Wohin mit Deutschlands Plastikmüll?
Deutschlands Recyclingsystem steht vor einer großen Herausforderung. Denn China, bisher größter Importeur von Kunststoffabfällen, hat seine Grenzen dicht gemacht. Nun sind alle gefordert nachzubessern: Die Recyclingunternehmen, die Politik - aber auch die Verbraucher.
Es rattert, brummt und pfeift in der großen Sortierhalle der EGN Entsorgungsgesellschaft Niederrhein in Krefeld. Ein bisschen riecht es auch nach Müll – denn das ist der Stoff, der hier sortiert wird: Verpackungsmüll, frisch geliefert und an einer Seite der Halle zu etwa vier Meter hohen Bergen aufgetürmt.
"Wir sortieren hier in unserer Sortieranlage aus den gelben Tonnen und gelben Säcken zum einen Weißblechdosen, Aluminiumverpackungen, vier verschiedene Sorten von Kunststoffverpackungen und die sogenannten Verbundverpackungen, also sprich Tetra-Pak",
erklärt Firmensprecherin Kristiane Helmhold und zeigt auf mehrere schwarze Bänder, auf denen bunte Verpackungen über mehrere Etagen wandern.
"Das geht los mit Überbandmagneten, die die metallischen Verpackungen heraus sortieren, geht dann in den Bereich, wo wir mit Wirbelstrom arbeiten und Aluminium heraus sortieren und für uns auch ganz wichtig, die Sortierung der Kunststoffe geschieht mit einer Nah-Infrarot-Erkennung – sehen wir gleich oben."
Kristiane Helmhold steigt zwei Metalltreppen empor. Hier, auf den höheren Etagen sieht man die Verpackungen im Zick-Zack von einer Station zur nächsten wandern, wobei es von Anlage zu Anlage immer weniger werden.
"Für jede Kunststoffsorte gibt es eine spezielle Trenneinheit, Sortiereinheit. Das ist auch die Grundvoraussetzung fürs spätere Recycling, weil wir möchten sortenreine Kunststoffe aus der Anlage herausbekommen, die auch weiter verwertet werden können."
Verschmutzte Abfälle können nicht recycelt werden
Die Krefelder Sortier-Anlage erkennt die Verpackungskunststoffe Polyethylen, Polypropylen, Polystyrol und PET bis zu 95 Prozent genau. Aus diesen sortierten Materialien stellt die Entsorgungsgesellschaft dann Kunststoff-Granulate her, kleinste Kunststoff-Schnipsel, die wiederverwertet werden können.
Allerdings stößt die Technik dort an ihre Grenzen, wo Verpackungen aus verschiedenen Kunststoffen zusammengeklebt oder verschmutzt sind. Diese Abfälle können nicht recycelt werden. Sie landen in Müllverbrennungsanlagen – und bis vor kurzem auch in China. Doch seit das Land die Einfuhr von Kunststoff-Müll gestoppt hat, ist der Verkauf nach China nicht mehr möglich.
"Da die chinesischen Partner nichts mehr nehmen dürfen, ist natürlich auf dem deutschen, sukzessive auf dem europäischen Markt ein extremer Druck. Das merkt man zum einen an den Preisen und das merkt man auch zum anderen an den Anforderungen, die an die Qualitäten der einzelnen Kunststoffe gestellt werden. Was früher noch ging, was in China denn noch mit Manpower nachsortiert wurde, geht natürlich in Europa nicht, kostentechnisch",
erklärt der Betriebsleiter der Krefeler Entsorgungs-Anlage der EGN, Jürgen Latzke. Wurden für eine Tonne Kunststoff-Folie früher noch bis zu 120 Euro bezahlt, sind es jetzt bestenfalls noch 20 Euro. Der Preisverfall belastet vor allem die Sammel-Unternehmen, die ihren Kunststoff-Müll nur noch mühsam oder schlecht bezahlt los werden.
Die Recycling-Unternehmen dagegen profitieren zurzeit von dem Überangebot: Nicht nur müssen sie weniger bezahlen, sie können sich auch noch die besten, also sortenreinsten Qualitäten aussuchen. Für Jürgen Latzkes Sortier-Anlage bedeutet das:
"Wir müssen noch mehr auf Qualitäten achten, wir müssen mehr auf Sortenreinheit achten. Das ist das A und O."
Die Technik dafür sei da – sagt er – um den Müll in seine Bestandteile zu trennen:
"Wir sind bemüht, alles was drin ist, rauszuholen. Nur, wenn von vornherein nicht drin ist, was wir rausholen können, haben wir natürlich ein Riesenproblem."
Wird nicht gut sortiert, gehen Stoffe für die Wiederverwertung verloren
Heißt: Wenn auch Glas, Bio-Müll oder andere Stoffe in der gelben Tonne landen, oder an einem Joghurt-Becher noch der Aluminium-Deckel klebt, sortiert die Krefelder Anlage das später als Rest-Müll aus. Diese Stoffe sind für die Wiederverwertung dann verloren.
Viele Kommunen hätten ihre Restmülltonnen verkleinert, sagt der Kunststoff-Experte des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung, Thomas Probst.
"Dadurch wird immer mehr in die Gelbe Tonne, gelben Sack, einsortiert, was da nicht hinein gehört. Und das können wir so nicht weiterfahren."
Neben dem Verbraucher sieht er deswegen auch die Kommunen in der Pflicht. Aber nicht nur die, es müsse jetzt auf vielen Ebenen ein Umdenken stattfinden.
"Es ist eine Chance, dass sich alle Beteiligten der ganzen Kette – das sind die Verpacker, die die Kunststoffe einsetzen, das sind die Dualen Systeme, das sind die Verbraucher, das ist die Kommune und das sind die Sammler, Sortierer und Recycler, dass die sich alle zusammensetzen und überlegen, wie man die bestehenden Systeme verbessern kann."
Zum Beispiel müsste die Industrie mehr Recyclate, also recycelte Kunststoffe, einsetzen. Wenn sie das nicht freiwillig tut, könnten Steueranreize oder festgesetzte Quoten helfen.
Nach Ansicht von Jürgen Latzke sollte außerdem die Verpackungsindustrie schon bei der Herstellung ihrer Produkte an eine mögliche Wiederverwertung denken.
Zurück in der Sortier-Halle zeigt sich an der Station für Polyethylen, also dem Stoff, aus dem die meisten Flaschen von Reinigungsmitteln, Waschmitteln oder Haarshampoos bestehen, wie gut Recycling funktionieren könnte:
"Alles, was hier in der Sortieranlage heraussortiert wird, geht in die stoffliche Verwertung, wird also zu einem neuen Produkt wieder recycelt."
Bottle to Bottle – Flasche zu Flasche, das ist das Ziel. Wie weit Deutschland davon noch entfernt ist, wird sich zeigen. Vielleicht schon in den nächsten Monaten. Denn es sollte bald sichtbar werden, ob durch die zigtausend Tonnen an zusätzlichem Kunststoffmüll die Durchsätze in den Müllverbrennungsanlagen steigen oder doch die Sortier- und Recyclingquoten.