China

Mao, Möhrchen und die Ökorevolution

Ökofarm in China/ Hong-Kong
Eine Ökofarm in China © ALEX OGLE / AFP
Von Ruth Kirchner |
Sie wenden sich der sozialistischen Vergangenheit zu, sie sind neue, junge Anhänger des Staatsgründers Mao Zedong. Sie leben als Ökobauern in einer Kommune und fühlen sich wie im Paradies.
Bauer werden ist nicht einfach. Ein Dutzend junge Männer häufelt Erde für Erdbeer-Beete auf. Der Boden ist trocken und steinig, die Arbeit hart und mühsam, der Umgang mit dem Spaten ungewohnt. Strohhütte schützen vor der Spätsommer-Sonne. Der Schweiß läuft den jungen Arbeitern über die Gesichter, die Grillen zirpen laut in den Bäumen. Trotzdem fühlt sich Liu Guangke wie im Paradies.
"Ich hatte vorher zwei andere Jobs, unter anderem in einer staatlichen Stahlfirma".
Sagt der 25-jährige Maschinenbauingenieur.
"Aber ich wusste nicht, was ich dort sollte. Ich wollte etwas tun, das Sinn macht."
Sinn finden Liu und 80 Mitstreiter Leute auf der Öko-Farm "Gerechter Weg". Auf zehn Hektar bauen sie Bio-Möhren, Zucchini und Kohl an, pflanzen Apfelbäume und füttern Hühner. Alles im Kollektiv:
"Ich mag das kollektive Leben".
Sagt der 24-jährige Ge Yakun – ein studierter Bergbauingenieur.
"Wir leben zusammen, wohnen in Schlafsälen, wir lernen voneinander. Das ist gut für mich."
Hof "Gerechter Weg"
Israel hat die Kibbuzim, Japan seine egalitäre Yamagishi-Bewegung. Und China hat den Hof "Gerechter Weg". Gegründet wurde die Öko-Farm vor 18 Monaten von einem der bekanntesten Neo-Maoisten Chinas: Han Deqiang, 48 Jahre alt, Professor an einer Pekinger Universität, radikaler Sozialist und Nationalist. Mit Hilfe reicher Freunde – alle Anhänger von Mao – hat er die Farm gekauft und baut dort nun an seinem sozialistischen Traum. Immer unter Verweis auf den großen Steuermann. Schon am Eingang hängt ein Poster von Lei Feng, Maos Vorzeige-Soldat, und die Parole: "Dem Volke Dienen".
"Maos Gedanke, dem Volk zu dienen, sollte auch heute unser Leitgedanke sein. Wenn du nur an dich selbst denkst, als korrupter Beamter, als bestechlicher Arzt oder Lehrer nur in die eigenen Tasche wirtschaftest, zerstört das das Vertrauen in der Gesellschaft, das ist der falsche Weg."
Maos Ideen könnten China auf den richtigen Weg zurückbringen und den Egoismus überwinden, glaubt Han. Dass die Kollektivierungs-Experimente Maos Ende der 50er-Jahre in katastrophalen Hungersnöten mit Millionen von Toten endeten, lässt der Professor nicht gelten:
"Der Vorsitzende Mao hat die Kollektiv-Wirtschaft nach China gebracht. Sicher, an einigen Orten hat das nicht funktioniert, aber anderswo war es ein Erfolg, davon sollten wir lernen."
Wenig Wissen über die Verbrechen Maos
Han Deqiangs Mitstreiter wissen - wie die meisten jungen Chinesen – nur wenig über die jüngere Geschichte ihres Landes oder gar über die Verbrechen Maos. Die Entbehrungen wie auch die brutalen Säuberungskampagnen von damals – all das ist ihnen fremd. Stattdessen sind sie im blanken Materialismus der Reform-Ära groß geworden und unter dem enormen Erwartungsdruck ihrer Eltern. Doch statt von Eigentumswohnungen träumen sie jetzt von einem einfachen Leben und schauen mit verklärtem Blick auf die Vergangenheit.
"Wir sind mit der Mao-Verehrung aufgewachsen, sagt der junge Liu. Die ganze Nation liebt Großvater Mao. Wenn man sich die Geschichte anschaut, die sozialen Probleme, der Vorsitzende Mao und die Kommunistische Partei haben viel in China und der Welt verändert."
Mittagszeit: die Küchengruppe hackt Gemüse und kocht: Zuccini, Mais und Reis wird für alle in großen Aluminium-Bottichen unter einem Sonnendach angerichtet.
Beim Essen scheppert aus Lautsprechern Musik – keine revolutionären Lieder, sondern Klänge zur Entspannung. Nach der Arbeit auf den Feldern findet Unterricht statt: Es geht um ökologischen Landbau und um das Kollektiv. Wer sich nicht engagiert, wird kritisiert – in Anlehnung an die zur Mao-Zeit übliche – und oft missbrauchte – Form der Selbstkritik. Das Kollektiv sei auch wichtiger als Zweierbeziehungen , sagt Han Deqiang:
"Wir wollen eine Welt der universellen Harmonie bilden, alle Menschen sind eine große Familie. Da ist es problematisch, wenn sich jemand zu sehr um seine eigene Familie kümmert. Dann zerbricht das Kollektiv."
Wer sich verliebt, muss den Hof des "Gerechten Weges" daher verlassen. Noch scheinen die jungen Neo-Maoisten sich damit abzufinden. Wie auch mit dem Einheitslohn von umgerechnet 180 Euro pro Monat. Denn zumindest darin unterscheidet sich der Hof des Gerechten Weges von der Mao-Zeit. In den 60er Jahren zwang Mao junge Leute aufs Land zu gehen. Heute gehen sie freiwillig. Zumindest einige wenige.
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