Chodorkowski-Anwalt hofft auf fairen Prozess
Der Rechtsanwalt des russischen Oligarchen Michail Chodorkowski, Jurij Schmidt, vermutet, dass es bei dem laufenden Verfahren eine Absprache zwischen Präsident Dmitrij Medwedew und Ministerpräsident Wladimir Putin geben könnte - und zweifelt an einem fairen Prozess.
Nana Brink: Er ist eine der schillerndsten Figuren der russischen Gesellschaft, Michail Chodorkowski: Oligarch, ehemals reichster Mann Russlands, ehemals Chef des heute insolventen russischen Ölkonzerns Yukos. Am 25. Oktober vor sechs Jahren wurde er verhaftet und wegen Steuerhinterziehung und Betrugs zu acht Jahren Strafkolonie verurteilt, die er heute noch absitzt. Ein weitgehend politisches Urteil. Chodorkowski war dem damals neuen Präsidenten Putin politisch gefährlich geworden.
Seit März diesen Jahres nun steht Chodorkowski erneut vor Gericht und die Fragen, die uns dabei interessieren: Was sagt dieser neue Prozess über das Verhältnis zwischen Putin und seinem Nachfolger Medwedew aus? Gibt es so etwas wie Rechtssicherheit in Russland? Eine Frage, die natürlich vor allem auch ausländische Investoren interessiert.
Präsident Medwedew hatte kürzlich angekündigt, sich für Recht und Gesetz einzusetzen, und er hat an die Öffentlichkeit appelliert, sich gesetzeskonform zu verhalten. Ich habe Jurij Schmidt, einen der Anwälte von Michail Chodorkowski und Vorsitzender des russischen Anwältekomitees für Menschenrechte, gefragt, was er von diesen Ankündigungen hält.
Jurij Schmidt: Präsident Medwedew sagt sehr viel, und er spricht sehr viele schöne Worte. In der Anfangszeit – das war sogar noch in einer Zeit, in der als Präsidentenkandidat gehandelt worden ist – haben wir seine Reden mit einer sehr großen Aufmerksamkeit studiert. Doch dann haben wir begriffen, dass Medwedew eine ganz andere Aufgabe hat, dass er einfach für vier Jahre einen Platz gewissermaßen freihalten soll für eine Person, die dann im Jahre 2012 wieder kommen wird, nämlich für Wladimir Putin.
Brink: Wird es dann einen fairen Prozess geben? Gibt es eine Chance darauf?
Schmidt: Die Hoffnung besteht. Doch wenn wir uns Gedanken machen über die Chancen, die wir realistischerweise haben, dann wird unsere Stimmung immer schlechter.
Brink: Wird denn der Fall Chodorkowski dann auch zu einem Testfall im Verhältnis zwischen Medwedew und Putin? Nach Ihren Äußerungen ja doch eigentlich nicht.
Schmidt: Ich fürchte, Sie haben Recht, denn wenn Medwedew gewollt hätte, hätte er etwas in diese Richtung unternehmen können. Aber ich denke, der Vertrag, der zwischen Medwedew und Putin geschlossen worden ist und der natürlich nicht öffentlich zugänglich ist, der enthält sicherlich auch die Formulierung, dass Chodorkowski weiter in Haft bleiben muss.
Brink: Also ist Medwedew auch in diesem Fall eine Marionette von Putin?
Schmidt: Ich möchte dieses Wort "Marionette" nicht benutzen. Ich empfinde es eigentlich als kränkend. Ich möchte mich eher etwas weicher ausdrücken und möchte eher sagen, dass wir in der Persönlichkeit von Medwedew kein von Putin unabhängiges Handeln erkennen können.
Brink: Es wird dann auch keine Änderung im Sinne der Rechtssicherheit geben. Sehen Sie da Chancen, dass sich da etwas ändern kann?
Schmidt: Sie wissen sicherlich, dass Medwedew kürzlich einen Artikel geschrieben hatte mit dem Titel "Vorwärts Russland". In diesem Artikel finden sich sehr viele richtige Gedanken, werden sehr viele Fakten aufgezählt. Nur es ist eben nicht klar, wie Medwedew das Land aus dieser Sackgasse herausführen will, in die es in den acht Jahren der Putin-Regierung gekommen ist.
Es wird viel gesprochen über Reformen, die durchgeführt werden sollten, es wird viel gesprochen über den Kampf mit der Korruption. Doch wenn wir etwas sehen wollen, wenn wir konkrete Taten sehen wollen, dann sehen wir nichts.
Brink: Also Sie haben nicht die Hoffnung, dass sich das ändert?
Schmidt: Ich habe ja schon gesagt: Hoffnung habe ich! Nur ich habe keine Illusionen.
Brink: Hat dann anders herum gefragt Putin Erfolg gehabt mit seinem Vorgehen, zum Beispiel gegen Oligarchen wie Chodorkowski, dass die sich wirklich aus der Politik heraushalten?
Schmidt: Ja, und genau das war ja auch eines der Ziele, die die Attacke gegen Chodorkowski gehabt hatte.
Brink: Das heißt, die Mehrheit schweigt?
Schmidt: Absolut richtig.
Brink: Das was natürlich deutsche Investoren, deutsche Unternehmen interessiert, ist ja auch die Rechtssicherheit. Können Sie dann guten Gewissens deutschen Unternehmen raten, in Russland zu investieren?
Schmidt: Nein, kann ich nicht. Ich hatte gestern mehrere Treffen. Ich habe bei diesen Treffen auch immer wieder gesagt, wenn man in Russland Geschäfte machen will, dann muss man hier sehen, dass man ein großes Risiko eingeht. Deswegen ist es nicht möglich, Vertrauen zu schenken, wenn man sieht, wie zum einen zwar die russischen Behörden eine Rechtssicherheit versprechen, gleichzeitig wir aber auch die himmelschreienden Verletzungen der Rechte der eigenen Bürger sehen.
Es kann nicht doppelte Standards geben. Ich denke, früher oder später wird die Entwicklung in die eine, oder in die andere Richtung gehen. Die Zerstörung und die Ausraubung von Yukos hat übrigens auch die Rechte von einer ganzen Reihe von westlichen Investoren verletzt.
Brink: Damit sind wir am Ende des Gesprächs wieder beim Fall Chodorkowski angekommen. Sie haben gesagt, Sie haben Hoffnung, aber keine Illusionen. Wie wird dieser Prozess gegen Michail Chodorkowski enden?
Schmidt: Als ich sagte, ich habe Hoffnung, da habe ich in diesem Begriff Hoffnung eine ganze Menge von Fakten auch hineingelegt. Wenn es in Russland so bleibt wie es war, dann ist die Hoffnung wirklich sehr gering. Wenn die westlichen Staaten weiterhin schweigen werden, angesichts der Menschenrechtsverletzungen, der totalen Menschenrechtsverletzungen in Russland, dann gibt es wirklich sehr wenig Hoffnungen.
Wenn die Opposition im Land weiterhin so gespalten sein wird, wie sie es heute ist, wird es wenig Hoffnung geben. Doch wenn sich hier in diesen von mir genannten Richtungen etwas ändern würde, wenn dann mehr Druck auf das Regime gemacht werden würde, dann, denke ich, haben wir eine reelle Hoffnung.
Brink: Jurij Schmidt, er ist einer der Anwälte von Michail Chodorkowski, und wir sprachen mit ihm über den laufenden Prozess gegen ihn in Russland und die Rechtssicherheit dort. Vielen Dank für das Gespräch.
Schmidt: Bitte schön.
Seit März diesen Jahres nun steht Chodorkowski erneut vor Gericht und die Fragen, die uns dabei interessieren: Was sagt dieser neue Prozess über das Verhältnis zwischen Putin und seinem Nachfolger Medwedew aus? Gibt es so etwas wie Rechtssicherheit in Russland? Eine Frage, die natürlich vor allem auch ausländische Investoren interessiert.
Präsident Medwedew hatte kürzlich angekündigt, sich für Recht und Gesetz einzusetzen, und er hat an die Öffentlichkeit appelliert, sich gesetzeskonform zu verhalten. Ich habe Jurij Schmidt, einen der Anwälte von Michail Chodorkowski und Vorsitzender des russischen Anwältekomitees für Menschenrechte, gefragt, was er von diesen Ankündigungen hält.
Jurij Schmidt: Präsident Medwedew sagt sehr viel, und er spricht sehr viele schöne Worte. In der Anfangszeit – das war sogar noch in einer Zeit, in der als Präsidentenkandidat gehandelt worden ist – haben wir seine Reden mit einer sehr großen Aufmerksamkeit studiert. Doch dann haben wir begriffen, dass Medwedew eine ganz andere Aufgabe hat, dass er einfach für vier Jahre einen Platz gewissermaßen freihalten soll für eine Person, die dann im Jahre 2012 wieder kommen wird, nämlich für Wladimir Putin.
Brink: Wird es dann einen fairen Prozess geben? Gibt es eine Chance darauf?
Schmidt: Die Hoffnung besteht. Doch wenn wir uns Gedanken machen über die Chancen, die wir realistischerweise haben, dann wird unsere Stimmung immer schlechter.
Brink: Wird denn der Fall Chodorkowski dann auch zu einem Testfall im Verhältnis zwischen Medwedew und Putin? Nach Ihren Äußerungen ja doch eigentlich nicht.
Schmidt: Ich fürchte, Sie haben Recht, denn wenn Medwedew gewollt hätte, hätte er etwas in diese Richtung unternehmen können. Aber ich denke, der Vertrag, der zwischen Medwedew und Putin geschlossen worden ist und der natürlich nicht öffentlich zugänglich ist, der enthält sicherlich auch die Formulierung, dass Chodorkowski weiter in Haft bleiben muss.
Brink: Also ist Medwedew auch in diesem Fall eine Marionette von Putin?
Schmidt: Ich möchte dieses Wort "Marionette" nicht benutzen. Ich empfinde es eigentlich als kränkend. Ich möchte mich eher etwas weicher ausdrücken und möchte eher sagen, dass wir in der Persönlichkeit von Medwedew kein von Putin unabhängiges Handeln erkennen können.
Brink: Es wird dann auch keine Änderung im Sinne der Rechtssicherheit geben. Sehen Sie da Chancen, dass sich da etwas ändern kann?
Schmidt: Sie wissen sicherlich, dass Medwedew kürzlich einen Artikel geschrieben hatte mit dem Titel "Vorwärts Russland". In diesem Artikel finden sich sehr viele richtige Gedanken, werden sehr viele Fakten aufgezählt. Nur es ist eben nicht klar, wie Medwedew das Land aus dieser Sackgasse herausführen will, in die es in den acht Jahren der Putin-Regierung gekommen ist.
Es wird viel gesprochen über Reformen, die durchgeführt werden sollten, es wird viel gesprochen über den Kampf mit der Korruption. Doch wenn wir etwas sehen wollen, wenn wir konkrete Taten sehen wollen, dann sehen wir nichts.
Brink: Also Sie haben nicht die Hoffnung, dass sich das ändert?
Schmidt: Ich habe ja schon gesagt: Hoffnung habe ich! Nur ich habe keine Illusionen.
Brink: Hat dann anders herum gefragt Putin Erfolg gehabt mit seinem Vorgehen, zum Beispiel gegen Oligarchen wie Chodorkowski, dass die sich wirklich aus der Politik heraushalten?
Schmidt: Ja, und genau das war ja auch eines der Ziele, die die Attacke gegen Chodorkowski gehabt hatte.
Brink: Das heißt, die Mehrheit schweigt?
Schmidt: Absolut richtig.
Brink: Das was natürlich deutsche Investoren, deutsche Unternehmen interessiert, ist ja auch die Rechtssicherheit. Können Sie dann guten Gewissens deutschen Unternehmen raten, in Russland zu investieren?
Schmidt: Nein, kann ich nicht. Ich hatte gestern mehrere Treffen. Ich habe bei diesen Treffen auch immer wieder gesagt, wenn man in Russland Geschäfte machen will, dann muss man hier sehen, dass man ein großes Risiko eingeht. Deswegen ist es nicht möglich, Vertrauen zu schenken, wenn man sieht, wie zum einen zwar die russischen Behörden eine Rechtssicherheit versprechen, gleichzeitig wir aber auch die himmelschreienden Verletzungen der Rechte der eigenen Bürger sehen.
Es kann nicht doppelte Standards geben. Ich denke, früher oder später wird die Entwicklung in die eine, oder in die andere Richtung gehen. Die Zerstörung und die Ausraubung von Yukos hat übrigens auch die Rechte von einer ganzen Reihe von westlichen Investoren verletzt.
Brink: Damit sind wir am Ende des Gesprächs wieder beim Fall Chodorkowski angekommen. Sie haben gesagt, Sie haben Hoffnung, aber keine Illusionen. Wie wird dieser Prozess gegen Michail Chodorkowski enden?
Schmidt: Als ich sagte, ich habe Hoffnung, da habe ich in diesem Begriff Hoffnung eine ganze Menge von Fakten auch hineingelegt. Wenn es in Russland so bleibt wie es war, dann ist die Hoffnung wirklich sehr gering. Wenn die westlichen Staaten weiterhin schweigen werden, angesichts der Menschenrechtsverletzungen, der totalen Menschenrechtsverletzungen in Russland, dann gibt es wirklich sehr wenig Hoffnungen.
Wenn die Opposition im Land weiterhin so gespalten sein wird, wie sie es heute ist, wird es wenig Hoffnung geben. Doch wenn sich hier in diesen von mir genannten Richtungen etwas ändern würde, wenn dann mehr Druck auf das Regime gemacht werden würde, dann, denke ich, haben wir eine reelle Hoffnung.
Brink: Jurij Schmidt, er ist einer der Anwälte von Michail Chodorkowski, und wir sprachen mit ihm über den laufenden Prozess gegen ihn in Russland und die Rechtssicherheit dort. Vielen Dank für das Gespräch.
Schmidt: Bitte schön.