Chor der Woche

Nicht nur bei Beatles und Elvis versackt

Von Gerrit Stratmann · 27.12.2013
Die "Groove und Grufties" überbrücken die Kluft zwischen Alt und Jung. Am Bonner Theater stehen sie mit dem Überraschungserfolg "The Rock'n Rollator Show" auf der Bühne.
"Sie werden jetzt etwas erleben. Sie werden jetzt erleben, wie wir tanzen und singen und dabei bringen wir unseren Körper, unseren Geist, unsere Seele in die innere Balance. Wir spüren Lebensfreude. Und Lebensfreude macht gesund!"
Das Verstreichen der Zeit spielt in den Liedern der Groove@Grufties eine wichtige Rolle. Der Laienchor, der zwei Generationen beim Singen vereint, wurde 2010 für ein Projekt vom Bonner Theater gecastet. Anke Bohnsack ist eine der 23 "Grufties“, die bei der "Rock'n Rollator Show“ auf der Bühne stehen. Die 68-jährige Rentnerin ist wie alle Beteiligten überwältigt davon, wie gut die Show beim Publikum ankommt, und freut sich über den Schwung, den die moderne Musik in ihren Alltag bringt.
"Für mich ist hier auch Vieles neu. Fantastische Vier und so, bestimmte Gruppen, die hab ich gar nicht mitgekriegt. Da bin ich irgendwie bei den Beatles oder bei Elvis hängen geblieben. Insofern lernen wir hier auch noch täglich neu."
Auch die ehemalige Lehrerin Steffi fühlt sich gut aufgehoben in dem neu gegründeten Ensemble, obwohl das Singen im Chor für sie eine ganz neue Herausforderung war.
"Was schwierig für uns Ältere ist, ich denke, da spreche ich für alle: Dieses Auswendiglernen der Texte. Denn wir müssen alles auswendig können, ob deutsch, ob englisch, ob spanisch, egal – auswendig! Aber ansonsten ist es einfach nur schön."
Ins Leben gerufen wurden die Groove@Grufties von Michael Barfuß. Der musikalische Leiter des Bonner Theaters wollte für ein Projekt zusammen mit älteren Menschen Rockmusik machen. Inspiriert wurde er dazu durch den amerikanischen Chor „Young at heart“, der seit 30 Jahren junggebliebene Senioren auf die Bühne holt.
"Und wir haben dann diese Idee erweitert auf zwei Generationen, und dann sind wir auf den schönen Namen 'The Rock'n Rollator Show' gekommen, und dieser Name ist irgendwie ganz günstig gewählt, weil die Leute lachen schon, wenn sie ihn hören, und denken: Mensch, da wollen wir rein!"
Sechs junge Frauen zwischen 18 und Mitte 20 ergänzen die Truppe der Senioren. Verkleidet als Krankenschwestern betreuen sie die Alten während der Show und mischen auch gesanglich kräftig mit.
Bei ihren Auftritten abseits der Theaterbühne müssen die Groove@Grufties auf viele Showelemente und auf ihre Band verzichten. Für eine ausgelassene Stimmung sorgen sie trotzdem. Dennoch bleibt den Zuschauern nicht verborgen, dass der Abend sehr viel ernster ist, als sein Name vermuten lässt.
"Rock´n Rollator Show" ist innerhalb eines Tages ausverkauft
"Es geht ja ums Alter. Und das Alter ist ja durchaus nicht nur eine freudvolle Erfahrung, sondern auch das Gegenteil. Das heißt, es ist Schmerz, es ist Verlust, es ist das Vergehen des Körpers – das sind durchaus unangenehme Themen. Ich glaube, das ist eigentlich das Zentrale, neben aller Freude und neben allem Gesang, neben allem Spaß, den wir haben – also wir versuchen, etwas zu erzählen, eine zutiefst menschliche Erfahrung zu erzählen."
Sehr menschlich verläuft auch das Zusammenspiel der Generationen innerhalb der Gruppe. Michael Barfuß ließ das bunt zusammengewürfelte Ensemble früh miteinander tanzen, wodurch es trotz der Altersunterschiede schnell zusammenwuchs.
"Man hat halt das Gefühl, man kann sich nicht blamieren, weil man irgendwie als Gruppe auf der Bühne steht, und wenn halt was schief geht, dann ist das so, aber das reißt auch nicht direkt das ganze Stück runter. Und ich glaub, das gibt einfach unheimliche Sicherheit."
Vicki ist mit 18 Jahren die jüngste Sängerin der Gruppe. Sie sammelte bereits im Jugendclub des Theaters erste Bühnenerfahrungen. Von den älteren Laiensängerinnen und -sängern waren nur wenige an öffentliche Auftritte gewöhnt. Der pensionierte Schulleiter Bernhard Hieronymi und Chorsänger Jürgen Huch bildeten zwei Ausnahmen.
Bernhard Hieronymi: "Ich hab vor 40 Jahren mal als Statist Theaterluft geschnuppert, von daher war das eine Wiederaufnahme dieses Gefühls, aber als es dann los ging, da ist man restlos – also Adrenalin pur, wie heute gesagt wird."
Jürgen Huch: "Wir wurden dann immer lockerer, und man merkte, dass wir in der zweiten Vorstellung schon besser waren. Und dann fanden wir uns gut, und ich hatte das Gefühl, dann in der dritten Vorstellung wurden wir wieder schlechter – weil wir dachten, wir sind gut."
Vicki: "Also ich würd mir wünschen, dass beim Publikum noch mehr buntes Durcheinander ist. Ich meine, es waren schon einige junge Leute auch drin, aber ich hab schon das Gefühl, dass tendenziell eher Ältere drin sind; aber ich glaube halt, wenn Theater für alle interessant sein kann, dann mit so einem Stück, weil es natürlich alle eigentlich betrifft."
Über mangelndes Publikumsinteresse brauchen sich die Groove@Grufties aber keine Sorgen machen. Ihre „Rock'n Rollator Show“ war meist innerhalb eines Tages ausverkauft. Und auch abseits der Show könnten die Groove@Grufties noch eine lange Zukunft als Chor vor sich haben, denn, so Jürgen Huch:
"Wie es Spaß macht, das merkt man da dran, dass grundsätzlich – es sei durch Krankheit, Urlaub oder sonstwas – niemand fehlt."
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