Chinesische Vergangenheit und Gegenwart
Wer China seit 20 Jahren kennt wie Petra Kolonko, der bringt den doppelten Blick mit: in die Gegenwart und die Vergangenheit des Landes. Sie zeigt uns Pekings Stadtzentrum - in seiner heutigen Gestalt - nachdem die alten Bauten abgerissen wurden - um für Olympia 2008 Platz zu schaffen, das gigantische chinesische Prestigeprojekt. Wo heute Hochhäuser und Neubauten stehen, im einst alten Stadtkern, sieht Petra Kolonko gleichzeitig die vergangene Struktur der Stadt so, wie sie einst gedacht war:
"Der Angriff auf die traditionelle Architektur und Struktur der Hauptstadt hatte schon unter Mao in den fünfziger Jahren begonnen. Peking war in der Kaiserzeit nach einem Plan angelegt worden, der auf der traditionellen Geomantik beruht, die die Erd- und Wettereinflüsse berücksichtigt. Für Mao hatte die Industrialisierung Vorrang vor allem anderen. Er befahl, in der Innenstadt Industrie anzusiedeln und ließ im Stadtzentrum das alte Viertel vor dem Kaiserpalast abreißen."
Durch Maos Attacke auf das traditionell gebaute Peking wurde der heutige "Platz des Himmlischen Friedens" erst möglich. Die Bilder von diesem Platz gingen 1989 um die Welt. Solche Ereignisse holt Petra Kolonko uns wieder heran, und das ist ein Gewinn dieses Buches.
Der Aufstand der Studenten, der auf dem Tiananmen gewaltsam niedergeschlagen wurde, gilt als Zäsur - aus Sicht des Auslands. Hoffnungen wurden begraben. Und wer bezieht sich heute noch auf damals?
"Heute fragt in China kaum noch jemand nach den Ereignissen von 1989 … Mittlerweile ist eine Generation herangewachsen, die von den Ereignissen damals kaum etwas weiß. Bei den älteren Chinesen hat die Empörung über den Armee-Einsatz gegen unbewaffnete Demonstranten zuerst einer Resignation und dann Gleichgültigkeit Platz gemacht."
Die Autorin bringt die Dinge rasch auf den Punkt. Hier schreibt eine Frau, die Sinologie, Geschichte und Volkswirtschaft studierte und schon 1979 als Austauschstudentin in der Volksrepublik China lebte. Wohin Maos Enkel auch gehen werden, schreibt sie generalistisch - und lässt dabei die Richtung offen - sie leben in einer Alltagskultur, die sich immer mehr verwestlicht - weit weg von Maos Lehren:
"Zum Ärger nationalistischer Ideologen erfreuen sich auch westliche Feiertage in Chinas Städten wachsender Beliebtheit. Junge Paare und Verliebte feiern den Valentinstag mit Blumengeschenken. Chinesische Kinder haben das Halloween-Fest entdeckt – sie verkleiden sich in Gruselkostümen und gehen Süssigkeiten sammeln. Auch Weihnachten, zumindest die kommerzielle Seite des Festes, hat sich im sozialistischen China eingeschlichen. Im Dezember sind die Kaufhäuser und Restaurants mit Weihnachtsdekorationen geschmückt – in Kaufhäusern wird man sogar mit Weihnachtsmusik berieselt."
Wirklich interessant ist es, zu lesen, welche entscheidenden Fragen der chinesischen Geschichte bis heute offen sind. Auch Jahrzehnte nach der Kulturevolution ist nicht geklärt, ob Mao-Tsetung aus Idealismus handelte oder aus Machthunger. Der Grund ist einfach.
"Aussagen über Mao unterliegen bis heute der Zensur."
Diskussionen über Mao gibt’s nur in privatem Kreis, wer auch immer kritische Töne anschlägt, kann das nur im Ausland veröffentlichen – ein Beispiel für die politische Widersprüchlichkeit Chinas. Maos Zitate dagegen sind öffentlich bekannt.
"Wer das Agrarproblem löst, wird die Bauern gewinnen. Und wer die Bauern gewinnt, wird China gewinnen."
Ein Satz von Mao Tsetung - wie wir wissen, kam es anders.
Und wie leben Chinas Bauern heute?
"Die Landwirtschaft ist in China ein hartes Brot und wenig geachtet. Mit dem Bauernleben verbinden sich keinerlei romantische Vorstellungen wie etwa in Europa. Die Chinesen der mittleren und älteren Generation, die von Mao aufs Land geschickt wurden, haben noch am eigenen Leib erlebt, wie hart und schwer das Leben dort ist.
Ein Großteil der ehemals "Landverschickten" hegt bis heute eine heftige Abneigung gegen alles Ländliche. Landwirtschaft, das heißt in China Knochenarbeit und harte Lebensbedingungen. Die Mechanisierung ist kaum fortgeschritten, in vielen Regionen ziehen noch Tiere primitive Holzpflüge durch die Erde."
Petra Kolonko: Maos Enkel
C. H. Beck, 279 Seiten
Durch Maos Attacke auf das traditionell gebaute Peking wurde der heutige "Platz des Himmlischen Friedens" erst möglich. Die Bilder von diesem Platz gingen 1989 um die Welt. Solche Ereignisse holt Petra Kolonko uns wieder heran, und das ist ein Gewinn dieses Buches.
Der Aufstand der Studenten, der auf dem Tiananmen gewaltsam niedergeschlagen wurde, gilt als Zäsur - aus Sicht des Auslands. Hoffnungen wurden begraben. Und wer bezieht sich heute noch auf damals?
"Heute fragt in China kaum noch jemand nach den Ereignissen von 1989 … Mittlerweile ist eine Generation herangewachsen, die von den Ereignissen damals kaum etwas weiß. Bei den älteren Chinesen hat die Empörung über den Armee-Einsatz gegen unbewaffnete Demonstranten zuerst einer Resignation und dann Gleichgültigkeit Platz gemacht."
Die Autorin bringt die Dinge rasch auf den Punkt. Hier schreibt eine Frau, die Sinologie, Geschichte und Volkswirtschaft studierte und schon 1979 als Austauschstudentin in der Volksrepublik China lebte. Wohin Maos Enkel auch gehen werden, schreibt sie generalistisch - und lässt dabei die Richtung offen - sie leben in einer Alltagskultur, die sich immer mehr verwestlicht - weit weg von Maos Lehren:
"Zum Ärger nationalistischer Ideologen erfreuen sich auch westliche Feiertage in Chinas Städten wachsender Beliebtheit. Junge Paare und Verliebte feiern den Valentinstag mit Blumengeschenken. Chinesische Kinder haben das Halloween-Fest entdeckt – sie verkleiden sich in Gruselkostümen und gehen Süssigkeiten sammeln. Auch Weihnachten, zumindest die kommerzielle Seite des Festes, hat sich im sozialistischen China eingeschlichen. Im Dezember sind die Kaufhäuser und Restaurants mit Weihnachtsdekorationen geschmückt – in Kaufhäusern wird man sogar mit Weihnachtsmusik berieselt."
Wirklich interessant ist es, zu lesen, welche entscheidenden Fragen der chinesischen Geschichte bis heute offen sind. Auch Jahrzehnte nach der Kulturevolution ist nicht geklärt, ob Mao-Tsetung aus Idealismus handelte oder aus Machthunger. Der Grund ist einfach.
"Aussagen über Mao unterliegen bis heute der Zensur."
Diskussionen über Mao gibt’s nur in privatem Kreis, wer auch immer kritische Töne anschlägt, kann das nur im Ausland veröffentlichen – ein Beispiel für die politische Widersprüchlichkeit Chinas. Maos Zitate dagegen sind öffentlich bekannt.
"Wer das Agrarproblem löst, wird die Bauern gewinnen. Und wer die Bauern gewinnt, wird China gewinnen."
Ein Satz von Mao Tsetung - wie wir wissen, kam es anders.
Und wie leben Chinas Bauern heute?
"Die Landwirtschaft ist in China ein hartes Brot und wenig geachtet. Mit dem Bauernleben verbinden sich keinerlei romantische Vorstellungen wie etwa in Europa. Die Chinesen der mittleren und älteren Generation, die von Mao aufs Land geschickt wurden, haben noch am eigenen Leib erlebt, wie hart und schwer das Leben dort ist.
Ein Großteil der ehemals "Landverschickten" hegt bis heute eine heftige Abneigung gegen alles Ländliche. Landwirtschaft, das heißt in China Knochenarbeit und harte Lebensbedingungen. Die Mechanisierung ist kaum fortgeschritten, in vielen Regionen ziehen noch Tiere primitive Holzpflüge durch die Erde."
Petra Kolonko: Maos Enkel
C. H. Beck, 279 Seiten

Cover: "Petra Kolonko: Maos Enkel"© C. H. Beck