Erich Follath, 70, geboren in Esslingen, ist promovierter Politologe und langjähriger Reporter und Auslandschef des SPIEGEL. Er schreibt heute für die ZEIT und arbeitet als Sachbuchautor. Zu seinen Büchern gehören "Die neuen Großmächte" (2013) und "Jenseits aller Grenzen" (2016). Zuletzt ist von ihm im Herbst 2018 erschienen: "Siddhartas letztes Geheimnis – Eine Reise über die Seidenstraße zu den Quellen des Buddhismus" (alle bei DVA in München).
Coolness lässt sich nicht verordnen
04:24 Minuten
China treibt sein Großprojekt "Neue Seidenstraße" voran. Dabei geht es nicht nur um Wirtschaftsfragen. Ein neues "chinesisches Narrativ" soll her. Was bisher getan wird, reiche aber nicht aus, um Chinas Image aufzupolieren, meint Journalist Erich Follath.
Seidenstraße – das ist ein Wort mit Zauberklang. Selbst ein sonst so nüchterner Politiker wie der chinesische Staatspräsident kommt da ins Schwärmen. "Wenn ich an dieses Zeitalter zurückdenke, dann kann ich das Echo von Kamelglocken hören, die von Bergen widerhallen, die Rauchschwaden der Feuer sehen, die Händler nachts in der Wüste entfachten", sagte Xi Jinping beim Staatsbesuch in Kasachstan 2013. Und er nutzte die Gelegenheit, um eine gigantische Initiative zu starten, die Vision einer "Neuen Seidenstraße".
Ein chinesisches Narrativ
Seither hat Peking alles dafür getan, um an die Glanzzeiten der Antike anzuknüpfen. Die Volksrepublik investierte mehrere hundert Milliarden Dollar, ihre Führung hat die alten Verbindungswege wiederbelebt, neue Routen nach Afrika und an den Indischen Ozean geschaffen, Schienen, Autobahnen, Containerhäfen, Pipelines gebaut. Ob es das größte Konjunkturprojekt aller Zeiten ist, von dem alle profitieren oder eher ein Welteroberungsprogramm Pekings, das manche Länder in die Schuldenfalle treibt – da scheiden sich die Geister.
Mitmachen oder sich abschotten, Europa ist gespalten.
China preist seine Autokratie als erfolgreiches politisches Gegenmodell zu der westlichen Demokratie, die es im Niedergang sieht – und findet dabei etwa in Afrika viel Unterstützung. Aber die KP will noch mehr erreichen: Sie möchte auch gesellschaftlich und kulturell einen überlegenen Weg aufzeigen, die Partei wirbt für einen "Chinese Dream".
China preist seine Autokratie als erfolgreiches politisches Gegenmodell zu der westlichen Demokratie, die es im Niedergang sieht – und findet dabei etwa in Afrika viel Unterstützung. Aber die KP will noch mehr erreichen: Sie möchte auch gesellschaftlich und kulturell einen überlegenen Weg aufzeigen, die Partei wirbt für einen "Chinese Dream".
China will auch Softpower sein
Staatschef Xi sagt: "Unsere Soft Power muss gestärkt werden, die Welt braucht ein chinesisches Narrativ." Mit anderen Worten: Peking will nicht nur gefürchtet und geachtet, es will als Vorbild gesehen werden. Seine Hard Power soll Wohlverhalten erzwingen, seine Soft Power zum Einlenken verführen.
Dabei greift der KP-Vorsitzende auf die Silk-Road-Tradition zurück: Die antike Seidenstraße diente ja nicht nur zum Austausch von Waren – die Karawanen brachten Seide und Jade, Tee und Teppiche aus dem Osten, transportierten Edelsteine und Weihrauch, Korallen und Knoblauch aus dem Westen; sie war auch eine Route der Ideen, ein Weg für Weltneuheiten in Kultur und Religion, eine intellektuelle Tauschbörse. In ihrer Glanzzeit zeigte sich der Osten dabei führend, als dynamischer und einfallsreicher. Und so soll es wieder sein.
Partei fördert weltweite Mandarin-Lehrstunden
Kann China in Sachen Kunst und Kultur, Musik und Mode, Film und Fernsehen genauso dominierend werden wie auf dem Feld der Ökonomie und des Militärs? An Geld und Einsatz lässt es Peking bei seiner Soft-Power-Initiative jedenfalls nicht fehlen. Die Parteiführung hat weltweit über fünfhundert Konfuzius-Institute aus dem Boden gestampft, in denen Mandarin-Lehrstunden und Vorträge über chinesische Dichtung angeboten werden. Die Sprachkurse sind in der Regel gut besucht, alles andere lassen die meisten links liegen.
Während südkoreanische Popmusik und indische Filme weltweit zu Hits wurden, dümpeln chinesische Produktionen so vor sich hin. Kulturell geht China eher auf Einkaufstour, als dass es auf den Rest der Welt wie ein Magnet wirkt. Da macht es eher einen hilflosen Eindruck, wenn Neureiche aus Fernost immer mehr Bordeaux-Weingüter erwerben und ihre Schlösser "Chateau Kaiserliches Kaninchen" oder "Tibetische Antilope" nennen.
Pekings Soft-Power-Strategie droht zu scheitern
In der aktuellen Rangliste der meistbewunderten Staaten der Welt nimmt die Volksrepublik nur einen sechzehnten Rang ein – die Schweiz, Kanada, Japan und Deutschland führen; und obwohl Donald Trump das Ansehen der Vereinigten Staaten so ramponiert hat, halten sich die USA immerhin noch auf Rang acht. Die Soft-Power-Strategie Pekings ist also dabei, krachend zu scheitern – was zwangsläufig zu der Frage führt: Warum ist China so uncool?
Vielleicht, weil Coolness sich nicht verordnen lässt, weil Kreativität Freiheit braucht. Weil China dem weltoffenen Image, das es so gern propagiert, in der Realität diametral entgegensteht, weil seine staatliche Repression Andersdenkende durch Gängelung erstickt. So niedlich können nicht einmal die in den Westen exportierten Pandas sein, um das alles vergessen zu machen.