an einem Punkt angelangt, wo alles da ist, was man zum Bauen braucht. Sie haben ja nicht immer alles zu einer Zeit. Sie haben hier einen Investor, der kann, dem man es auch zutrauen muss. Sie haben Banken, die das finanzieren. Sie haben eine Stadtverwaltung, die jedenfalls mehrheitlich den B-Plan auch machen will und durchziehen will und damit Baurecht schaffen will, so, und nun stockt es. Warum stockt es? Weil einzelne dagegen sind."
Kornblum: "Die Firma Trockland ist seriös, sie haben Pläne gemacht, sie haben alles mit dem Senat koordiniert, und sie sind entschlossen, dieses Projekt durchzuziehen. Und ich kann versichern, dass das alles im Einklang mit den Zielen des Senats, die 2006 verabschiedet wurden, gemacht wird. Es ist wirklich wahrscheinlich die letzte Chance in dieser Ära, könnte man fast sagen, dass Checkpoint Charlie auch würdig wieder aufgebaut wird."
Aber braucht Berlin tatsächlich noch ein Museum des Kalten Krieges? Die Hauptstadt kann sich über einen Mangel an Gedenkstätten und Erinnerungsorten an die wechselvolle Geschichte der vergangenen einhundert Jahre wahrlich nicht beklagen. Rainer Klemke blinzelt in die immer noch wärmende Herbstsonne und grinst: Mit der Frage habe er gerechnet.
"Ich habe in meiner Dienstzeit 48 Museen und Gedenkstätten in Berlin beim Bau oder Neustrukturierung oder Erfindung begleitet. Und wir haben die Zahl der Besucher zu zeitgeschichtlichen Museen von 1995, als ich das Amt angetreten habe, bis 2012, als ich ausgeschieden bin, von 490.000 auf 14 Millionen gesteigert. Insofern habe ich da überhaupt keine Sorge, dass diese Museen nicht angenommen werden. Wenn sie gut gemacht werden. Das ist natürlich die Hauptsache, dass sie den Nerv der Zeit und des jeweiligen Themas treffen."