Chinesische Gesellschaft

Gespielte heile Welt

Massenhochzeit in China
Massenhochzeit in Peking 2011 © picture alliance / dpa / Foto: Wang Zhen/ChinaFotoPress/MaxPPP
Von Steffen Wurzel |
Trotz wirtschaftlicher Entwicklung ist die chinesische Gesellschaft immer noch sehr konservativ. Früh zu heiraten, gilt immer noch als das Wichtigste. Immer mehr junge Chinesen wollen das nicht mehr und mieten sich für die Familie stundenweise einen Vorzeigepartner.
Liu aus der Nähe von Peking vermietet sich an Jungs. Kein Anfassen, keine Prostitution, sondern:
"Ich gehe mit ihnen Shoppen, begleite sie zum Abendessen oder ins Kino. Normalerweise dauert ein Auftrag so zwei bis drei Stunden."
Liu ist Anfang 30, sie hat Kunst studiert. Jetzt nach der Uni kann sie davon nicht so richtig leben. Deswegen vermietet sie sich stundenweise auf einer speziellen Dating-Webseite, für 199,00 Yuan pro Stunde, das sind gut 27,00 Euro.
Auf jungen Menschen lastet ein enormer Druck, möglichst jung einen Partner zu finden.
Daraus hat Wang Jianhua eine Geschäftsidee entwickelt. Er betreibt eine Webseite, die wörtlich übersetzt so viel heißt wie "Miete eine Freundin".
"Weil junge Chinesen sehr viel arbeiten und jung Karriere machen, steigt das durchschnittliche Heiratsalter. Wenn Du in China aber die Uni abgeschlossen hast und zu arbeiten beginnst, fangen die Eltern an, Druck zu machen."
Um diesem Druck zumindest kurzfristig auszuweichen, mieten sich manche Singles einen Fake-Partner, um den Eltern vorzuspielen, man sei unter der Haube. Rund 2000 junge Männer und Frauen hat Jianhua in seiner Online-Kartei.
"Wenn ein Kunde seinen Eltern eine Braut vorstellt, die zu gut aussieht, dann könnte das leicht unrealistisch wirken. Wir versuchen deswegen, einen möglichst realistischen Service anzubieten: Die Mädchen sollten sich deswegen nicht zu sehr aufdonnern."

Das Geschäftskonzept sind Lügen

Die meisten seiner Kunden seien zwischen 26 und 35 Jahre alt, sagt Wang Jianhua. Klar, das Geschäftskonzept seiner Webseite basiere auf Lügen. Aber:
"Die Jungs überlegen sich das ja ganz genau, sie mieten sich eine Freundin ja nur als letzten Ausweg. Ganz einfach, weil sie keine andere Option sehen!"
Aber auch junge Frauen mieten sich Fake-Partner online. Auf Chinesinnen lastet ein noch höherer Druck, einen möglichst reichen und erfolgreichen Mann mit nach Hause zu bringen. Und zwar so früh es geht. Frauen, die bis Mitte 20 noch nicht verheiratet sind, gelten als nicht mehr zu vermitteln.
"Ich war zum chinesischen Neujahrsfest für zehn Tage zuhause bei meinen Eltern", sagt diese 23-Jährige, die ihren Namen im Radio nicht nennen will.
"Bei jedem Abendessen bin ich zwischendurch rausgegangen, weil wir uns gestritten haben. Alle meine Verwandten haben auf mich eingeredet und gesagt: Du wirst langsam zu alt, um zu heiraten!"
Einen echten Freund zu finden, dazu habe sie vor lauter Arbeit keine Zeit, sagt sie. Nicht mal für ein richtiges Interview hat sie Zeit, deswegen erzählt sie am Telefon:
"Wenn ich Ende des Jahres immer noch Single bin, dann miete ich mir online einen Typen. Auf diesen Webseiten treiben sich ja eine Menge guter Jungs rum."
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