Chinas Drang in die Welt
Kurz vor der Grenze lässt Yang Jin seinen Laster umladen – Arbeiter wuchten Kisten mit Bananen auf einen Lkw, der nicht nur in Thailand und Laos fahren darf, sondern auch in China. Ein staubiger Parkplatz ist das Zentrum von Borten, dem Grenzort inmitten von Palmen, von Dschungel. Yang Jin graut es schon vor der Wellblechbaracke, in der die laotischen Zöllner sitzen:
"Ehrlich gesagt, für mich ist Laos ein rückständiges Land. Anders als zu Hause in China, wird man dort abgezockt. Sie verlangen Bestechungsgelder. Ich hoffe, das ändert sich irgendwann. Ich befördere sieben Container mit über zehn Tonnen Gemüse am Tag. Jeder bringt mir Tausende von Yuan ein. 30 Stunden braucht das Gemüse vom chinesischen Kunming nur bis nach Bangkok. Auf dem Rückweg laden wir thailändische Bananen und Mangos. Die verkaufen sich überall in China, von Guangzhou im Süden bis Peking im Norden. Der Preis ist doppelt so hoch wie in Bangkok. Diese Bananen werden morgen Nachmittag in Chengdu ankommen. Bevor man die Autobahn von Kunming nach Bangkok gebaut hatte, dauerte eine solche Tour fünf Tage."
Das war vor 2008. Damals wurden die 1.800 Kilometer zur Transitpiste ausgebaut: von Arbeitern aus Thailand, von der asiatischen Entwicklungsbank und aus China. Wo die jeweiligen Streckenabschnitte der drei Bauherren enden, spürt man sofort: Der chinesische Teil wirkt wie eine deutsche Bundesstraße: Der Verkehr rollt ohne Probleme über intakten Asphalt. Auf den anderen Abschnitten quälen sich die Fahrer über Schlaglöcher und Schotter. Staubwolken kündigen Gegenverkehr an. All das ist immer noch gut für Laos, wo es abseits der Transitstrecke fast nur chaotische Buckelpisten gibt. Der Straßenbau – ein Zeichen für Chinas Drang nach Südostasien, für Chinas Drang in die Welt. Jenseits der Grenze, nur ein paar Hundert Meter von der Wellblechbaracke der laotischen Zöllner entfernt, liegt das Büro von Wu Bin. Er ist der höchste Beamte von Mohan, dem Grenzort auf chinesischer Seite.
"Bevor die Transitstrecke von Bangkok nach Kunming gebaut wurde, gab es in Mohan ausschließlich Handel mit Laos. Seither hat unser Geschäft stark zugenommen. 2010 erreichte unser Handel mit Thailand schon bis September 90 Millionen US-Dollar. China, Laos und Thailand profitieren voneinander. Der Plan für eine Eisenbahnstrecke liegt auf dem Tisch. Sie wird durch Mohan führen und bis nach Vientiane reichen, der Hauptstadt von Laos. Wenn sie erst einmal fertig ist, wird sie eine goldene Brücke zwischen China und den südostasiatischen Ländern bilden: Es wird mehr Kontakte geben, mehr Handel und mehr Tourismus."
Wu Bin ist überzeugt: Das Geschäft in seinem Städtchen wird in den kommenden fünf Jahren schier explodieren. Auf weit über eine Milliarde Dollar, mehr als zehnmal so viel wie heute. Das Grenztor ist ein Spiegel dieser Erwartung: ein imposanter, 30 Meter hoher Bogen aus Stahl. Silbern glänzt er in der Morgensonne, daneben die rote Fahne der Volksrepublik China. Lange, bevor die Beamten ihre Arbeit aufnehmen, stellen sich die ersten Pendler an der Grenzstation an. Die meisten sind Gemüsehändler. Aber auch diese beiden Bergwerksbetreiber suchen ihre Chance im Nachbarland Laos:
"In China werden die Rohstoffe knapp. Außerdem versucht die Regierung, den Energieverbrauch zu kontrollieren.
Wenn man in Laos eine Mine betreiben will, muss man sich das ganze Equipment aus China schicken lassen. Selbst einen passenden Nagel bekommt man in Laos nicht. Auch den muss man sich in China holen."
Kurz nach halb neun: Die Kolonne der wartenden Lastwagen am Grenzübergang Mohan ist mittlerweile einen Kilometer lang. Die ersten Händler haben ihre Formulare ausgefüllt, die nötigen Stempel erhalten und machen sich auf den Weg. Vor ihnen liegen 240 Kilometer bis an den Mekong-Strom, der Laos von Thailand trennt. Eine menschenleere Gegend, ein Dschungel, wo plötzlich Wasserbüffel die Straße kreuzen können. Eins fällt auf: Über weite Distanzen wachsen auf den Hügeln und in den Tälern Kautschukbäume. Drei Stunden dauert die Fahrt. Dann stauen sich am Ufer des Mekong die Laster erneut. Ein Nadelöhr, das es schon bald nicht mehr geben soll. Chinesische Offizielle wie Wang Chengxing und sein Kollege Hu Rongjie aus der Kleinstadt Mengla sind überzeugt:
"Die Brücke bei der Stadt Huay Xai wird alles anders machen. Heute sind die Laster dort von Autofähren abhängig. Wenn die Brücke fertig gebaut ist, wird der Verkehr ohne Behinderung fließen. Auf dem Mekong ist die Größe von Schiffen nämlich begrenzt. Zwischen März und Mai führt der Fluss nicht viel Wasser. Da kann nicht viel transportiert werden."
"Wenn erst einmal einige Dämme am Mekong fertig sind, können wir den Fluss während der Trockenzeit auffüllen. Das Transportproblem wird gelöst."
Darauf warten die chinesischen Gastarbeiter in dem kleinen Städtchen Huay Xai, dessen Hauptstraße die laotische Seite des Mekong-Ufers bildet. Viele Häuser sind Villen, offenbar frisch renoviert. Liest man die Schilder an den Zäunen, so wird klar: Hier residieren chinesische Firmen. Wie dieser Betreiber einer Eisenerz-Mine:
"Wir transportieren unsere Güter vorwiegend auf dem Fluss. Es ist viel billiger als die Straße, zwei Drittel billiger. Überhaupt finde ich das Klima für Investitionen in Laos gut. Es ist leicht, hier Geschäfte zu machen. In China ist der Wettbewerb zu hart. Wir haben auch unsere eigenen Geologen aus China mitgebracht."
Nur ein paar Meter weiter fällt ein goldenes Schild auf: ebenfalls eine chinesische Firma. Die Yunnan Bosen Rubber Planting – das Büro einer Kautschukplantage. Liu Xuncheng und seine Kollegen trinken grünen Tee. Viel zu tun haben sie offenbar nicht, denn noch sind die Bäume der Plantage zu jung, um angezapft zu werden. Manager Liu erklärt, warum sich das Warten eines Tages garantiert lohnen wird.
"Alles, was unsere Plantage einbringt, wird nach China verkauft. China hat nicht genug Gummi. Für viele strategisch wichtige Produkte braucht man aber Gummi. In Laos ist die Arbeitskraft ein Drittel billiger als in China. In Laos gibt es jetzt viele Chinesen."
Seit den frühen 90er-Jahren schon ersetzt China in seinen Nachbarländern Laos und Birma, das sich jetzt Myanmar nennt, Opiumplantagen durch Kautschuk und Zuckerrohr. Verstärkt ab 2006, als der Staatsrat einen Fond von umgerechnet 25 Millionen Euro auflegte, der solche Investitionen unterstützt. Der geschichtliche Hintergrund: Vor allem Chinesen waren im 19. Jahrhundert die Opfer des britischen Opiumhandels. Eine offene Wunde im Nationalbewusstsein – bis heute. Das aktuelle chinesische Projekt gegen den Drogenanbau in Südostasien wurde international als vorbildhaft gelobt, selbst von den Vereinten Nationen. Es hat aber auch eine andere Seite: Seit zehn Jahren ist China weltweit der größte Verbraucher von Kautschuk. Schon vor sieben Jahren konsumierte das Land über 20 Prozent der Weltproduktion. Innerhalb der eigenen Grenzen gibt es nur drei Orte, an denen die begehrten Bäume wachsen können: die Insel Hainan, die Provinz Guangdong und der Süden von Yunnan. Also das Grenzgebiet zu Laos, mit dem Mekong-Strom als Hauptschlagader.
Luangprabang dürfte so ziemlich jedem bekannt sein, der je nach Laos gereist ist: Es ist ein zauberhaftes Städtchen voller buddhistischer Tempel, in denen Jungen aus dem ganzen Land eine Schulbildung erhalten, wenn sie Mönch werden. Überall in der Innenstadt mit seinen über 30 Tempeln sieht man die kahl geschorenen Mönche in ihren orangefarbenen Gewändern. Luangprabang ist auch geprägt durch Villen aus jener Zeit vor 100 Jahren, als Laos noch zum französischen Kolonialreich gehörte. Viele von ihnen werden heute aufwendig restauriert, zu schmucken Boutique-Hotels umgebaut. In einem davon arbeitet Novae an der Rezeption. Wie so viele Laoten spricht sie fließend Englisch.
"Mein Sohn geht in die chinesische Schule. Wir finden, die ist besser. Der Lehrplan ist derselbe wie in der laotischen Schule, aber in der chinesischen kümmern sie sich besser um die Kinder. Sie lernen drei, vier Stunden pro Woche Chinesisch. Es gibt in der Schule einige muttersprachliche Lehrer. Mein Sohn kann die Sprache schon. Ich finde das nützlich, denn dann kann er später vielleicht in China studieren."
Novae sieht die Chinesen als Bereicherung. In Luangprabang machen sie bereits ein Drittel der Bevölkerung aus. Was einer anderen großen Gruppe in der Stadt kaum auffallen dürfte: den westlichen Touristen. Denn die Chinesen sind im historischen Kern kaum sichtbar. Sie wohnen in den Außenbezirken, wo die Schule steht – und auch der sogenannte chinesische Markt. Kein Ort, an dem ein Tourist länger als ein paar Minuten verweilen würde. Denn der chinesische Markt ist ein Platz unter freiem Himmel mit vielen schäbigen kleinen Ständen. Einer gehört Yang Chao:
"Ich bin seit 1994 in Laos. So ziemlich alle chinesischen Wanderarbeiter stammen wie ich aus der Provinz Hunan. Mich hat mein Bruder hier eingeführt. Zuerst waren wir in den Bergen des Nordens, nach und nach zogen wir südwärts. Zu Hause hatte ich keine Arbeit, ich war gezwungen, etwas Neues zu finden, um mich zu ernähren. Am Anfang ging es uns nicht besser als Bettlern. Wir durften keine Wohnungen mieten oder am Straßenrand Waren verkaufen. Ich musste die laotische Sprache lernen. Anders hätte ich nicht kommunizieren können. Jetzt lockern sie die Vorschriften immer weiter. Immer mehr Chinesen investieren hier, ziehen nach Laos. Jedes Jahr werden es mehr. Natürlich fände ich ein Leben in China viel besser. Schon allein wegen des Lebensstils, des Essens. Eines Tages muss ich nach Hause gehen. Ich bin jetzt 55. Mit 60 will ich mich zurückziehen. Meine ganze Familie lebt aber jetzt hier in Luangprabang."
Yang Chao erzählt, dass er im Jahr umgerechnet über 10.000 Euro macht. Viel Geld, von dem er sich zu Hause bequem zur Ruhe setzen kann. Er sagt: Was ich in Luangprabang verkaufe, würde daheim in Hunan niemand mehr wollen. Hausgeräte, Fernseher, Diesel-Generatoren, alle scheinbar noch übrig aus den 90er-Jahren. Doch diese Waren sind es, die Laoten als den wichtigsten Pluspunkt der Chinesen nennen. Viele teilen die Meinung dieses jungen Tourismusmanagers aus Luangprabang:
"Chinesische Waren sind billig. Für den Preis von drei chinesischen Motorrädern würde ich nur eins aus Thailand kriegen. Andererseits: Die Chinesen kaufen massig Land auf für ihre Kautschukplantagen. Das macht vielen Laoten Sorgen. Klar entstehen so neue Arbeitsplätze. Aber was passiert in der Zukunft? Da haben die Chinesen alles, die Laoten nichts."
Mit wem man auch in Laos spricht – fast alle sind verunsichert, wenn sie an den Drang des großen, erfolgreichen Nachbarn denken. Trotz der Tatsache, dass die Laoten sich wegen der billigen Waren aus China heute viel mehr leisten können als früher. Trotz all jener wohlhabenden Chinesen, die in ihren Autos als Touristen über die neue Transitstrecke nach Luangprabang fahren und dort Geld ausgeben.
"Ich denke, die ganze Welt hat Angst vor den Chinesen. Nicht nur hier in Asien, denn die Chinesen sind überall: Sie sind in Afrika, sie sind in USA, die Chinesen sind auch in Europa. Wir müssen schauen, dass wir selber fleißig arbeiten, denn die Chinesen kommen hier nach Laos. Die kommen nicht (zum) Stehlen, die kommen auch arbeiten, die arbeiten aber hart, damit sie Geld verdienen können und ein gutes Leben haben. Da muss man auch noch schauen und sehen ..."
Das war vor 2008. Damals wurden die 1.800 Kilometer zur Transitpiste ausgebaut: von Arbeitern aus Thailand, von der asiatischen Entwicklungsbank und aus China. Wo die jeweiligen Streckenabschnitte der drei Bauherren enden, spürt man sofort: Der chinesische Teil wirkt wie eine deutsche Bundesstraße: Der Verkehr rollt ohne Probleme über intakten Asphalt. Auf den anderen Abschnitten quälen sich die Fahrer über Schlaglöcher und Schotter. Staubwolken kündigen Gegenverkehr an. All das ist immer noch gut für Laos, wo es abseits der Transitstrecke fast nur chaotische Buckelpisten gibt. Der Straßenbau – ein Zeichen für Chinas Drang nach Südostasien, für Chinas Drang in die Welt. Jenseits der Grenze, nur ein paar Hundert Meter von der Wellblechbaracke der laotischen Zöllner entfernt, liegt das Büro von Wu Bin. Er ist der höchste Beamte von Mohan, dem Grenzort auf chinesischer Seite.
"Bevor die Transitstrecke von Bangkok nach Kunming gebaut wurde, gab es in Mohan ausschließlich Handel mit Laos. Seither hat unser Geschäft stark zugenommen. 2010 erreichte unser Handel mit Thailand schon bis September 90 Millionen US-Dollar. China, Laos und Thailand profitieren voneinander. Der Plan für eine Eisenbahnstrecke liegt auf dem Tisch. Sie wird durch Mohan führen und bis nach Vientiane reichen, der Hauptstadt von Laos. Wenn sie erst einmal fertig ist, wird sie eine goldene Brücke zwischen China und den südostasiatischen Ländern bilden: Es wird mehr Kontakte geben, mehr Handel und mehr Tourismus."
Wu Bin ist überzeugt: Das Geschäft in seinem Städtchen wird in den kommenden fünf Jahren schier explodieren. Auf weit über eine Milliarde Dollar, mehr als zehnmal so viel wie heute. Das Grenztor ist ein Spiegel dieser Erwartung: ein imposanter, 30 Meter hoher Bogen aus Stahl. Silbern glänzt er in der Morgensonne, daneben die rote Fahne der Volksrepublik China. Lange, bevor die Beamten ihre Arbeit aufnehmen, stellen sich die ersten Pendler an der Grenzstation an. Die meisten sind Gemüsehändler. Aber auch diese beiden Bergwerksbetreiber suchen ihre Chance im Nachbarland Laos:
"In China werden die Rohstoffe knapp. Außerdem versucht die Regierung, den Energieverbrauch zu kontrollieren.
Wenn man in Laos eine Mine betreiben will, muss man sich das ganze Equipment aus China schicken lassen. Selbst einen passenden Nagel bekommt man in Laos nicht. Auch den muss man sich in China holen."
Kurz nach halb neun: Die Kolonne der wartenden Lastwagen am Grenzübergang Mohan ist mittlerweile einen Kilometer lang. Die ersten Händler haben ihre Formulare ausgefüllt, die nötigen Stempel erhalten und machen sich auf den Weg. Vor ihnen liegen 240 Kilometer bis an den Mekong-Strom, der Laos von Thailand trennt. Eine menschenleere Gegend, ein Dschungel, wo plötzlich Wasserbüffel die Straße kreuzen können. Eins fällt auf: Über weite Distanzen wachsen auf den Hügeln und in den Tälern Kautschukbäume. Drei Stunden dauert die Fahrt. Dann stauen sich am Ufer des Mekong die Laster erneut. Ein Nadelöhr, das es schon bald nicht mehr geben soll. Chinesische Offizielle wie Wang Chengxing und sein Kollege Hu Rongjie aus der Kleinstadt Mengla sind überzeugt:
"Die Brücke bei der Stadt Huay Xai wird alles anders machen. Heute sind die Laster dort von Autofähren abhängig. Wenn die Brücke fertig gebaut ist, wird der Verkehr ohne Behinderung fließen. Auf dem Mekong ist die Größe von Schiffen nämlich begrenzt. Zwischen März und Mai führt der Fluss nicht viel Wasser. Da kann nicht viel transportiert werden."
"Wenn erst einmal einige Dämme am Mekong fertig sind, können wir den Fluss während der Trockenzeit auffüllen. Das Transportproblem wird gelöst."
Darauf warten die chinesischen Gastarbeiter in dem kleinen Städtchen Huay Xai, dessen Hauptstraße die laotische Seite des Mekong-Ufers bildet. Viele Häuser sind Villen, offenbar frisch renoviert. Liest man die Schilder an den Zäunen, so wird klar: Hier residieren chinesische Firmen. Wie dieser Betreiber einer Eisenerz-Mine:
"Wir transportieren unsere Güter vorwiegend auf dem Fluss. Es ist viel billiger als die Straße, zwei Drittel billiger. Überhaupt finde ich das Klima für Investitionen in Laos gut. Es ist leicht, hier Geschäfte zu machen. In China ist der Wettbewerb zu hart. Wir haben auch unsere eigenen Geologen aus China mitgebracht."
Nur ein paar Meter weiter fällt ein goldenes Schild auf: ebenfalls eine chinesische Firma. Die Yunnan Bosen Rubber Planting – das Büro einer Kautschukplantage. Liu Xuncheng und seine Kollegen trinken grünen Tee. Viel zu tun haben sie offenbar nicht, denn noch sind die Bäume der Plantage zu jung, um angezapft zu werden. Manager Liu erklärt, warum sich das Warten eines Tages garantiert lohnen wird.
"Alles, was unsere Plantage einbringt, wird nach China verkauft. China hat nicht genug Gummi. Für viele strategisch wichtige Produkte braucht man aber Gummi. In Laos ist die Arbeitskraft ein Drittel billiger als in China. In Laos gibt es jetzt viele Chinesen."
Seit den frühen 90er-Jahren schon ersetzt China in seinen Nachbarländern Laos und Birma, das sich jetzt Myanmar nennt, Opiumplantagen durch Kautschuk und Zuckerrohr. Verstärkt ab 2006, als der Staatsrat einen Fond von umgerechnet 25 Millionen Euro auflegte, der solche Investitionen unterstützt. Der geschichtliche Hintergrund: Vor allem Chinesen waren im 19. Jahrhundert die Opfer des britischen Opiumhandels. Eine offene Wunde im Nationalbewusstsein – bis heute. Das aktuelle chinesische Projekt gegen den Drogenanbau in Südostasien wurde international als vorbildhaft gelobt, selbst von den Vereinten Nationen. Es hat aber auch eine andere Seite: Seit zehn Jahren ist China weltweit der größte Verbraucher von Kautschuk. Schon vor sieben Jahren konsumierte das Land über 20 Prozent der Weltproduktion. Innerhalb der eigenen Grenzen gibt es nur drei Orte, an denen die begehrten Bäume wachsen können: die Insel Hainan, die Provinz Guangdong und der Süden von Yunnan. Also das Grenzgebiet zu Laos, mit dem Mekong-Strom als Hauptschlagader.
Luangprabang dürfte so ziemlich jedem bekannt sein, der je nach Laos gereist ist: Es ist ein zauberhaftes Städtchen voller buddhistischer Tempel, in denen Jungen aus dem ganzen Land eine Schulbildung erhalten, wenn sie Mönch werden. Überall in der Innenstadt mit seinen über 30 Tempeln sieht man die kahl geschorenen Mönche in ihren orangefarbenen Gewändern. Luangprabang ist auch geprägt durch Villen aus jener Zeit vor 100 Jahren, als Laos noch zum französischen Kolonialreich gehörte. Viele von ihnen werden heute aufwendig restauriert, zu schmucken Boutique-Hotels umgebaut. In einem davon arbeitet Novae an der Rezeption. Wie so viele Laoten spricht sie fließend Englisch.
"Mein Sohn geht in die chinesische Schule. Wir finden, die ist besser. Der Lehrplan ist derselbe wie in der laotischen Schule, aber in der chinesischen kümmern sie sich besser um die Kinder. Sie lernen drei, vier Stunden pro Woche Chinesisch. Es gibt in der Schule einige muttersprachliche Lehrer. Mein Sohn kann die Sprache schon. Ich finde das nützlich, denn dann kann er später vielleicht in China studieren."
Novae sieht die Chinesen als Bereicherung. In Luangprabang machen sie bereits ein Drittel der Bevölkerung aus. Was einer anderen großen Gruppe in der Stadt kaum auffallen dürfte: den westlichen Touristen. Denn die Chinesen sind im historischen Kern kaum sichtbar. Sie wohnen in den Außenbezirken, wo die Schule steht – und auch der sogenannte chinesische Markt. Kein Ort, an dem ein Tourist länger als ein paar Minuten verweilen würde. Denn der chinesische Markt ist ein Platz unter freiem Himmel mit vielen schäbigen kleinen Ständen. Einer gehört Yang Chao:
"Ich bin seit 1994 in Laos. So ziemlich alle chinesischen Wanderarbeiter stammen wie ich aus der Provinz Hunan. Mich hat mein Bruder hier eingeführt. Zuerst waren wir in den Bergen des Nordens, nach und nach zogen wir südwärts. Zu Hause hatte ich keine Arbeit, ich war gezwungen, etwas Neues zu finden, um mich zu ernähren. Am Anfang ging es uns nicht besser als Bettlern. Wir durften keine Wohnungen mieten oder am Straßenrand Waren verkaufen. Ich musste die laotische Sprache lernen. Anders hätte ich nicht kommunizieren können. Jetzt lockern sie die Vorschriften immer weiter. Immer mehr Chinesen investieren hier, ziehen nach Laos. Jedes Jahr werden es mehr. Natürlich fände ich ein Leben in China viel besser. Schon allein wegen des Lebensstils, des Essens. Eines Tages muss ich nach Hause gehen. Ich bin jetzt 55. Mit 60 will ich mich zurückziehen. Meine ganze Familie lebt aber jetzt hier in Luangprabang."
Yang Chao erzählt, dass er im Jahr umgerechnet über 10.000 Euro macht. Viel Geld, von dem er sich zu Hause bequem zur Ruhe setzen kann. Er sagt: Was ich in Luangprabang verkaufe, würde daheim in Hunan niemand mehr wollen. Hausgeräte, Fernseher, Diesel-Generatoren, alle scheinbar noch übrig aus den 90er-Jahren. Doch diese Waren sind es, die Laoten als den wichtigsten Pluspunkt der Chinesen nennen. Viele teilen die Meinung dieses jungen Tourismusmanagers aus Luangprabang:
"Chinesische Waren sind billig. Für den Preis von drei chinesischen Motorrädern würde ich nur eins aus Thailand kriegen. Andererseits: Die Chinesen kaufen massig Land auf für ihre Kautschukplantagen. Das macht vielen Laoten Sorgen. Klar entstehen so neue Arbeitsplätze. Aber was passiert in der Zukunft? Da haben die Chinesen alles, die Laoten nichts."
Mit wem man auch in Laos spricht – fast alle sind verunsichert, wenn sie an den Drang des großen, erfolgreichen Nachbarn denken. Trotz der Tatsache, dass die Laoten sich wegen der billigen Waren aus China heute viel mehr leisten können als früher. Trotz all jener wohlhabenden Chinesen, die in ihren Autos als Touristen über die neue Transitstrecke nach Luangprabang fahren und dort Geld ausgeben.
"Ich denke, die ganze Welt hat Angst vor den Chinesen. Nicht nur hier in Asien, denn die Chinesen sind überall: Sie sind in Afrika, sie sind in USA, die Chinesen sind auch in Europa. Wir müssen schauen, dass wir selber fleißig arbeiten, denn die Chinesen kommen hier nach Laos. Die kommen nicht (zum) Stehlen, die kommen auch arbeiten, die arbeiten aber hart, damit sie Geld verdienen können und ein gutes Leben haben. Da muss man auch noch schauen und sehen ..."