China am Main
Das Fünf-Sterne-Luxushotel in Form einer Pagode sollte eigentlich schon längst an der Frankfurter Rennbahn stehen und chinesische Touristen, Geschäftsleute und politische Delegationen auf Reisen beherbergen. Noch liegt die Baustelle brach. Dass die ästhetischen Vorstellungen der chinesischen Investoren mit der deutschen Bauordnung kollidieren, ist nicht nur das einzige Problem bei dem Prestigeprojekt.
Im Wind flattert ein Absperrband. Es umrahmt eine Fläche mit hellbraunem Schotter. 8000 Quadratmeter groß. Eine Ödnis im Wert von 40.000 Euro. Ein warmer Sommertag. Es ist still auf der Frankfurter Galopp-Rennbahn in Niederrad, wenn kein Renntag ist. Keine Bewegung. Die Bahn leuchtet in frischem grün. Eine Oase. Weit hinten am Horizont blitzt die Frankfurter Skyline.
Manfred Bauer kommt mit dem Handy am Ohr zum Interview. Sein Begleiter hält sich schüchtern im Hintergrund - ein junger Chinese in weißem Hemd und schwarzer Anzughose. Und verschwindet ein paar Treppen tiefer in einem provisorischen Büro neben der Tribüne.
"Das ist der Herr Tian. Das ist mein Assistent, der kommt aus Peking aus unserer Zentrale. In der Zentrale haben wir ein komplettes Projektteam, das die komplette Projektierung in Peking macht. Und er ist einer derjenigen, die hervorragend deutsch sprechen."
Manfred Bauer ist verantwortlich für die 40 Millionen-Investition. Dafür dass sich 8000 Quadratmieter Ödnis im nächsten Jahr in ein riesiges Hotelschiff verwandeln soll. Ein Jahr Bauverzögerung liegt bereits hinter ihm. 2007 sollte Baubeginn sein, das Hotel jetzt schon stehen.
Manfred Bauer ist der Geschäftsführer der Huarong Deutschland GMBH. Mit seinem Assistenten vertritt er den chinesischen Großinvestor Huarong Beijing in Frankfurt. Noch ist es ein Zwei-Mann-Unternehmen.
Manfred Bauer ist Hesse, um die 50. Früher war er Finanzbeamter, später hat er die Seiten gewechselt und ausländische Unternehmen zu Steuerfragen beraten. Auf diesem Weg hat sich für ihn der Kontakt zur Huarong Group entwickelt. Er hat die Hemdsärmel hochgekrempelt und schaut zuversichtlich über die Brachfläche hinweg auf das Grün der Rennbahn. Es gehört etwas Fantasie dazu, ihm zu folgen.
"Wir sitzen jetzt hier auf der Tribüne des Rennclubs und schauen auf Richtung Golfplatz. Da wird auf der linken Seite das Hotel entstehen, 120 Meter Länge, sechs Stockwerke hoch mit einem Pagodendach. Bilder sind ja schön veröffentlicht worden. Man hat also von den Zimmern zur Rennbahnseite den Sichtkontakt auch mit einem kleinen Balkon auf das Renngelände, auf das Golfgelände. Die Silhouette von Frankfurt ist optimal zu sehen."
Bisher gibt es für die Öffentlichkeit nur ein kleines Foto im Internet. Ein langgezogener Beton-Riegel, wuchtige moderne Architektur, garniert mit traditionellen chinesischen Bau-Formem.
"Das Modell wird gerade überarbeitet. Aber das bekommen sie noch zu sehen. Bevor der Spatenstich hier erfolgt, machen wir noch eine kleine Veranstaltung für die Presse."
Am Tag des Baubeginns werden viele aufatmen. Nicht nur Manfred Bauer: der Investor in Peking, die Stadt Frankfurt, der Rennclub. "Die Hoffnung kommt aus Peking" titelte eine Frankfurter Zeitung schon 2006. Der Rennclub hatte um den chinesischen Investor geworben. Die Politiker haben ihn nach Frankfurt geholt. Die Rennbahn soll wieder strahlen. Der Rennclub soll finanziell saniert werden. Stallungen renoviert, eine Flutlichtanlage aufgestellt werden. Die öffentliche Tribüne des Hotels soll Rennbahnbesucher locken. Man hofft auf Synergieeffekte.
"Die Grundlage war einfach hier in Frankfurt auch durch die Beziehung zwischen Ghuangzhou und Frankfurt noch ein Highlight zu schaffen oder eine Verbindung, wirtschaftlich als auch politisch. Dann hat man diesen Standort gefunden, der eigentlich einmalig ist. Der Flughafen ist nicht weit. Und wenn Sie jetzt - im Anflug ist eine große Maschine - wenn Sie auf der rechten Seite sitzen, dann sehen Sie schon im Anflug circa drei Minuten dieses Hotel."
Das Pagodendach soll das Hotel unverwechselbar machen. Nach Frankfurt auch in Paris und London. 5 Sterne für internationale Business-Leute, Touristen, Asiaten die Reisenden der Zukunft.
Der Entwurf kam aus China. Manfred Bauer musste ihn Zentimeter für Zentimeter in das deutsche Baurecht übersetzen lassen. Vor allem ein enormer Kommunikationsaufwand - Missverständnisse nicht einkalkuliert.
"Und da gibt es natürlich zwischen Deutschen und Chinesen Reibungspunkte, weil zwei verschiedene Welten von der Arbeitsweise aufeinandertreffen. Die Bauphysik ist überall gleich, aber da galt es schon viele Missverständnisse auszuräumen. Die Hauptzeit ist eigentlich, die unterschiedlichen Denkweisen und Kulturen auf eine Linie zu bringen."
Manfred Bauer findet seit zwei Jahren Kompromisse. Zwischen den ästhetischen Vorstellungen der chinesischen Investoren und der deutschen Bauordnung. Geplant ist: Traditionelle Bauelemente werden in China gefertigt. Die groben Arbeiten, Aushub, Fundament und Hochbau machen deutsche Firmen. Manfred Bauer spricht zur Zeit mit der Ausländerbehörde und mit dem Arbeitsamt, damit chinesischen Facharbeiter einreisen können.
"Ich meine, man muss natürlich auch einsehen: Die Politik in der Europäischen Union hat klare Richtlinien gegeben, da gibt es entsprechende Gesetze und Verordnungen, welche Arbeitskräfte hier eingesetzt werden können. Wenn Sie die komplette Inneneinrichtung sehen, dann können Sie sehen, warum ein deutscher Schreiner die nicht unbedingt hinkriegt. Traditionelles Handwerk: Holz, Steine, Platten, Vertäfelungen - Material, dass Sie hier überhaupt nicht bekommen. Das muss dann aus China importiert werden."
Es gibt noch ein ganz anders Problem. Das Hotel hat offiziell noch keinen Namen. Eine Sache hatte die Huarong Group in Peking unterschätzt. Die politische Großwetterlage um China und seine Beziehungen zum Ausland: die Konflikte um Tibet. Ausgerechnet unter dem Namen des alten Kaiserpalastes "Potala" in Lhasa soll das chinesische Projekt in Europa vermarktet werden - als "Potala Place Hotel.
"Die chinesische Regierung hat sich nicht dagegen ausgesprochen, dass es so heißt. Sondern das war vor ein paar Monaten, als das Problem Tibet weltweit in die Presse gekommen ist und auch öffentlich diskutiert wurde. Da hat man gesucht, wir sollen den Ball ein bißchen flach halten, um nicht zusätzliche Angriffspunkte zu bieten. Weil es ja als Affront gewertet werden könnte, wenn wir jetzt hier in Frankfurt ein Hotel haben, das 'Potala Palace' heißt. Und die Probleme in Tibet haben wir ja im Fernsehen gesehen, was da passiert."
Und wieder sitzt Manfred Bauer zwischen den Stühlen. Den Namen "Potala Plalace" hat sich die Marketingabteilung des Mutterkonzerns in Peking ausgedacht. "Naiv" würde man aus ausländischer Sicht urteilen.
Manfred Bauer sagt dazu nichts. Zur Zeit gibt es offiziell also noch keinen Namen. Bis zum Spatenstich muss auch dieses Problem deutsch-chinesischer Befindlichkeit gelöst sein. Manfred Bauer zeigt die nötige Gelassenheit.
"Ich sehe das mittlerweile entspannt, für mich gibt es immer nur das Problem, das ich im Augenblick zu lösen habe. Und deshalb denke ich nicht an morgen. Ich weiß, dass morgen bestimmte Dinge anstehen - oder auch in der Zukunft. Bei einem deutsch-chinesischen Projekt gibt es eigentlich tagtäglich Dinge, die sofort erledigt werden müssen. Die meisten sind dann unerwartet. 50 Prozent unerwartet, 50 Prozent erwartet."
Deshalb muss Manfred Bauer auch wieder weiter telefonieren und führt mich ins Büro zu seinem Assistenten Xueming Tiang.
"Mein Name ist Tian. Ich bin der Assistent von Herrn Bauer. Die Denkweise ist eine ganz andere. Ganz unterschiedlich. Zuviel! Ich arbeite jeden Tag mit Herrn Bauer zusammen. Über manche Sachen streiten wir uns ein bißchen. Er denkt schon chinesisch, aber das Verhalten zwischen Chinesen und Deutschen ist zu unterschiedlich."
"Das merkt man eigentlich immer nur, wenn man bei der Arbeit ist. Da tritt das auf. Das ist kein Streit. Der Chinese verhandelt gerne etwas länger als der Deutsche. Also der Deutsche kommt schneller zum Punkt. Aber wenn der Chinese sich entschieden hat, dann muss das umgesetzt werden. Und zwar ohne Zögern. Da fehlt nach meiner europäischen Auffassung etwas die Geduld des Chinesen. Letztendlich muss man immer auf beide Seiten Rücksicht nehmen."
"Oh ja, doch, ich habe etwas bemerkt. Wir Chinesen: Wenn Sie etwas sagen möchten, können Sie jederzeit anrufen, auch auf der Handynummer. Hier in Deutschland ist nach der Arbeit Schluss."
In einer Ecke des Büros steht ein Fernseher. Sonst laufen hier Pferderennen. Vielleicht in den nächsten Tagen dann die olympischen Spiele in Beijing?
"Ich denke, die größte Feier ist in China in Bejing. Wir werden auch zusammen feiern mit unseren Kollegen aus China."
"China-Heat" nennt Polly Yu den immensen Investitionsdrang chinesischer Investoren zur Zeit. Die Chinesin aus Hongkong, Mitte 30, die deutsch, englisch, mandarin und mehrere chinesische Dialekte spricht, leitet seit 2006 das China-Desk in der Wirtschaftsförderung der Stadt Frankfurt.
"Für mich hat das schon eine große Bedeutung für Deutschland. Nicht nur, dass die Investition hierher nach Frankfurt kommt. Wir haben viel mehr Chancen für den Erfahrungsaustausch. Wenn wir mit den Kunden sprechen, dann ist Frankfurt immer in der Shortlist, wenn sie überlegen: Wohin sollen wir investieren?"
Wo und wie sie die Eröffnung der Oympischen Spiele anschaut, darüber habe sie sich noch gar keine Gedanken gemacht, sagt die energische junge Frau in Jeansrock und weißer Sommerbluse. Mit ihren Kollegen leistet sie in ihrem Büro in der Hanauer Landtsraße Pionierarbeit. Sie knüpft die Netze zwischen China und Frankfurt.
Über 300 chinesische Firmen haben sich mittlerweile im Rhein-Main Gebiet angesiedelt. Im letzten Jahr gab es allein Frankfurt zehn Neugründungen. Auch die deutsche Tochterfirma des Huarong-Konzerns. Polly Yu lächelt und sagt: ein tolles Projekt für Frankfurt!
"In zehn Jahren, ja. Ich hoffe sehr, dass die chinesische Business-Community die Top-Community in Frankfurt wird. Das bedeutet, die Investoren können hier langfristig investieren. Sie haben eine langfristige Strategie. Ich hoffe, die Qualität der Investitionen verbessert sich. So viele chinesische Investoren denken: 'Ich versuche mal, ich probiere, mal sehen, was kommt.' Danach aber gibt es Bedenken. Es ist ein Risiko, wenn man im Ausland investiert, deshalb sollen sie auch viel besser vorbereitet sein. Und langfristig denken. Wenn sie hierher kommen, bedeutet das nicht nur, dass sie eine Investition machen, sondern das ist auch ein Image für die Chinesen."
Die Goldgräberstimmung erzeugt Reibung und Verluste. Gelegentlich kühlt die "China-Heat" auf den Schreibtischen deutscher Ämter ab. Zum Beispiel dann, wenn der chinesische Investitionsdrang auf die deutsche Gesetzgebung prallt. Aufenthaltsrecht, Arbeitsrecht, und Steuerrecht das Tempo drosseln. Auch Polly Yu kennt das Wort "Ämterdschungel". Sie lacht. Zwischen deutscher und chinesischer Mentalität zu verhandeln, das ist ihr Tagesgeschäft.
"Die gute Namen haben wir schon in der Stadt, wir hoffen auch sehr eine Plattform: Das ist auch für die Internationalisierung. Wieso sind wir hier: Wir sind bereit, den Chinesen zu helfen, hierher zu kommen. Wir hoffen alle, dass wir zusammen langfristig entwickeln. Das ist nicht nur meine Arbeit, sondern die Zusammenarbeit von allen. Auf jeden Fall ist das eine Crosskultur. Das ist eine sehr interessante Arbeit für mich."
"Ich wünsche mir, dass chinesische Investoren die deutsche Wirtschaft weiter ankurbeln."
Zhiyuan Zhang steht am Fenster im 28. Stockwerk eines Frankfurter Hochhauses. Vor ihm liegt die Stadt zerteilt in kleine Würfel, Rechtecke und Rauten.
"Mein Name ist Zhang ich komme aus Schanhgai, ich bin ein chinesischer Rechtsanwalt, im Moment bin ich Leiter des China-Desk der Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft. Und ich bin auch der erste chinesische Rechtsanwalt, als Mitglied einer deutschen Rechtsanwaltskammer in Frankfurt am Main."
Der junge Mann im eleganten Anzug hat in Peking und Saarbrücken Jura studiert und dabei Deutsch gelernt. Dass er im Interview Deutsch spricht, hat etwas Überredungskunst gekostet. Zhiyuan Zhang ist 33 Jahre alt, und er ist der erste und einzige chinesische Anwalt, der an einem deutschen Gericht zugelassen ist.
"Für mich ist es natürlich einfach, Mandaten zu bekommen. Dann muss ich gut arbeiten. Letztes Geschäftsjahr hatte ich ungefähr 40 chinesische Mandanten. Mein Schwerpunkt ist eigentlich Handelsrecht mit Bezug auf chinesisches Recht."
Manchmal soll er aber einfach nur nach einer Immobilie Ausschau halten, ein Hotelzimmer buchen oder einen Tisch in einem Chinarestaurant reservieren und entnervte chinesische Geschäftsmänner über das komplizierte Deutschland hinwegtrösten. In seinem Büro hängt ein chinesisches Schriftbild in Tusche. Er übersetzt. "Kleine Gefäße laufen schneller über als Große. Laotse", sagt er und schaut aus dem Fenster. Für Zhiyuan Zhang ist es extrem wichtig, einen weiten Horizont zu haben.
"Ich habe oft gelesen, dass Deutsche Bilder von China als 'wilden Osten' zeichnen, und China vom 'hochmütigen Westen'. Ich unterscheide meine Eindrücke und falsche Bilder voneinander. Ich muss oft das unterschiedliche Denken zwischen Deutschen und Chinesen erklären."
Die Bilder in den Köpfen, die Schimären vom "Wilden Osten" und das Bild vom "Hochmütigen aus dem Westen" - "vom Kolonialherren", sagt Zhiuyan Zhang.
"Ich sage: Beide sind nicht Teufel, sind anständige Menschen, und versuche, für beide Seiten eine vernünftige Lösung zu finden. Nicht typisch deutsch, auch nicht typisch chinesisch. Beide sollen einen Treffpunkt finden, beide zu 50 Prozent. Ich übe mich in Zurückhaltung."
Die Goldgräberstimmung in China schwappt auch nach Frankfurt. Hier sind zur Zeit die Immobilien für chinesische Verhältnisse günstig, günstiger als Schanghai. Trotzdem: 70 Prozent der "Hals-über-Kopf-Investoren" - Investoren, die nicht gut genug auf den deutschen Markt vorbereitet sind - scheitern, schätzt Zhiyuan Zhang.
In einem Nebenraum stapeln sich 800 Kilo Papier. Akten eines Konkurs- Prozesses. Zwei Jahre alt. Ein Unternehmen hat sich verschätzt mit den deutschen Baubestimmungen, mit dem Arbeits-und Aufenthaltsrecht. Ein Thermalbad für klassische Bäderkur und chinesische Heilkunst in einem hessischen Kurort sollte komplett mit chinesischen Arbeitskräften gebaut werden.
"In Deutschland gibt es viele Kosten. Man hat vorher in China nicht damit gerechnet, für die Arbeitnehmer oder das Finanzamt. Deswegen gibt es oft Überraschungen für chinesische Investoren. Jeder Investor will hier in Deutschland nicht nur ein kleines Unternehmen führen. Aber was wirklich realisiert wird ist unterschiedlich. Nicht alle chinesischen Unternehmer sind erfolgreich."
Manche Investoren scheitern schon bei der Einreise am Frankfurter Flughafen. Werden von den deutschen Behörden wieder zurückgewiesen.
400 Chinesen bleiben pro Woche im Transit hängen, schätzt Zhang grob, es sind nicht alle seine Mandanten. Er lacht. Manchmal wegen ungenügender Papiere. Oft sind es aber auch nur sprachliche Missverständnisse und Übersetzungsfehler.
"Nicht selten werden chinesische Unternehmer zurückgewiesen. Weil sie nicht gut ausgebildet sind. Weil die nach deutschem Verständnis keine richtigen Geschäftsleute sind. Wegen fehlender Sprachkenntnis kann sich die Befragung durch die deutsche Bundespolizei sehr schwierig erweisen. Zwar geht es auch mit Dolmetscher. Aber es bringt nicht immer so viel."
Wenn ein chinesischer Geschäftsreisender am Flughafen festsitzt, dann klingelt das Telefon von Zhiyuan Zhang. Dann muss er raus am zum Flughafen, auch nachts. Er zeigt aus dem 28. Stockwerk hinunter auf die Straßen und Häuser im Frankfurter Bahnhofsviertel. Dann erzählt er die Geschichte von einem chinesischen Geschäftsmann, der für sieben Millionen einen dieser Würfel kaufen wollte, aber von der Bundespolizei wegen nichterfüllter Visa-Bedingungen mit der nächsten Maschine nach Peking zurückfliegen musste.
"Die meisten sagen: Ich komme nie mehr wieder. Es gibt Frankreich, es gibt Amerika. Es gibt nicht nur Deutschland. Wenn ich Geld habe, wieso muss ich in Deutschland investieren? Damit verliert Frankfurt einfach auch viel Geld."
Die Bürokratie bremst. Die Einreisegesetzgebung ist streng. Das Ausländerrecht scharf. Das Arbeitsrecht für einen Chinesen kaum nachvollziehbar. Zhiyuan Zhang lehnt sich nach hinten, als würde ihn die Last der Komplikationen der deutsch-chinesischen Wirtschafts-beziehungen dazu zwingen. Dann zitiert er Laotse, der sagt, man solle sich nicht beschweren.
"Meiner Meinung nach sind viele chinesische Investoren im Moment als Abenteuer in Deutschland. Die haben nicht ganz gut geplant. Aber nach chinesischer Kultur - zuerst probieren, dann kucken was passiert. Dann weitergehen. In Deutschland ist das schwer. Vielleicht sind viele Euro dabei."
Noch ist er der einzige Mann am China-Desk . Ein Juwel für die Kanzlei. Er ist für alle Fragen zuständig, die die deutsche und chinesische Kultur, alle Fragen, die die deutsche Rechtssprechung betreffen. Das bedeutet fast jeden Abend ein Abendessen mit chinesischen Landsleuten.
"Viel Stress gibt es in so einem fremden Land. Wenn einer Stress hat, muss ich es klären. Wie ein Babysitter muss ich die Mandanten wie Kinder betreuen, nicht wie Erwachsene. Viele Mandanten haben zu wenige Kenntnisse über Deutschland. Ich muss alle belehren."
Zhiyan Zhang ist Anwalt, Vertrauensmann, Psychologe zugleich. Er hat einen Aktenordner angelegt. "Legenden" steht darauf. Darin sammelt er die schönsten, die tragischsten, die skurilsten und die erfolgreichsten seiner Fälle aus seiner Pionierzeit in Deutschland. Falls er in 20 Jahren in China Rechtsprofessor werden würde, könnte er den Studenten all diese Geschichten erzählen. Zhiyuan Zhang lacht und macht den Eindruck, als könnte er das locker schaffen!
"Für mich persönlich: Ich bin sehr glücklich, diesen Prozess zu begleiten und durch meine Arbeit vielen chinesischen Investoren helfen zu können. Es bringt mir viel Berufsstolz. Manchmal ist der noch wichtiger als das Geld. Manchmal finde ich ganz neue Lösungen für beide Seiten."
Manfred Bauer kommt mit dem Handy am Ohr zum Interview. Sein Begleiter hält sich schüchtern im Hintergrund - ein junger Chinese in weißem Hemd und schwarzer Anzughose. Und verschwindet ein paar Treppen tiefer in einem provisorischen Büro neben der Tribüne.
"Das ist der Herr Tian. Das ist mein Assistent, der kommt aus Peking aus unserer Zentrale. In der Zentrale haben wir ein komplettes Projektteam, das die komplette Projektierung in Peking macht. Und er ist einer derjenigen, die hervorragend deutsch sprechen."
Manfred Bauer ist verantwortlich für die 40 Millionen-Investition. Dafür dass sich 8000 Quadratmieter Ödnis im nächsten Jahr in ein riesiges Hotelschiff verwandeln soll. Ein Jahr Bauverzögerung liegt bereits hinter ihm. 2007 sollte Baubeginn sein, das Hotel jetzt schon stehen.
Manfred Bauer ist der Geschäftsführer der Huarong Deutschland GMBH. Mit seinem Assistenten vertritt er den chinesischen Großinvestor Huarong Beijing in Frankfurt. Noch ist es ein Zwei-Mann-Unternehmen.
Manfred Bauer ist Hesse, um die 50. Früher war er Finanzbeamter, später hat er die Seiten gewechselt und ausländische Unternehmen zu Steuerfragen beraten. Auf diesem Weg hat sich für ihn der Kontakt zur Huarong Group entwickelt. Er hat die Hemdsärmel hochgekrempelt und schaut zuversichtlich über die Brachfläche hinweg auf das Grün der Rennbahn. Es gehört etwas Fantasie dazu, ihm zu folgen.
"Wir sitzen jetzt hier auf der Tribüne des Rennclubs und schauen auf Richtung Golfplatz. Da wird auf der linken Seite das Hotel entstehen, 120 Meter Länge, sechs Stockwerke hoch mit einem Pagodendach. Bilder sind ja schön veröffentlicht worden. Man hat also von den Zimmern zur Rennbahnseite den Sichtkontakt auch mit einem kleinen Balkon auf das Renngelände, auf das Golfgelände. Die Silhouette von Frankfurt ist optimal zu sehen."
Bisher gibt es für die Öffentlichkeit nur ein kleines Foto im Internet. Ein langgezogener Beton-Riegel, wuchtige moderne Architektur, garniert mit traditionellen chinesischen Bau-Formem.
"Das Modell wird gerade überarbeitet. Aber das bekommen sie noch zu sehen. Bevor der Spatenstich hier erfolgt, machen wir noch eine kleine Veranstaltung für die Presse."
Am Tag des Baubeginns werden viele aufatmen. Nicht nur Manfred Bauer: der Investor in Peking, die Stadt Frankfurt, der Rennclub. "Die Hoffnung kommt aus Peking" titelte eine Frankfurter Zeitung schon 2006. Der Rennclub hatte um den chinesischen Investor geworben. Die Politiker haben ihn nach Frankfurt geholt. Die Rennbahn soll wieder strahlen. Der Rennclub soll finanziell saniert werden. Stallungen renoviert, eine Flutlichtanlage aufgestellt werden. Die öffentliche Tribüne des Hotels soll Rennbahnbesucher locken. Man hofft auf Synergieeffekte.
"Die Grundlage war einfach hier in Frankfurt auch durch die Beziehung zwischen Ghuangzhou und Frankfurt noch ein Highlight zu schaffen oder eine Verbindung, wirtschaftlich als auch politisch. Dann hat man diesen Standort gefunden, der eigentlich einmalig ist. Der Flughafen ist nicht weit. Und wenn Sie jetzt - im Anflug ist eine große Maschine - wenn Sie auf der rechten Seite sitzen, dann sehen Sie schon im Anflug circa drei Minuten dieses Hotel."
Das Pagodendach soll das Hotel unverwechselbar machen. Nach Frankfurt auch in Paris und London. 5 Sterne für internationale Business-Leute, Touristen, Asiaten die Reisenden der Zukunft.
Der Entwurf kam aus China. Manfred Bauer musste ihn Zentimeter für Zentimeter in das deutsche Baurecht übersetzen lassen. Vor allem ein enormer Kommunikationsaufwand - Missverständnisse nicht einkalkuliert.
"Und da gibt es natürlich zwischen Deutschen und Chinesen Reibungspunkte, weil zwei verschiedene Welten von der Arbeitsweise aufeinandertreffen. Die Bauphysik ist überall gleich, aber da galt es schon viele Missverständnisse auszuräumen. Die Hauptzeit ist eigentlich, die unterschiedlichen Denkweisen und Kulturen auf eine Linie zu bringen."
Manfred Bauer findet seit zwei Jahren Kompromisse. Zwischen den ästhetischen Vorstellungen der chinesischen Investoren und der deutschen Bauordnung. Geplant ist: Traditionelle Bauelemente werden in China gefertigt. Die groben Arbeiten, Aushub, Fundament und Hochbau machen deutsche Firmen. Manfred Bauer spricht zur Zeit mit der Ausländerbehörde und mit dem Arbeitsamt, damit chinesischen Facharbeiter einreisen können.
"Ich meine, man muss natürlich auch einsehen: Die Politik in der Europäischen Union hat klare Richtlinien gegeben, da gibt es entsprechende Gesetze und Verordnungen, welche Arbeitskräfte hier eingesetzt werden können. Wenn Sie die komplette Inneneinrichtung sehen, dann können Sie sehen, warum ein deutscher Schreiner die nicht unbedingt hinkriegt. Traditionelles Handwerk: Holz, Steine, Platten, Vertäfelungen - Material, dass Sie hier überhaupt nicht bekommen. Das muss dann aus China importiert werden."
Es gibt noch ein ganz anders Problem. Das Hotel hat offiziell noch keinen Namen. Eine Sache hatte die Huarong Group in Peking unterschätzt. Die politische Großwetterlage um China und seine Beziehungen zum Ausland: die Konflikte um Tibet. Ausgerechnet unter dem Namen des alten Kaiserpalastes "Potala" in Lhasa soll das chinesische Projekt in Europa vermarktet werden - als "Potala Place Hotel.
"Die chinesische Regierung hat sich nicht dagegen ausgesprochen, dass es so heißt. Sondern das war vor ein paar Monaten, als das Problem Tibet weltweit in die Presse gekommen ist und auch öffentlich diskutiert wurde. Da hat man gesucht, wir sollen den Ball ein bißchen flach halten, um nicht zusätzliche Angriffspunkte zu bieten. Weil es ja als Affront gewertet werden könnte, wenn wir jetzt hier in Frankfurt ein Hotel haben, das 'Potala Palace' heißt. Und die Probleme in Tibet haben wir ja im Fernsehen gesehen, was da passiert."
Und wieder sitzt Manfred Bauer zwischen den Stühlen. Den Namen "Potala Plalace" hat sich die Marketingabteilung des Mutterkonzerns in Peking ausgedacht. "Naiv" würde man aus ausländischer Sicht urteilen.
Manfred Bauer sagt dazu nichts. Zur Zeit gibt es offiziell also noch keinen Namen. Bis zum Spatenstich muss auch dieses Problem deutsch-chinesischer Befindlichkeit gelöst sein. Manfred Bauer zeigt die nötige Gelassenheit.
"Ich sehe das mittlerweile entspannt, für mich gibt es immer nur das Problem, das ich im Augenblick zu lösen habe. Und deshalb denke ich nicht an morgen. Ich weiß, dass morgen bestimmte Dinge anstehen - oder auch in der Zukunft. Bei einem deutsch-chinesischen Projekt gibt es eigentlich tagtäglich Dinge, die sofort erledigt werden müssen. Die meisten sind dann unerwartet. 50 Prozent unerwartet, 50 Prozent erwartet."
Deshalb muss Manfred Bauer auch wieder weiter telefonieren und führt mich ins Büro zu seinem Assistenten Xueming Tiang.
"Mein Name ist Tian. Ich bin der Assistent von Herrn Bauer. Die Denkweise ist eine ganz andere. Ganz unterschiedlich. Zuviel! Ich arbeite jeden Tag mit Herrn Bauer zusammen. Über manche Sachen streiten wir uns ein bißchen. Er denkt schon chinesisch, aber das Verhalten zwischen Chinesen und Deutschen ist zu unterschiedlich."
"Das merkt man eigentlich immer nur, wenn man bei der Arbeit ist. Da tritt das auf. Das ist kein Streit. Der Chinese verhandelt gerne etwas länger als der Deutsche. Also der Deutsche kommt schneller zum Punkt. Aber wenn der Chinese sich entschieden hat, dann muss das umgesetzt werden. Und zwar ohne Zögern. Da fehlt nach meiner europäischen Auffassung etwas die Geduld des Chinesen. Letztendlich muss man immer auf beide Seiten Rücksicht nehmen."
"Oh ja, doch, ich habe etwas bemerkt. Wir Chinesen: Wenn Sie etwas sagen möchten, können Sie jederzeit anrufen, auch auf der Handynummer. Hier in Deutschland ist nach der Arbeit Schluss."
In einer Ecke des Büros steht ein Fernseher. Sonst laufen hier Pferderennen. Vielleicht in den nächsten Tagen dann die olympischen Spiele in Beijing?
"Ich denke, die größte Feier ist in China in Bejing. Wir werden auch zusammen feiern mit unseren Kollegen aus China."
"China-Heat" nennt Polly Yu den immensen Investitionsdrang chinesischer Investoren zur Zeit. Die Chinesin aus Hongkong, Mitte 30, die deutsch, englisch, mandarin und mehrere chinesische Dialekte spricht, leitet seit 2006 das China-Desk in der Wirtschaftsförderung der Stadt Frankfurt.
"Für mich hat das schon eine große Bedeutung für Deutschland. Nicht nur, dass die Investition hierher nach Frankfurt kommt. Wir haben viel mehr Chancen für den Erfahrungsaustausch. Wenn wir mit den Kunden sprechen, dann ist Frankfurt immer in der Shortlist, wenn sie überlegen: Wohin sollen wir investieren?"
Wo und wie sie die Eröffnung der Oympischen Spiele anschaut, darüber habe sie sich noch gar keine Gedanken gemacht, sagt die energische junge Frau in Jeansrock und weißer Sommerbluse. Mit ihren Kollegen leistet sie in ihrem Büro in der Hanauer Landtsraße Pionierarbeit. Sie knüpft die Netze zwischen China und Frankfurt.
Über 300 chinesische Firmen haben sich mittlerweile im Rhein-Main Gebiet angesiedelt. Im letzten Jahr gab es allein Frankfurt zehn Neugründungen. Auch die deutsche Tochterfirma des Huarong-Konzerns. Polly Yu lächelt und sagt: ein tolles Projekt für Frankfurt!
"In zehn Jahren, ja. Ich hoffe sehr, dass die chinesische Business-Community die Top-Community in Frankfurt wird. Das bedeutet, die Investoren können hier langfristig investieren. Sie haben eine langfristige Strategie. Ich hoffe, die Qualität der Investitionen verbessert sich. So viele chinesische Investoren denken: 'Ich versuche mal, ich probiere, mal sehen, was kommt.' Danach aber gibt es Bedenken. Es ist ein Risiko, wenn man im Ausland investiert, deshalb sollen sie auch viel besser vorbereitet sein. Und langfristig denken. Wenn sie hierher kommen, bedeutet das nicht nur, dass sie eine Investition machen, sondern das ist auch ein Image für die Chinesen."
Die Goldgräberstimmung erzeugt Reibung und Verluste. Gelegentlich kühlt die "China-Heat" auf den Schreibtischen deutscher Ämter ab. Zum Beispiel dann, wenn der chinesische Investitionsdrang auf die deutsche Gesetzgebung prallt. Aufenthaltsrecht, Arbeitsrecht, und Steuerrecht das Tempo drosseln. Auch Polly Yu kennt das Wort "Ämterdschungel". Sie lacht. Zwischen deutscher und chinesischer Mentalität zu verhandeln, das ist ihr Tagesgeschäft.
"Die gute Namen haben wir schon in der Stadt, wir hoffen auch sehr eine Plattform: Das ist auch für die Internationalisierung. Wieso sind wir hier: Wir sind bereit, den Chinesen zu helfen, hierher zu kommen. Wir hoffen alle, dass wir zusammen langfristig entwickeln. Das ist nicht nur meine Arbeit, sondern die Zusammenarbeit von allen. Auf jeden Fall ist das eine Crosskultur. Das ist eine sehr interessante Arbeit für mich."
"Ich wünsche mir, dass chinesische Investoren die deutsche Wirtschaft weiter ankurbeln."
Zhiyuan Zhang steht am Fenster im 28. Stockwerk eines Frankfurter Hochhauses. Vor ihm liegt die Stadt zerteilt in kleine Würfel, Rechtecke und Rauten.
"Mein Name ist Zhang ich komme aus Schanhgai, ich bin ein chinesischer Rechtsanwalt, im Moment bin ich Leiter des China-Desk der Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft. Und ich bin auch der erste chinesische Rechtsanwalt, als Mitglied einer deutschen Rechtsanwaltskammer in Frankfurt am Main."
Der junge Mann im eleganten Anzug hat in Peking und Saarbrücken Jura studiert und dabei Deutsch gelernt. Dass er im Interview Deutsch spricht, hat etwas Überredungskunst gekostet. Zhiyuan Zhang ist 33 Jahre alt, und er ist der erste und einzige chinesische Anwalt, der an einem deutschen Gericht zugelassen ist.
"Für mich ist es natürlich einfach, Mandaten zu bekommen. Dann muss ich gut arbeiten. Letztes Geschäftsjahr hatte ich ungefähr 40 chinesische Mandanten. Mein Schwerpunkt ist eigentlich Handelsrecht mit Bezug auf chinesisches Recht."
Manchmal soll er aber einfach nur nach einer Immobilie Ausschau halten, ein Hotelzimmer buchen oder einen Tisch in einem Chinarestaurant reservieren und entnervte chinesische Geschäftsmänner über das komplizierte Deutschland hinwegtrösten. In seinem Büro hängt ein chinesisches Schriftbild in Tusche. Er übersetzt. "Kleine Gefäße laufen schneller über als Große. Laotse", sagt er und schaut aus dem Fenster. Für Zhiyuan Zhang ist es extrem wichtig, einen weiten Horizont zu haben.
"Ich habe oft gelesen, dass Deutsche Bilder von China als 'wilden Osten' zeichnen, und China vom 'hochmütigen Westen'. Ich unterscheide meine Eindrücke und falsche Bilder voneinander. Ich muss oft das unterschiedliche Denken zwischen Deutschen und Chinesen erklären."
Die Bilder in den Köpfen, die Schimären vom "Wilden Osten" und das Bild vom "Hochmütigen aus dem Westen" - "vom Kolonialherren", sagt Zhiuyan Zhang.
"Ich sage: Beide sind nicht Teufel, sind anständige Menschen, und versuche, für beide Seiten eine vernünftige Lösung zu finden. Nicht typisch deutsch, auch nicht typisch chinesisch. Beide sollen einen Treffpunkt finden, beide zu 50 Prozent. Ich übe mich in Zurückhaltung."
Die Goldgräberstimmung in China schwappt auch nach Frankfurt. Hier sind zur Zeit die Immobilien für chinesische Verhältnisse günstig, günstiger als Schanghai. Trotzdem: 70 Prozent der "Hals-über-Kopf-Investoren" - Investoren, die nicht gut genug auf den deutschen Markt vorbereitet sind - scheitern, schätzt Zhiyuan Zhang.
In einem Nebenraum stapeln sich 800 Kilo Papier. Akten eines Konkurs- Prozesses. Zwei Jahre alt. Ein Unternehmen hat sich verschätzt mit den deutschen Baubestimmungen, mit dem Arbeits-und Aufenthaltsrecht. Ein Thermalbad für klassische Bäderkur und chinesische Heilkunst in einem hessischen Kurort sollte komplett mit chinesischen Arbeitskräften gebaut werden.
"In Deutschland gibt es viele Kosten. Man hat vorher in China nicht damit gerechnet, für die Arbeitnehmer oder das Finanzamt. Deswegen gibt es oft Überraschungen für chinesische Investoren. Jeder Investor will hier in Deutschland nicht nur ein kleines Unternehmen führen. Aber was wirklich realisiert wird ist unterschiedlich. Nicht alle chinesischen Unternehmer sind erfolgreich."
Manche Investoren scheitern schon bei der Einreise am Frankfurter Flughafen. Werden von den deutschen Behörden wieder zurückgewiesen.
400 Chinesen bleiben pro Woche im Transit hängen, schätzt Zhang grob, es sind nicht alle seine Mandanten. Er lacht. Manchmal wegen ungenügender Papiere. Oft sind es aber auch nur sprachliche Missverständnisse und Übersetzungsfehler.
"Nicht selten werden chinesische Unternehmer zurückgewiesen. Weil sie nicht gut ausgebildet sind. Weil die nach deutschem Verständnis keine richtigen Geschäftsleute sind. Wegen fehlender Sprachkenntnis kann sich die Befragung durch die deutsche Bundespolizei sehr schwierig erweisen. Zwar geht es auch mit Dolmetscher. Aber es bringt nicht immer so viel."
Wenn ein chinesischer Geschäftsreisender am Flughafen festsitzt, dann klingelt das Telefon von Zhiyuan Zhang. Dann muss er raus am zum Flughafen, auch nachts. Er zeigt aus dem 28. Stockwerk hinunter auf die Straßen und Häuser im Frankfurter Bahnhofsviertel. Dann erzählt er die Geschichte von einem chinesischen Geschäftsmann, der für sieben Millionen einen dieser Würfel kaufen wollte, aber von der Bundespolizei wegen nichterfüllter Visa-Bedingungen mit der nächsten Maschine nach Peking zurückfliegen musste.
"Die meisten sagen: Ich komme nie mehr wieder. Es gibt Frankreich, es gibt Amerika. Es gibt nicht nur Deutschland. Wenn ich Geld habe, wieso muss ich in Deutschland investieren? Damit verliert Frankfurt einfach auch viel Geld."
Die Bürokratie bremst. Die Einreisegesetzgebung ist streng. Das Ausländerrecht scharf. Das Arbeitsrecht für einen Chinesen kaum nachvollziehbar. Zhiyuan Zhang lehnt sich nach hinten, als würde ihn die Last der Komplikationen der deutsch-chinesischen Wirtschafts-beziehungen dazu zwingen. Dann zitiert er Laotse, der sagt, man solle sich nicht beschweren.
"Meiner Meinung nach sind viele chinesische Investoren im Moment als Abenteuer in Deutschland. Die haben nicht ganz gut geplant. Aber nach chinesischer Kultur - zuerst probieren, dann kucken was passiert. Dann weitergehen. In Deutschland ist das schwer. Vielleicht sind viele Euro dabei."
Noch ist er der einzige Mann am China-Desk . Ein Juwel für die Kanzlei. Er ist für alle Fragen zuständig, die die deutsche und chinesische Kultur, alle Fragen, die die deutsche Rechtssprechung betreffen. Das bedeutet fast jeden Abend ein Abendessen mit chinesischen Landsleuten.
"Viel Stress gibt es in so einem fremden Land. Wenn einer Stress hat, muss ich es klären. Wie ein Babysitter muss ich die Mandanten wie Kinder betreuen, nicht wie Erwachsene. Viele Mandanten haben zu wenige Kenntnisse über Deutschland. Ich muss alle belehren."
Zhiyan Zhang ist Anwalt, Vertrauensmann, Psychologe zugleich. Er hat einen Aktenordner angelegt. "Legenden" steht darauf. Darin sammelt er die schönsten, die tragischsten, die skurilsten und die erfolgreichsten seiner Fälle aus seiner Pionierzeit in Deutschland. Falls er in 20 Jahren in China Rechtsprofessor werden würde, könnte er den Studenten all diese Geschichten erzählen. Zhiyuan Zhang lacht und macht den Eindruck, als könnte er das locker schaffen!
"Für mich persönlich: Ich bin sehr glücklich, diesen Prozess zu begleiten und durch meine Arbeit vielen chinesischen Investoren helfen zu können. Es bringt mir viel Berufsstolz. Manchmal ist der noch wichtiger als das Geld. Manchmal finde ich ganz neue Lösungen für beide Seiten."