Triumph über die westlichen Rivalen
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Bei den Sommerspielen 2000 in Sydney belegten die Chinesen noch Rang sechs des Medaillenspiegels. Vier Jahre später in Athen erreichten sie den ersten Platz. Seitdem dominiert die Volksrepublik den paralympischen Sport. Was sind die Gründe?
Der Aufstieg begann 2001. Die Olympischen und Paralympischen Spiele für 2008 wurden nach Peking vergeben. Nach Angaben der Kommunistischen Partei flossen jährlich 13 Millionen Euro aus Lotteriemitteln in den Behindertensport. Krankenhäuser, Schulen und Wohltätigkeitsorganisationen meldeten behinderte Jugendliche an lokale Sportverbände, so konnten diese für den Leistungssport gesichtet werden.
In China leben schätzungsweise einhundert Millionen Menschen mit einer Behinderung. Karl Quade, Chef de Mission des deutschen Paralympics-Teams, war mehrfach im Land unterwegs:
"China ist da eine andere Welt. Im paralympischen Trainingslager im Norden Pekings werden vier Jahre vor den Spielen 3000 Athleten zusammengezogen. Die wissen, dass nur jeder Zehnte bei den Spielen antreten darf. Das ist natürlich ein brutales Selektionssystem."
Bessere Infrastruktur in den Ballungszentren
Von den zehn erfolgreichsten Nationen im historischen Medaillenspiegel kommen acht aus Europa und Nordamerika. Die ersten drei – USA, Großbritannien und Deutschland – blicken auf 16 Paralympics-Teilnahmen zurück. China liegt mit erst zehn Teilnahmen bereits auf Rang vier. Als einziges Land der Top Ten, das sich kulturell nicht mit dem "Westen" identifiziert.
Die Kommunistische Partei kann ihre politischen Rivalen bei den Paralympics so weit hinter sich lassen wie bei keinem anderen großen Sportereignis. Sie interpretiert den Sport als Fürsorge des Sozialstaates. Seit den Paralympics in Peking 2008 habe sich die Infrastruktur für behinderte Menschen verbessert, etwa mit neuen Rampen und Fahrstühlen, berichtet Karl Quade:
"Zumindest in Peking, ja. Dort wurden die auch mit politischer Unterstützung gefördert. Das ging hoch bis ins Politbüro. Menschen mit Behinderungen haben dafür gesorgt, dass dort Menschen mit Behinderung wirklich aus den Verschlägen rausgeholt wurden, sage ich mal ganz brutal."
Von Rotgardisten gefoltert
Als wichtigster Förderer des Parasports gilt in China Deng Pufang. Der Sohn des früheren Staatschefs Deng Xiaoping wurde während der Kulturrevolution gefoltert und 1968 von Rotgardisten zu einem Sprung aus dem dritten Stock gezwungen. Seitdem ist Deng Pufang querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Deng gründete den chinesischen Behindertenverband. Landesweit entstanden paralympische Trainingsstützpunkte.
Doch einige Experten wie Stephen Hallett aus Großbritannien legten dar, dass diese Sportoffensive nicht repräsentativ sei für die Teilhabe von behinderten Menschen. Hallett lebte mehrere Jahre mit einer Sehbehinderung in China. Für die BBC dokumentierte er, wie behinderte Menschen in Bildung und Arbeitsmarkt benachteiligt werden.
Ob diese Themen in den kommenden Monaten eine breite Öffentlichkeit finden? Im März 2022 sollen in Peking die paralympischen Winterspiele stattfinden, kurz nach Olympia. Thomas Abel von der Sporthochschule Köln ist skeptisch:
"Ich wage zu bezweifeln, dass der Rückenwind, der mit der Vergabe dorthin vergeben ist, wirklich so richtig groß ist. Ich glaube, dass es eher sehr herausfordernd ist, dass man Winterspiele an einen Ort vergibt, der wirklich nicht für Wintersport bekannt ist, und an ein Land, bei dem man sich zurecht die große Frage stellt, ob die Idee der Olympischen und Paralympischen Spiele dort wirklich gut aufgehoben ist."
Folgen der Ein-Kind-Politik
Seit 2002 nehmen die chinesischen Sportler an den Winter-Paralympics teil. Seitdem haben sie dort erst eine Medaille gewonnen, 2018 in Pyeongchang: Gold im Rollstuhlcurling. Es ist wahrscheinlich, dass diese Zurückhaltung bei den Heimspielen in Peking ein Ende finden wird, sagt Andrew Parsons, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees:
"China möchte mehr Menschen für den Wintersport begeistern. Ich glaube, dass wir das 2022 bereits erkennen werden. Aber deutlicher wird sich der chinesische Aufschwung bei den kommenden Winterspielen bemerkbar machen, 2026 und vor allem 2030."
In China kommen jährlich Hunderttausende Kinder mit einer Behinderung zur Welt. Und diese Zahl könnte weiter wachsen, zum Beispiel als Folge von Umweltschäden. Ein anderer Grund könnten frühere Abtreibungen sein, erzwungen durch die Jahrzehnte lange Ein-Kind-Politik. Sport könnte in der Gesundheitsvorsorge und Reha von behinderten Menschen eine wichtige Rolle spielen.
Ob die Paralympics 2022 dafür eine Öffentlichkeit schaffen, ist zu bezweifeln.