Hören Sie zum Thema auch das Gespräch mit unserem Korrespondenten Alexander Moritz in "Fazit":
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Besserer Auswahlprozess für Kulturhauptstädte gefordert
06:31 Minuten
Die Kulturminister der Länder haben das Juryvotum bekräftigt: Chemnitz soll 2025 Kulturhauptstadt werden. In Bayern hatte es bis zuletzt Zweifel an der Fairness der Entscheidung und ein Veto gegeben. Ein transparenterer Auswahlprozess scheint geboten.
Nun also doch: Die Kulturminister der Länder bestätigen einstimmig Chemnitz als Kulturhauptstadt 2025. Nach der Videoschalte am Nachmittag steht der sächsischen Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) die Freude ins Gesicht geschrieben.
"Mit diesem Beschluss heute wird noch einmal deutlich, dass dort eine ganze Region auf die europäische Kulturbühne kommt", sagt die Ministerin. "Und das ist für den Freistaat Sachsen zu Beginn des Jahres eine wirklich eine sehr, sehr gute Botschaft."
Auch in der Stadt Chemnitz herrscht Erleichterung: "Wir freuen uns, nun auch ohne jeden Zweifel Deutschland als Europäische Kulturhauptstadt 2025 vertreten dürfen", so der Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD) in einem schriftlichen Statement.
Kritik aus Bayern
Die Zustimmung der Länder zur Auswahl einer Expertenjury ist eigentlich eine Formsache. Doch bei der letzten Schalte der Kulturministerkonferenz (KMK) im Dezember hatte Bayern seine Stimme verweigert.
Vorangegangen waren Berichte in der "Süddeutschen Zeitung": Bei der Entscheidung habe es Mauscheleien gegeben. Darin wird beschrieben, wie sich über die Jahre ein enger Kreis von Kulturmanagern gebildet hat, die Städte bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt beraten. Diese hätten gleichzeitig enge Beziehungen zu Jurymitgliedern, würden sich möglicherweise gegenseitig Vorteile verschaffen.
Der bayerische Kunstminister Bernd Sibler wollte den Juryentscheid im Dezember deswegen nicht einfach durchwinken – wohl auch, weil die bayerische Mitbewerberstadt Nürnberg leer ausgegangen war. Wieso aber Nürnberg übervorteilt worden sein soll, obwohl es selbst Personen aus demselben Beraterkreis engagiert hatte, blieb in dieser Argumentation offen.
"Makabre" Anschuldigungen
Der Projektleiter der Chemnitzer Bewerbung, Ferenc Csák hatte die Vorwürfe in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zurückgewiesen. Die Anschuldigungen aus Bayern seien "makaber". Alle Städte kannten die Spielregeln, wussten auch, wer mit welchen Beratern zusammenarbeitet.
Trotzdem musste die Vorsitzende der Expertenjury, Sylvia Amann, den Kulturministern nun erklären, wie das Gremium zu seiner Entscheidung gekommen war.
Dass es danach eine einstimmige Entscheidung gab, sei ein klares Signal, sagt Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch: "Dass die aufgeworfenen Fragen geklärt werden konnten, dass das Verfahren korrekt verlaufen ist und dass es eben keinen begründeten Anlass für einen Missbrauch gibt. Und ich denke, das ist auch für die Entscheidung für Chemnitz als Kulturhauptstadt 2025 von großer Bedeutung. Und somit kann man jetzt unbefleckt in das Verfahren richtig einsteigen."
Um das auch in Zukunft zu gewährleisten, soll sich Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der seit Kurzem der Konferenz der Kulturminister vorsitzt, bei der Europäischen Kommission für einen transparenteren Auswahlprozess stark machen.
Karenzzeit für Jurymitglieder
Den offiziellen Regeln zufolge müssen alle Jurymitglieder unabhängig sein und selbstständig auf mögliche Interessenkonflikte hinweisen, wenn sie zu einer der Bewerberstädte zu enge Beziehungen haben. Die EU-Kommission zeigt sich auf Anfrage hoffnungsvoll, dass diese Selbsterklärungen ausreichen.
Sachsens Kulturministerin dagegen könnte sich besserer Lösungen vorstellen. Sie schlägt etwa eine Karenzzeit vor: "Bei Jurymitgliedern, wenn sie denn nicht mehr in einer Jury tätig sind. Wobei die Jurymitglieder meines Wissens auch alle drei Jahre rotieren. Also, ist auch dort immer wieder ein Wechsel gegeben. Aber dass man danach wirklich eine Zeit X definiert, wo sie dann wirklich nicht als Berater zum Einsatz kommen können."
Darüber aber müsste die EU entscheiden. Eine Evaluierung des jetzigen Verfahrens soll planmäßig bis 2024 abgeschlossen sein.
Garagen und Autodidakten
In Chemnitz können die Vorbereitungen nun richtig losgehen. Nach der offiziellen Ernennung soll nun eine Betreibergesellschaft zur Weitergabe der Fördergelder gegründet werden: Insgesamt über 50 Millionen stehen der Stadt Chemnitz zur Verfügung, zum Großteil vom Bund und dem Freistaat Sachsen.
Geplant ist, 3.000 über die Stadt verteilte Garagen als Ateliers zur Verfügung zu stellen. Chemnitz hatte sich in seiner Bewerbung als Stadt der Macher inszeniert. Passend dazu planen die Kunstsammlungen Chemnitz eine Ausstellung zu Autodidaktinnen und Autodidakten: mit Werken von Frida Kahlo, Edvard Munch und dem belgischen Architekten Henry van de Velde, der in Chemnitz mehrere Villen gestaltet hat. Eine davon ist heute ein Museum.