Keine Aussöhnung mit Japan
11:09 Minuten
Für China begann der Zweite Weltkrieg bereits 1931, also noch bevor die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kam. Damals marschierte Japan in China ein. Eine Aufarbeitung der Kriegsgreuel hat bis heute kaum stattgefunden.
In der Stadt Hailar, ganz im Norden von China, gibt es ein imposantes Weltkriegsmuseum. Es liegt am Stadtrand auf einer Anhöhe. Vor dem Eingang stehen mehrere alte sowjetische Panzer. Aus Lautsprechern tönen Kriegslieder aus den 1940er-Jahren.
Im Foyer des Museums steht eine Steinskulptur, die ein riesiges aufgeschlagenes Buch darstellt. Auf den beiden Buchseiten steht in roten Ziffern "1931 bis 1945" und die aus zwei chinesischen Schriftzeichen bestehende Aufforderung: "Wù Wàng" – "Vergesse niemals!" Hinter dem Buch hängt die rote Flagge der Kommunistischen Partei Chinas, eingerahmt durch zwei Zitate von Staats- und Parteichef Xi Jinping.
Im Foyer des Museums steht eine Steinskulptur, die ein riesiges aufgeschlagenes Buch darstellt. Auf den beiden Buchseiten steht in roten Ziffern "1931 bis 1945" und die aus zwei chinesischen Schriftzeichen bestehende Aufforderung: "Wù Wàng" – "Vergesse niemals!" Hinter dem Buch hängt die rote Flagge der Kommunistischen Partei Chinas, eingerahmt durch zwei Zitate von Staats- und Parteichef Xi Jinping.
Ein japanischer Marionettenstaat
"Wir haben in dieser Ausstellung unter anderem Bombensplitter des Zwischenfalls vom 18. September und Überreste von Schienen der Süd-Mandschurischen Eisenbahn", erzählt eine Museumsführerin. In grüner Militäruniform führt sie eine Besuchergruppe durch das Gebäude.
Der 18.-September-Zwischenfall und die Südmandschurische Eisenbahn – das sind zwei Schlüsselbegriffe, die in China für den Beginn des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges stehen und damit auch für den Beginn des Zweiten Weltkriegs in Asien.
Der 18.-September-Zwischenfall und die Südmandschurische Eisenbahn – das sind zwei Schlüsselbegriffe, die in China für den Beginn des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges stehen und damit auch für den Beginn des Zweiten Weltkriegs in Asien.
"Der Zwischenfall vom 18. September 1931 war ein inszenierter Anschlag auf die Eisenbahn im damaligen Landesteil Mandschurei. Das japanische Militär steckte dahinter, beschuldigte aber chinesische Soldaten. Japan nutzte diesen vermeintlichen Anschlag dann als Vorwand, um chinesische Truppen im Norden Chinas anzugreifen."
Das japanische Kaiserreich errichtete nach dem inszenierten Angriff auf die Eisenbahnstrecke einen Marionettenstaat namens Mandschukuo. De facto wurde dieser kontrolliert von Japan. Der 18. September 1931 – der Tag Angriffs – wird in China als Anlass zur Gründung dieses japanischen Vasallenstaates gesehen und dieses Datum gilt deswegen auch als Beginn des militärischen Einmarsches Japans in China und damit auch als Beginn des Zweiten Weltkrieges in Asien.
Chinas Verbündete: die USA und die Sowjetunion
Nach offizieller Lesart der chinesischen Staats- und Parteiführung forderte der Zweite Weltkrieg in China rund 35 Millionen Opfer – eingerechnet Tote und Verletzte, Soldaten wie Zivilisten. Detaillierte Zahlen werden in China üblicherweise nicht genannt.
Nach insgesamt 14 Kriegsjahren wurden die japanischen Besatzer erst kurz vor Kriegsende aus China vertrieben, die letzten im August und September 1945. Letztlich entscheidend für Japans Niederlage waren der US-Atombombenabwurf über dem japanischen Hiroshima am 6. August und der sehr späte Kriegseintritt der UdSSR zwei Tage später, erklärt der Shanghaier Historiker Ma Jun.
"Vereinfacht gesagt: Der Grund dafür, dass China den Krieg auf Seite der Gewinner beendet hat, war – abgesehen von der mutig kämpfenden Bevölkerung: China stand während des gesamten Weltkriegs an der Seite der beiden mächtigsten Staaten. Das waren die USA und die Sowjetunion."
Nach insgesamt 14 Kriegsjahren wurden die japanischen Besatzer erst kurz vor Kriegsende aus China vertrieben, die letzten im August und September 1945. Letztlich entscheidend für Japans Niederlage waren der US-Atombombenabwurf über dem japanischen Hiroshima am 6. August und der sehr späte Kriegseintritt der UdSSR zwei Tage später, erklärt der Shanghaier Historiker Ma Jun.
"Vereinfacht gesagt: Der Grund dafür, dass China den Krieg auf Seite der Gewinner beendet hat, war – abgesehen von der mutig kämpfenden Bevölkerung: China stand während des gesamten Weltkriegs an der Seite der beiden mächtigsten Staaten. Das waren die USA und die Sowjetunion."
Das Bild vom blutrünstigen Japaner
Als einschneidendes Ereignis während des Zweiten Weltkriegs gilt in der öffentlichen Wahrnehmung in China das Massaker von Nanking. Ab Dezember 1937 ermordeten die japanischen Besatzer in der ostchinesischen Stadt zwischen 200.000 und 300.000 Menschen. Tausende Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt.
Diese japanischen Kriegsverbrechen lasten noch heute schwer auf den Beziehungen zwischen den beiden früheren Kriegsgegnern China und Japan. Auch 75 Jahre nach Kriegsende haben beide Staaten ihre Beziehungen nicht wirklich normalisiert, vieles wurde bis heute nicht aufgearbeitet. Im Gegenteil: In Alltagsfernsehdramen und historischen Seifenopern wird häufig immer noch das stereotypische Bild vom blutrünstigen japanischen Krieger gezeichnet – und das zur besten Sendezeit im staatlichen chinesischen Fernsehen.
Keine Aufarbeitung der Kriegsgräuel
Dass die Kriegsgräuel in den Jahrzehnten nach 1945 und bis heute nicht richtig aufgearbeitet wurden, das sei einer der entscheidenden Unterschiede zu Europa, betont der Shanghaier Historiker Ma Jun. Von einer Aussöhnung, wie etwa zwischen Frankreich und Deutschland geschehen, könne in Asien keine Rede sein.
"Etwas Ähnliches, eine Versöhnung zwischen China und Japan, wird es hier nur geben, wenn beiden Staaten ihre politischen und sozial-gesellschaftlichen Unterschiede überwinden. In dieser Hinsicht muss noch ein weiter Weg zurückgelegt werden."
"Etwas Ähnliches, eine Versöhnung zwischen China und Japan, wird es hier nur geben, wenn beiden Staaten ihre politischen und sozial-gesellschaftlichen Unterschiede überwinden. In dieser Hinsicht muss noch ein weiter Weg zurückgelegt werden."
Chinas kommunistische Staats- und Parteiführung hat offenkundig auch andere Prioritäten. Was etwa Kindern im Schulunterricht vermittelt wird und was in aktuellen Geschichtsbüchern steht, setze andere Schwerpunkte, erklärt Ma Jun.
"Es geht darum, Chinas Verdienste während des Krieges als bedeutender darzustellen als bisher. Ob das aus wissenschaftlicher Sicht Sinn ergibt oder ein politisches Motiv ist, darüber lässt sich streiten."
Rolle der Kommunistischen Partei wird hervorgehoben
Die heutige, kommunistisch regierte Volksrepublik China wurde erst vier Jahre nach Kriegsende gegründet. Während des Zweiten Weltkriegs gab es noch die Republik China unter den sogenannten Guomindang. Gleichzeitig tobte aber bereits der chinesische Bürgerkrieg: Die Guomindang kämpften gegen die aufstrebenden Kommunisten mit Mao Zedong an der Spitze. Der konnte sich schließlich durchsetzen und im Herbst 1949 rief Mao Zedong die heutige Volksrepublik China aus.
"Heute wird in Chinas Geschichtsschreibung zunehmend die Rolle der Kommunistischen Partei während des Weltkriegs betont. Denn während die regulären Truppen der Republik China – die Guomindang – alles versuchten, um Kämpfen mit den Japanern aus dem Weg zu gehen, leisteten die kommunistischen Kämpfer jederzeit vollen Widerstand gegen das japanische Militär."
Der bevorstehende 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs auch in Asien spielt in China keine besonders große Rolle. Was Gedenk- und Jahrestage angeht, richtet sich der Blick der Staats- und Parteiführung vor allem nach innen.
"Heute wird in Chinas Geschichtsschreibung zunehmend die Rolle der Kommunistischen Partei während des Weltkriegs betont. Denn während die regulären Truppen der Republik China – die Guomindang – alles versuchten, um Kämpfen mit den Japanern aus dem Weg zu gehen, leisteten die kommunistischen Kämpfer jederzeit vollen Widerstand gegen das japanische Militär."
Der bevorstehende 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs auch in Asien spielt in China keine besonders große Rolle. Was Gedenk- und Jahrestage angeht, richtet sich der Blick der Staats- und Parteiführung vor allem nach innen.