China hat in den vergangenen zwei Jahren mit der Null-Covid-Strategie die Infektionszahlen erfolgreich niedrig gehalten. Bei kleinsten Ausbrüchen wurde mit harten Lockdowns, Massentests und Reiseverboten reagiert. Die Grenzen der Volksrepublik sind seit zwei Jahren weitgehend dicht. Doch seit einiger Zeit häufen sich die Fälle auch in China. Die stark ansteckende Omikron-Variante führt dazu, dass ganze Städte zeitweise völlig abgeriegelt werden, wie jetzt in Schanghai.
Schanghai im Dauerlockdown
Wegen des Lockdowns in der chinesischen Millionen-Metropole Schanghai sind die Bewohner darauf angewiesen, dass ihnen Lebensmittel in die Wohnung geliefert werden. © picture alliance / Xinhua News Agency / Fang Zhe
Anpassung der Null-Covid-Strategie nötig
07:58 Minuten
Durch den Lockdown in Schanghai und steigende Coronazahlen sieht der Wirtschaftsexperte Christian Sommer China in einer schweren Krise. Die Lebensmittelversorgung werde zwar besser organisiert, aber eine Anpassung der Regierungsstrategie sei nötig.
Die chinesische Metropole Schanghai mit 25 Millionen Menschen ist seit Wochen im Dauerlockdown. Die Regierung versucht, die steigenden Corona-Neuinfektionen einzudämmen. Kaum jemand darf seine Wohnung verlassen. Im Internet gibt es Hilferufe von Menschen, die zu Hause nicht mehr genug Lebensmittel haben.
"Einkaufen dürfen wir nicht", erzählt Christian Sommer, der in Schanghai das "German Center" leitet, das Unternehmen Büroflächen vermietet und Kontakte vermittelt. Der deutsche Jurist sitzt seit einem Monat in seinem Haus mit Garten fest und ist nach eigenen Worten noch vergleichsweise gut situiert.
Angewiesen auf Lieferungen von Lebensmitteln
Alle Bewohner seien jetzt auf die lokalen Nachbarschaftskomitees angewiesen, die die Lebensmittelversorgung durch Lieferdienste organisierten, sagt Sommer. "Das funktioniert natürlich in einer 25-Millionen-Stadt mal besser und mal schlechter." Wichtig sei deshalb auch die private Nachbarschaftshilfe. In seinem Viertel mit nur etwa 300 Wohnhäusern funktioniere das ganz gut. "Da kennen sich die meisten Leute, deshalb ist das viel leichter zu organisieren."
In den Wohnsilos mit 3000 bis 5000 Wohnungen sei die Nachbarschaftshilfe oft weniger ausgeprägt. "Da kennt man sich untereinander nicht. Das ist zum Teil sehr anonym", sagt Sommer. Dort sei eine Gruppenbestellung ein ganz anderer Aufwand.
Auch die Nachbarschaftskomitees seien unterschiedlich leistungsfähig, so Sommer. Diese Verwaltungseinheiten, die teilweise der Kommunistischen Partei unterständen, seien für diese Aufgabe auch gar nicht ausgebildet. "Das ist logisch, dass das nicht überall funktioniert."
Die Lieferdienste seien zunächst ebenfalls in Quarantäne gewesen, obwohl eigentlich mehr von ihnen benötigt würden. Statt der 40.000 Lieferanten seien zu Beginn des Lockdowns in der Stadt nur noch wenige Tausend gewesen. Insgesamt sei die Lebensmittelversorgung in Schanghai jetzt wieder besser als in den ersten Tagen.
Wieso die Infektionszahlen in der Stadt trotz des strengen Lockdowns unverändert hoch sind, kann sich auch Sommer nicht erklären.
Anpassung der Covid-Strategie nötig
Sommer sieht das Land in einer sehr schweren Krise. Die Regierung habe das Land bisher zwei Jahre lang mit der Null-Covid-Strategie relativ erfolgreich durch die Pandemie gebracht. "Aber jetzt ist das anders", so der China-Kenner. Das müsse jetzt geändert werden. "Ich hoffe, die Regierung ist da jetzt flexibel und passt die Null-Covid-Strategie so an, dass sie in der Bekämpfung funktioniert."
China verliere angesichts dieser Entwicklung dramatisch an Reputation, sagt Sommer und rechnet mit langfristigen Folgen für die Wirtschaft. Er hofft, dass dadurch der Druck auf die Pekinger Führung wächst, um die bisherige Null-Covid-Strategie so anzupassen, dass sie praktisch funktioniert und nicht die Wirtschaft abwürgt. Die bisherigen Maßnahmen seien zwar drastisch, aber auch immer nach einer relativ kurzen Zeit vorbei gewesen. Jetzt seien viele Chinesen unzufrieden, weil sie das Gefühl hätten, dass die Maßnahmen nicht mehr zu einer Lösung führten.
(gem)