Chinesische Kunst

Ai Weiwei, sonst nichts und niemand

Staatsministerin des Bundes für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU), eröffnete am 2. April 2014 im Martin-Gropius-Bau in Berlin die Ai-Weiwei-Ausstellung.
Von der deutschen Politik missbraucht? Staatsministerin Monika Grütters eröffnete in Berlin die Ai-Weiwei-Ausstellung. © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Anette Schneider · 11.07.2014
Warum ist der Hype um den Künstler Ai Weiwei in Deutschland so groß? Die Kulturjournalistin Anette Schneider sieht in dessen Stilisierung zum "Lieblings-Chinesen" eine eurozentristische Arroganz und politische Instrumentalisierung.
Hellseherei war nichts dagegen: Bereits vor Ausstellungsbeginn erklärten bundesdeutsche Politiker, Journalisten und Museumsleute Ai Weiwei zum "wichtigsten chinesischen Künstler" und "Vollzeitdissidenten". Einige wussten sogar schon, dass er mit der Ausstellung "Chinas Staatsmacht herausfordern" würde.
Wie man dies in seiner Kunst hätte sehen können, erklärten sie leider nicht. Die Ausstellung präsentierte mit alten Hockern, Fahrrädern, Computerfestplatten und Kleiderbügeln aus Glas vor allem Konzept- und Minimal-Art, wie Ai Weiwei sie während seiner zwölf Jahre in den USA kennengelernt hatte.
Zu dieser am Westen orientierten und für den Westen entstandenen Kunst gehört, dass sie viel behauptet, vom Behaupteten aber wenig zeigt. Erst ein Beipackzettel stülpt den Objekten politische Bedeutung über.
Die chinesische Regierung überstand diese Herausforderung. Irritierend bleibt jedoch, weshalb Ai Weiwei damit als wichtigster chinesischer Künstler gilt. Zumal: Wo hätte man einmal andere sehen können, vor allem solche, die sich nicht am Westen orientieren?
Tradition der politischen Instrumentalisierung
Ist bei uns nur ein "guter" chinesischer Künstler, wer medienwirksam seine Regierung kritisiert, und damit einen Dissidentenbonus vorweisen kann? Das wären zwar befremdliche Bewertungsmaßstäbe für Kunst, doch die politische Instrumentalisierung von Dissidenten hat in der Bundesrepublik Tradition: Solange man mit ihnen gesellschaftliche Systeme diskreditieren kann, die den Kapitalismus partout nicht als Endpunkt der Geschichte verstehen wollen, hätschelt man sie. Danach verschwinden sie im Orkus. So folgt auf Wolf Biermann und Stefan Krafczyk nun Ai Weiwei.
Dessen Stilisierung zum deutschen "Lieblings-Chinesen" funktioniert nur, wenn andere Vorstellungen aktueller chinesischer Kunst ausgeblendet werden. Sonst könnte man sehen, dass die meisten chinesischen Künstlerinnen und Künstler sich weder für westliche Kunstmoden interessieren, noch für den westlichen Kunstmarkt. Sie kennen auch Ai Weiwei nicht, dessen Arbeiten in China nicht verstanden werden. Sie gehen ihre eigenen Wege.
Der chinesische Künstler Ai Weiwei
Der chinesische Künstler Ai Weiwei© picture alliance / dpa / Stephan Scheuer
Vor knapp zwei Jahren stellten einige von ihnen in Hamburg aus: Selbstbewusst griffen sie die alte Tradition der Tuschemalerei auf, deren Philosophie jedem Chinesen vertraut ist, die ein Europäer aber kaum verstehen kann. In das alte Medium führten sie für die chinesische Kunst völlig neue Themen ein, und beschäftigten sich ironisch, kritisch und melancholisch mit den aktuellen Problemen ihrer rasant sich verändernden Gesellschaft.
Nicht an westlichen Vorstellungen orientiert
Die Ausstellung wurde organisiert vom ehemaligen Leiter des Goethe-Instituts in Peking, und sollte als Wanderausstellung durch deutsche Museen reisen. Doch nicht ein Museum hat sie gezeigt! Begründung: Kunst, die sich nicht an westlichen Formen und Vorstellungen orientiere, sei hierzulande nicht rezipierbar. Zu sehen war das Projekt deshalb nur ein Mal - im Hamburger Kunsthaus.
Wenn also hiesige Politiker, Museumsleute und Medien Ai Weiwei als "wichtigsten chinesischen Künstler" feiern, erzählt das einiges über eurozentristische Arroganz und die politische Instrumentalisierung eines Künstlers, mit dem man von eigenen gesellschaftlichen Missständen ablenken kann.
Denn natürlich ist es bequemer, die Einhaltung von Menschenrechten in China zu fordern, anstatt sich hier für sie stark zu machen, und einmal unsere Staatsmacht herauszufordern, die täglich Flüchtlinge sterben, uns überwachen, und Edward Snowden versauern lässt, und riesige Rüstungsgeschäfte mit autoritären Staaten abwickelt.
Es sagt aber absolut nichts aus über zeitgenössische chinesische Kunst, über das, was die Künstler und Künstlerinnen im Reich der Mitte wirklich beschäftigt, und was ihre Rezipienten für wichtig, anregend und erhellend halten.
Anette Schneider, Journalistin in Hamburg, schreibt für den Hörfunk, u.a. über Kulturthemen.
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