Chor der Woche

Inszenierte Lieder

Die Sängerinnen und Sänger der Dresdner chorbühne Tritonus auf der Bühne in Aktion
Die Sängerinnen und Sänger der Dresdner chorbühne Tritonus © Rolf Kühn
Von Grit Krause |
Eine geheimnisvolle Disharmonie stand bei der Namensgebung Pate. Die Auftritte der chorbühne Tritonus aus Dresden sind eher originelle Singspiele als Konzerte im eigentlichen Sinn.
Natürlich wird bei der chorbühne Tritonus gesungen. Aber, wie der Name schon sagt, hier gilt das gesprochene Wort ebensoviel und daher können schauspielerische Ambitionen nie schaden.
"Dass man einerseits was Szenisches hat, einen durchgehend roten Faden, aber mit Musik und das bei jedem zweiten Programm als Welturaufführung, das ist ein künstlerisches Ding, was man nirgends in der Welt geboten kriegt. Also in Deutschland, würde ich sagen, ist das verdammt schwierig",
behauptet zumindest Andreas Wilde, einer der Bässe.
Für die szenischen Programme betten sie ausgewählte Lieder, oft Kompositionen der Chorleiterin Sylke Zimpel, in eine Erzählung ein und bringen sie dann als eine Art Singspiel auf die Bühne. Dabei werden Haupt- und Nebenrollen besetzt, wenige Requisiten und Kostüme sorgen für die nötige Illusion. Und mit mal mehr, mal weniger Körpereinsatz bilden die 30 Sängerinnen und Sänger auch noch die Kulissen.
Kooperation mit Theaterprofis
Unterstützt wird Tritonus dabei immer von Theaterprofis, etwa von der Dresdner Regisseurin Katja Heiser, die das aktuelle Stück inszeniert hat, "Die Flucht nach Ägypten" nach Ottfried Preußlers gleichnamigem Roman. Eine skurrile Geschichte über die Heilige Familie, die auf ihrer Flucht vor Herodes das Königreich Böhmen durchquert.
Katja Heiser: "Das passt sehr gut zu diesem Chor, diese Geschichte, weil es eine Art von Humor ist, die ich bei allen Sängern kenne, und es gibt viele kleine Rollen. Und kommt dem sehr entgegen, dass alle gesagt haben, wir wollen singen und spielen. Also dass es sozusagen geht, aus dem Chor rauszutreten, eine kleine Rolle zu spielen und wieder in den Chor zurückzutreten."
Dass nicht nur eine gute Gesangsstimme gefragt ist, weiß Judith Seisum aus dem zweiten Sopran. Sie führt als Erzählerin wortreich durchs Programm:
"Mit dem Sprechen ist es auch so, dass es wirklich echt eine Herausforderung war. Zum einen natürlich auswendig lernen und dann immer präsent sein bei jedem Satz, nichts vergessen, wissen wohin man wann wo geht, wo man herkommt. Singen muss man ja auch, also das Singen im Chor ist schon ein ganz wichtiger Bestandteil, wenn das nicht wäre, das würde ich sehr schade finden."
Bei den Inszenierungen sind die Sängerinnen und Sängern weit entfernt von einer akkuraten Choraufstellung und auch Sylke Zimpel, die Chorleiterin, ist zunächst nicht zu entdecken. Erst mitten im Stück hat sie ihren Auftritt, doch nicht etwa tonangebend, sondern in der Rolle eines Teufels.
Judith Seisum: "Die Sylke kann in jeder Lebenslage dirigieren. Als Förster von Geithain ist sie auf der Bühne gestorben und Sylke dirigiert auch im Tode noch wunderbar. Da ist manchmal ein einzelnes Zucken von einem Finger oder dem Augenlid. Eigentlich ist es so, wenn sie irgendwo hinten oder in der Mitte steht. Da guckt man zwar nach vorne ins Publikum, aber die Sinne sind trotzdem zur Sylke gerichtet."
Sylke Zimpel: "Was diese szenische Arbeit mit dem Chor von normalem Chorsingen unterscheidet, ist, dass die Sänger bei jedem Lied woanders sind, dass sie in unterschiedlichen Aufstellungen sind, mal in einem Pulk, mal verstreut, und das trotzdem ein Lied losgehen muss und dass das auf den Proben ein ziemlich langer Prozess ist, bis diese Lieder dann auch klingen.Weil sie können erst dann klingen, wenn alle äußeren Geschichten so verinnerlicht sind, dass die Sänger die Konzentration frei haben auf gutes Singen."
Von Mozart bis nordischer Romantik
Keinen traditionellen Chor, sondern einen bunten Haufen, der ihre Lieder singt und inszeniert, habe sie im Sinn gehabt, als sie 1986 junge Männer und Frauen um sich scharte, erzählt Sylke Zimpel. Dies ist bis heute so geblieben, wobei sich der Chor gelegentlich auch für Konzerte im klassischen Sinne begeistern kann. Ob Mozart oder nordische Romantik – das Repertoire ist vielfältig.
"Ich habe es auch so erlebt, dass die Stimmung im Chor so ist, dass man nach einem szenischen Programm, was deutlich mehr Aufwendungen macht, dass man dann auch mal froh ist, nicht so viel zu tun zu haben",
sagt Victor Werner, als Bass seit 16 Jahren bei Tritonus mit dabei.
Am eindrücklichsten sind für alle dennoch immer die szenischen Programme, etwa "Rosinkess mit Mandlen", das den Chor 1996 auf Konzertreise durch Israel führte.
Victor Werner: "Das war für mich ein Erlebnis, das hat mich wirklich so bewegt, das ist, glaube ich, nicht mehr zu übertreffen. Da hatten wir ein Stück gemacht, was einfach wirkte vor den Menschen, die dort Deutsche gehört haben, die über den Holocaust gesungen haben mit jiddischen Liedern.
Jedes neue Programm der chorbühne Tritonus unterscheidet sich von den vorherigen, mal werden die Lachmuskeln des Publikums provoziert, dann wieder versinkt der Konzertbesucher in nahezu sphärischen Klängen. Nur eines wird sich wohl nie ändern: die Freude der Sängerinnen und Sänger und ihrer Chorleiterin Sylke Zimpel am Experimentieren.
Deutschlandradio Kultur stellt jeden Freitag um 10:50 Uhr im "Profil" Laienchöre aus der ganzen Republik vor. Im "Chor der Woche" stehen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes, jeden Alters, jeder Formation und Größe oder Stilrichtung, seien sie Mitglied eines Chorverbands oder auch nicht.
Mit freundlicher Unterstützung des Deutschen Chorverbands
Service: Mit ihrem aktuellen Programm "Die Flucht nach Ägypten" ist die chorbühne Tritonus zurzeit live zu erleben, und zwar am:
So. 12.1.2014, 16 Uhr, Kirche Weistropp, Klipphausen, OT Weistropp, Kirchstr. 6
So. 19.1.2014, 19 Uhr, Theaterhaus Rudi, Dresden, Fechnerstr. 2a
So. 2.2.2014, 16 Uhr, Bürgerhaus Langebrück, Hauptstraße 4, 01465 Langebrück
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