Von der Faszination tief religiöser Werke
Im 14. Jahr seines Bestehens kann Canticum Novum auf eine erfolgreiche Bilanz zurückschauen. Der Chor ist preisgekrönt und gilt als Vorkämpfer für Neue geistliche Musik - mit inzwischen zahlreichen Uraufführungen.
Chorleiter Michael Schmutte ist gut aufgelegt – und schwer beschäftigt, im wahrsten Sinne des Wortes: Während Sängerinnen und Sänger mit verspäteten Neujahrswünschen in den Proberaum eilen, schiebt Schmutte Stühle zurecht und befördert das Klavier in die Mitte des Saales. Es ist die erste Probe von Canticum Novum 2014.
"Ja ihr Lieben, ich grüße euch, ich wurde gerade gefragt, ob ich mich freue den Chor wiederzusehen, und ich hab natürlich gesagt, oahh, aber Nein, fürchterlich!" (Lachen).
Bevor es ans Singen geht, gibt’s erstmal Aerobic – für Körper und Zungen.
"Ja, verteilt euch im Raum, strecken wir uns erst mal – und dann mal Blblblblblblb …"
Derart aufgewärmt geht es nun ans Eingemachte, denn der Chor bereitet sich schon auf den nächsten Wettkampf im Mai vor.
Michael Schmutte: "Der ist's, der ist's, der nach mir kommen wird, ich bin's nicht, so mit der Attitüde, so 21. Drei, vier …"
Der Chor singt die Motette "Ich taufe mit Wasser“ von Melchior Franck, ein Komponist, der eher Experten ein Begriff ist. Ein tiefreligiöses Werk – und hier, bei der anspruchsvollen, geistlichen Musik, liegt der Schwerpunkt des rund 30-köpfigen Ensembles. Schmutte, von Beruf Kirchenmusiker, fasziniert die Spiritualität. Die Ahnung von Mysterium, die, wie er sagt, über die bloßen Noten hinausgeht – und Altistin Dorothea Raspe stimmt zu:
"Ich glaube, dass, wenn man geistliche Musik singt, ich weiß nicht, wer das gesagt hat, singen ist doppeltes Beten, und ich glaube, da ist tatsächlich was dran. Es ist intensiver und vielleicht auch beglückender."
Nicht nur Althergebrachtes pflegen
Michael Schmutte: "Ich habe heute noch einen Anruf erhalten, von jemandem, von einer 61-jährigen, alten Frau, die sich nochmal bedanken wollte, das Programm sei für sie die größte Tröstung gewesen, seit ihr Mann verstorben ist. Zeigt es, dass es gut ist und richtig und schön, da weiterzumachen."
Weitermachen, also: den Schatz der geistlichen Musik pflegen. Doch Schmutte und sein Chor verstehen sich nicht nur als Schatzgräber – sondern auch als Vorkämpfer für Neue geistliche Musik – mit inzwischen zahlreichen Uraufführungen.
"Eine Uraufführung ist immer etwas ganz besonderes, man weiß oftmals auch nicht, worauf man sich da eingelassen hat, zum Beispiel haben wir auch Kompositionsaufträge schon vergeben. Ich sehe mich ein bisschen in der Pflicht, dass man nicht nur das Althergebrachte pflegt."
Tief religiöse Musik, gesungen mit viel Engagement und Ernsthaftigkeit. Doch während der Probe wird, neben dem Singen, vor allem auch eins: viel gelacht.
Zwischen Anfang 20 bis gut 50 Jahre ist bei Canticum Novum praktisch jedes Alter vertreten, und sie alle opfern viel Freizeit für den ambitionierten Chor. Vom Arzt bis hin zur Jurastudentin – wie etwa Sopranistin Franziska, an diesem Abend die jüngste im Proberaum.
"Das wird dann manchmal n bisschen stressig, wenn dann Konzerte sind und die Proben sich häufen, aber dann muss man dann n bisschen die Priorität setzen. Und das tu ich dann auch meistens zugunsten des Chores."
Ein Ticket für den Bundeschorwettbewerb
Auch für einen Chor, der ein so anspruchsvolles Repertoire hat, bleiben Wettbewerbe eine besondere Herausforderung, und Chorleiter Schmutte hat beim letzten Wettbewerb, dem Landeschorwettbewerb in Dortmund noch einen draufgesetzt: Alle sollten auswendig singen.
"Da haben mir alle, zumindest innerlich den Vogel gezeigt …"
Dorothea Raspe: "Ich glaube, wo ich Herrn Schmutte den Vogel gezeigt habe, war, als er auch auswendig dirigieren wollte." (lacht)
Dorothea Raspe: "Ich glaube, wo ich Herrn Schmutte den Vogel gezeigt habe, war, als er auch auswendig dirigieren wollte." (lacht)
Und noch eine Herausforderung: Für den Wettbewerb wurde nämlich auch ein Volkslied verlangt – erstmals also: fremdes Terrain.
Chor singt: "Ein Vogel saß auf einem Baum …"
Michael Schmutte: "Ja, das ist n ziemlich fetter Vogel." (Lachen)
Kai Koch, Bassist bei Canticum Novum, nahm sich ein Gedicht von Heinz Schenk und eine Melodie von Richard Rudolf Klein und setzte das Lied in Töne, exklusiv für den Chor, und damit eine weitere Uraufführung. Für Kai Koch in doppelter Hinsicht – als Sänger und als Komponist:
"Wir haben das als allerletztes Stück gesungen vom Wettbewerbsprogramm und die waren sofort am Tuscheln, schauten sich gegenseitig an, und das Publikum war am Schmunzeln und man hörte so kleine Gluckser und Lacher."
Der Lohn für die Mühen: Ein erster Platz – und das Ticket für den Bundeschorwettbewerb im Mai in Weimar.